Jüdische Gemeinde setzt auf selbstbewussten Nachwuchs

Interview: Jüdisches Leben hat wieder einen Platz in der Düsseldorfer Normalität. Eine kleine Sensation, die aber noch sichtbar werden muss.

Düsseldorf. Wenn die Jüdische Gemeinde Düsseldorf in diesen Tagen ihr Pessachfest feiert, dringt davon so gut wie nichts nach außen. Dabei sind zu dieser zentralen Feierlichkeit, die an den Auszug aus Ägypten erinnert, Gäste herzlich eingeladen. Die Jüdische Gemeinde Düsseldorf ist die drittgrößte Deutschlands. Dazu gehören Schulen, eine Kulturakademie, ein Kindergarten, Einrichtungen für Senioren, und sie hat einen festen Platz in den wichtigen städtischen Gremien.

Gerade erst wurde ein Projekt vorgestellt, bei dem nichtjüdische Köche lernen, koschere Speisen zuzubereiten. Jüdisches Leben hat wieder einen Platz in der Düsseldorfer Normalität. Eine kleine Sensation, die aber erst langsam sichtbar wird. Ein Resümee mit Michael Szentei-Heise, Direktor der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf.

Szentei-Heise: Ja, die Teilnahme am religiösen Leben hat deutlich zugenommen. Zum Pessachfest etwa hatten wir früher eine Veranstaltung mit 200 Gästen, heute feiern wir an mehreren Abenden mit jeweils bis zu 170 Menschen.

Szentei-Heise: Für die Erwachsenen ist es schwierig, zu einem tiefen jüdischen Bewusstsein zu finden. Sie mussten in der früheren Sowjetunion ihre Religion verstecken, haben oft den Zugang ganz verloren. Für diese Menschen ist das Judentum nicht positiv besetzt. Unsere Hoffnung konzentriert sich auf die nächste Generation. Für sie haben wir mit Beginn der Zuwanderung Anfang der 90er Jahre unsere Bildungseinrichtungen ausgebaut.

Szentei-Heise: Absolut. Unsere Kindertagesstätte zum Beispiel hatte anfangs 25Kinder, jetzt sind es 120. Für unsere Grundschule mit 170 Kindern haben wir eine so lange Warteliste, dass wir eine zweite Schule eröffnen könnten und die Religionsschule wird wöchentlich von 300 Kindern und Jugendlichen besucht.

Szentei-Heise: Wir bemühen uns, den Schülern dies zu vermitteln. Es ist ein jüdischer Glaubenssatz, gegenteilige Auffassungen zuzulassen und zu vertreten. Das schult die Diskussions- und Denkkraft. Über die Religion sollen die Kinder bestimmte Fähigkeiten erlangen, die sie für andere Gebiete nutzen können.

Szentei-Heise: Integration ist keine Frage von ein paar Jahren, sondern von Generationen. Die Menschen sind 1990 in Düsseldorf angekommen. Ihre Kinder werden in 20 Jahren unsere Gemeinde leiten.

Szentei-Heise: Vielleicht auch das. Ein zweites Marais, das große jüdische Viertel in Paris mit seinen Schulen, Geschäften und Restaurants, wird sich sobald nicht in Düsseldorf entwickeln. Wenngleich wir als Gemeinde sogar auch schon mal überlegt haben, selbst ein kleines Restaurant zu betreiben.

Szentei-Heise: Langsam bewegt sich etwas. Ich habe kürzlich 15 orthodoxe Juden an der Tonhalle gesehen, die zu Besuch in Düsseldorf war. Das kommt nicht alle Tage vor.

Szentei-Heise: Wir haben bereits mit Ministerin Sommer darüber gesprochen und überlegen, einen jüdischen Schulzweig an ein bestehendes Gymnasium anzugliedern. Vielleicht am Leibniz- oder am Humboldt-Gymnasium. Für eine eigene Schule reicht unser Geld nicht. Unsere finanzielle Situation ist derzeit sehr angespannt.

Szentei-Heise: Wir müssen in diesem Jahr 500000 Euro einsparen, was leider auch personelle Konsequenzen hat. Wir geben nur doch das absolut Nötigste aus.

Szentei-Heise: Nichts. Wir haben nur sehr hohe Ausgaben. Zwar wird ein Teil unserer Einrichtungen refinanziert, aber auch ein Eigenteil von sechs Prozent, wie zum Beispiel bei der Grundschule, ist für uns viel Geld. Zumal unsere Gemeindemitglieder nicht viel Geld haben und sich einige nur einen geringen Beitrag leisten können. Dieses Jahr wird also sehr eng. Für 2011 verhandeln wir gerade wegen finanzieller Unterstützung mit den entsprechenden jüdischen und nichtjüdischen Stellen.

Szentei-Heise: Ein Rabbiner aus London war in der vergangenen Woche in Düsseldorf, um sich die Probebohrungen anzuschauen. So wie es aussieht, kann weitergearbeitet werden, ohne dass die Gebeine angetastet werden.

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