Kaputte Kunst, totes Kamel - Düsseldorfer berechnen ungewöhnliche Schäden

Die Sachverständigen von Gielisch haben sich um ein aufgeschlitztes Lichtenstein-Bild, das Kölner Stadtarchiv und ein totes Zirkustier gekümmert.

Kaputte Kunst, totes Kamel - Düsseldorfer berechnen ungewöhnliche Schäden
Foto: dpa

Düsseldorf. Unabhängig davon, wie lange die Party zum 100. Geburtstag des Unternehmens Gielisch heute Abend gefeiert wird, sie wird nicht lang genug sein — jedenfalls nicht für die Geschichten, die Geschäftsführer Claus Gielisch und seine mehr als 70 Sachverständigen erzählen können. Die Düsseldorfer Schadensregulierer kümmern sich um rund 7000 Fälle pro Jahr und sind Spezialisten für ungewöhnliche Probleme. Vier Beispiele:

Aufgeschlitztes Kunstwerk Claus Gielisch erklärt, dass es in seinem Beruf neben dem Fachwissen oft auch eine große Portion Psychologie braucht. Der Fall des zerstörten Roy-Lichtenstein-Bildes „Nude in Mirror“ war so ein Moment. Der sehr wohlhabende Eigentümer sorgte sich weniger ums Geld als um die Wut seiner Frau. Die hatte ihren Mann gebeten, das Bild nicht zu verleihen. Er hatte es dennoch ans Museum in Bregenz gegeben, dort schnitt eine Frau vier Mal mit einem Messer ins Werk. Damit der Mann einigermaßen die Gnade seiner Frau fand, vereinbarte er mit Gielisch, dass er einen entsprechend deutlichen Auftritt haben dürfte. Gielisch nahm’s gelassen und regelte den Fall so, dass nachher alle sehr zufrieden waren. Als das Bild später versteigert wurde, warb das Auktionshaus sogar ausdrücklich damit, dass das das Bild sei, das mal ein spektakulärer Versicherungsfall war — und erzielte einen noch höheren Preis.

Einsturz des Kölner Stadtarchivs Manchmal sind es die alltäglichen Dinge, die bei den spektakulären Fällen für die großen Fragen sorgen. Nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs war es noch überschaubar schwierig zu bemessen, was mit Original-Werken von Heinrich Böll verloren gegangen war. Aber was ist der Wert eines Protokolls von der Stadtratsitzung am 31. Mai 2005? Letztlich helfen Vergleiche. Gielisch und seine Kollegen überlegen, was die Stadt zahlen würde, wenn sich das Protokoll im Besitz eines anderen befände und die Stadt es für ihr Archiv ankaufen würde. Nachdem die sehr sehr vielen Papierchen in den Zuständen nass, trocken und feucht wieder zusammengepuzzelt, diese und alle anderen Schäden addiert waren, konnte das Düsseldorfer Unternehmen belastbar belegen, dass die „satte achtstellige Versicherungssumme“ locker erfüllt war.

Totes Zirkuskamel Dieser Fall ist ein Beispiel dafür, wie hoch die Emotionen kochen und welche Nebenkompetenzen die Sachverständigen mitbringen müssen. „Eine Kollegin hat mal gesagt: Wenn wir unseren Job gut machen, sollte es sich anfühlen wie ein Wellness-Event, bei dem man am Ende bedauert, dass es vorüber ist“, sagt Gielisch. Ein Zirkuskamel war während des Transports durch einen Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Neben der Frage, was für ein neues Kamel einschließlich der Kosten der Aufzucht zu berechnen ist, ging es auch um die Frage, ob die anderen Kamele ohne das verstorbene noch auftreten oder der Schaden für den Zirkus noch größer ist, weil die ganze Nummer nicht mehr funktioniert. Am Ende gab es gutes Geld für den Verlust und die Erkenntnis, dass die anderen Kamele weiter in der Manege auftreten können. Und was kostet ein neues Kamel? „Ich bin Honorarkonsul von Jordanien, deshalb konnten wir zum Glück ein paar Experten anrufen“, sagt Gielisch.

Fortpflanzungsprobleme In der Landwirtschaft sind die Regulierer auch immer wieder gefragt. Da wird eine Kühlkette unterbrochen und tiefgefrorenes Bullensperma taut an, da werden Kühe falsch besamt und Kälber mit Hörnern geboren, die weniger wert sind als Kälber ohne Hörner. In diesen Fällen errechnen die Düsseldorfer, wie viele Kälber nun nicht gezeugt werden konnten oder was der Wertunterschied zwischen Tieren mit und ohne Hörner ist.

Claus Gielisch kann heute Abend mit seinen Gästen (unter anderem Landesfinanzminister Lutz Lienenkämper und Oberbürgermeister Thomas Geisel) auch noch eine wichtige Erfahrung teilen: „Das reale Leben ist viel abstruser als Film und Fernsehen.“

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