Gastbeitrag Kabarettist begutachtet den Düsseldorfer Rad-Chic

Martin Maier-Bode begutachtet den Düsseldorfer Rad-Chic und gibt den Tour-Profis Deko-Tipps.

Gastbeitrag: Kabarettist begutachtet den Düsseldorfer Rad-Chic
Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Wir leben in einer Zeit, in der es immer mehr Menschen schwerfällt, sich situationsangepasst zu verhalten. So etwas kann in höchsten gesellschaftlichen Kreisen passieren, wenn Präsidenten auf Gipfeltreffen beispielsweise ihre Kollegen rüde zur Seite stoßen. Es kann sich auch mit Instinktlosigkeit von Polizeikräften manifestieren, die in martialischer Ausrüstung Klassenräume stürmen, um Schüler aus ihrem sozialen Umfeld zu reißen und in ein anderes Land abschieben wollen. Es zeigt sich aber auch bei Fußballfans, die den sicheren Abstieg ihrer Mannschaft verhindern wollen, indem sie Sitzschalen auf das Spielfeld werfen.

Gastbeitrag: Kabarettist begutachtet den Düsseldorfer Rad-Chic
Foto: kus/cku

Diesen Menschen wäre ein Knigge zu empfehlen, der ihnen helfen könnte, auch in ungeübten Situationen die einfachsten Regeln der menschlichen Kommunikation zu respektieren.

Auf uns Düsseldorfer kommt demnächst auch eine bislang ungeübte Situation zu: die Tour, der Grand Départ. Wir alle werden bei diesem Großevent die Kulisse darstellen, in der hoffentlich nicht allzu gedopte Radrennfahrer in beachtlichem Tempo ihre Fahrräder in eine Richtung treten. Wie sollen wir uns da verhalten? Wahrscheinlich soll man keine Sitzschalen werfen, niemanden zur Seite stoßen, und man sollte keine Sitzblockaden bilden, wenn die Polizei jemanden abführt — selbst wenn es einer der Rennfahrer ist.

Ich habe das Gefühl, vielen Düsseldorfern fehlt es noch an der entsprechenden sportlichen Einstellung. Da kommt ein sehr temporeiches Event auf uns zu, und wir wirken alle so gemütlich. Der Einzige, der die Geschäftigkeit des Radsports internalisiert hat, ist der Bürgermeister, der wie eine Mischung aus Louis de Funès und Napoleon Bonaparte hier versucht Stimmung zu machen. Er erwartet spannende Bilder unserer Stadt, die in die ganze Welt gehen. Aber man hat den Eindruck, Vielen geht dieses Ereignis an einem in einem Knigge kaum vorkommenden Körperteil vorbei.

Das ist die Zeit, einmal bewusst durch die Stadt zu schlendern und einen Blick auf die Fahrräder zu werfen, die hier am Straßenrand stehen und mit denen wir uns in dieser Stadt fortbewegen. Sind diese Fahrräder einem riesigen Sportevent angemessen? Wir sehen Modelle mit ganzen Blumenrabatten am Lenker. Das mag ganz nett aussehen, aber hat nun wirklich nichts Leistungsorientiertes. Viele Räder sind profan mit zwei großen Verladeflächen vor dem Lenker und auf dem Gepäckträger unterwegs. Das gibt es klassisch als Metallkorb, aber auch als Flechtwerk oder in rustikaler Holzoptik. Das ist in Vorbereitung auf die Tour viel zu grobschlächtig. Da wird überhaupt keine Rücksicht genommen auf Aerodynamik, es ist reiner Pragmatismus. Das ist wie eine Bauerntracht aus dem 19. Jahrhundert neben einem Neoprenanzug des 21. Jahrhunderts. Andererseits sieht man immer wieder Düsseldorferinnen, die weniger sportlich als eher modisch orientiert beispielsweise mit High Heels ihr Rad benutzen.

Sind das die Bilder, die man in anderen Ländern als Kulisse des berühmtesten aller Hochleistungs-Fahrradrennen sehen will? Fahrradklingeln und Deko in Form von Propellerflugzeugen oder Spechten, die an einen Baumstamm klopfen. Das hat eine gewisse Originalität — aber wo sind die Rennräder? Wo sind die Jungunternehmer, die mit Fahrradhelm und aerodynamischem Trikot zur Arbeit sprinten und ihre muskulösen Oberschenkel zur Schau tragen?

Müssten die Düsseldorfer nicht auch ohne Fahrrad entsprechende Helme tragen, um zu zeigen, dass wir alle ganz heiß auf die Tour sind? Wir kennen alle die Einzelheiten des Vertrags zwischen Stadt und Tour-Organisation nicht, aber bei zu erwartenden Kosten von elf Millionen Euro für die Stadt, hätte doch auch die Finanzierung von ein paar Tausend Rennrädern zuzüglich Trikots ermöglicht werden können. Dann hätten wir auch am Straßenrand suggerieren können, dass Düsseldorf eine verrückterrückte-verückte Metropole ist, die nur darauf gewartet hat, endlich mal einen Grand Départ veranstalten zu dürfen.

Andererseits sind wir ja nicht die Gäste, der Grand Départ ist hier zu Gast. Warum soll der sich nicht an unsere Stadt anpassen? Die Sportler müssen nicht gleich mit High Heels antreten, aber eine lustige Fahrradklingel wäre doch ein Anfang. Oder ein Rennstall, der im aerodynamischen Hoppeditz-Kostüm fährt. Die Räder umgebaut zu Mottowagen. Ab und an werden aus dem Peloton Kamelle ins Publikum geworfen. Das wären zumindest spannende Bilder.

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