Verschiebung des Rosenmontagszug Karnevalszug am 8. Mai ist „unsensibel“

Düsseldorf · Nach der Ankündigung des Carnevals Comitees, den Rosenmontagszug zu verlegen, ist eine Debatte entbrannt. Der neue Tag fällt zusammen mit dem Gedenken an das Kriegsende. Auch die Vereine müssen nun neu planen.

 2019 konnten die Düsseldorfer Jecken noch unbeschwert Karneval feiern. Mit dabei: CC-Geschäftsführer Hans-Jürgen Tüllmann (oben links).

2019 konnten die Düsseldorfer Jecken noch unbeschwert Karneval feiern. Mit dabei: CC-Geschäftsführer Hans-Jürgen Tüllmann (oben links).

Foto: Endermann, Andreas (end)

Die Entscheidung des Carneval Comitees (CC), den Rosenmontagszug auf den 8. Mai zu verlegen, hat ein geteiltes Echo ausgelöst. Verständnis für die Entscheidung der Karnevalisten zeigte am Donnerstag Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU). „Ich kann die Entscheidung sehr gut nachvollziehen“, sagte der Rathaus-Chef beim wöchentlichen Corona-Update der Stadtspitze. Mit einem Zug im Mai könnten die Karnevalisten deutlich unbeschwerter in die Session gehen. Ähnlich äußerten sich Bürger in den Sozialen Medien. Der Tenor: Ein jeckes Spektakel im Winter sei angesichts einer aus dem Ruder laufenden Pandemie nicht zu verantworten, auch dann nicht, wenn die Infektionszahlen bis dahin zurückgegangen sein sollten. „Extrem überrascht und irritiert“ zeigte sich dagegen das Festkomitee Kölner Karneval über die Entscheidung der Düsseldorfer. Diese sei nicht abgestimmt gewesen. Ob in anderen rheinischen Hochburgen Umzüge verschoben werden, blieb am Donnerstag bei einem Treffen mit den Komitees aus Köln, Aachen und Bonn in der Düsseldorfer Staatskanzlei offen. „Unter welchen Voraussetzungen die Session 2022 konkret stattfinden kann, bleibt vor dem Hintergrund des sich dynamisch entwickelnden Infektionsgeschehens weiterhin abzuwarten“, teilte ein Sprecher mit.

Deutliche Kritik gibt es an der Wahl des Düsseldorfer Ausweichdatums. Denn der 8. Mai markiert als Tag der Befreiung das Kriegsende. Andrea Löw, Vize-Leiterin des Zentrums für Holocaust-Studien am Institut für Zeitgeschichte in München, schrieb dazu bei Twitter am Donnerstag: „Richtig gelesen, 8. Mai. – Ich kapituliere vor diesem Feingefühl und Geschichtsbewusstsein.“

„Unsensible und problematische Entscheidung“

Auch Oded Horowitz, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Düsseldorf, nannte die Entscheidung „unsensibel und problematisch“. Viele Mitglieder der Gemeinde stammten aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. „Für diese Menschen ist es ein Tag von hoher Symbolkraft, der in ihrem Leben immer sehr ernst genommen wurde“, sagt er. Außenstehenden erscheine eine solche Wahrnehmung womöglich als überspitzt. „Aber Karneval als etwas Belustigendes, Leichtes und Profanes passt nicht zu diesem Tag, an dem auch an Millionen Kriegstote erinnert wird“, findet Horowitz. Da stehe der 8. Mai in einer Reihe mit dem 9. November und dem 27. Januar. Der Vorsitzende der Gemeinde regt an, über den taufrischen Vorschlag noch einmal nachzudenken. „Ich würde es begrüßen, wenn der Umzug um eine oder zwei Wochen nach vorne oder hinten verlegt werden könnte, eben auf einen Sonntag, der weniger emotional und belastend ist.“ Auch das Bündnis „Düsseldorf stellt sich quer“ und die Linke kritisieren die Wahl des Datums und fordern eine Verlegung.

CC: Kriegsende und Karnevalszug widersprechen sich nicht

Die Entscheidung für den 8. Mai begründet CC-Geschäftsführer Hans-Jürgen Tüllmann mit dem Jahreskalender. „In den April wollten wir unter anderem wegen der Osterferien nicht gehen, am 1. Mai ist Tag der Arbeit, am 15. Mai die Wahl und dann startet auch das Sommerbrauchtum“, sagt er. Dass am 8. Mai des Kriegsendes gedacht werde, hält er mit einem Umzug für durchaus vereinbar. „Dieser Tag markiert ja das Ende von Schrecken und Leid. Und man kann es doch positiv sehen, dass dieser furchtbare Krieg endlich vorbei war.“ Dass der für den verschobenen Umzug ausgesuchte Sonntag in diesem Jahr ausgerechnet auf den 8. Mai falle, sei offenbar ein Zufall, glaubt Wagenbauer Jacques Tilly. „Angesichts von Millionen Toten kann das an sich kein Freudentag sein, auf der anderen Seite steht aber die gute Nachricht, dass ein menschenverachtender Krieg – wenn auch viel zu spät – beendet wurde.“

Unterdessen wird bei den Karnevalisten über die Folgen der vierten Welle und eine ins Frühjahr hinein verlängerte Session intensiv diskutiert. Über 500 Tage wartet das designierte Prinzenpaar Dirk Mecklenbrauck und Uasa Katharina Maisch schon auf seine Kürung, immer wieder sind Veranstaltungen abgesagt worden. „Im Mai haben wir jetzt auf jeden Fall eine im positiven Sinne dramatisch erhöhte Chance, dass es stattfinden kann“, meint Mecklenbrauck.

Auch seine Venetia nimmt die Nachricht überwiegend positiv auf. Sie erinnert sich noch gerne an den verlegten Zug vor gut fünf Jahren. Dass nun viele weitere Termine nur in abgespeckter Form stattfinden werden, habe natürlich einen faden Beigeschmack, sagt sie. Manchmal sei es schwer, sich erneut zu motivieren, aber mit der Sessionsverlängerung ergäben sich auch neue Chancen, hofft Mecklenbrauck. Ähnlich sehen das die Präsidenten vieler Düsseldorfer Karnevalsvereine. Thomas Krohnen von den Reisholzer Quatschköpp war bei der Sitzung in dieser Woche anwesend und begrüßt die Entscheidung, die sehr überraschend gekommen sei. „Wir können dann auch die Veedelszüge veranstalten – vermutlich einen Tag früher“, sagt Krohnen. Für seinen und viele andere Vereine stünden nach der Ankündigung des CC nun Sondersitzungen der Vorstände an, bei denen über das weitere Vorgehen beraten werde. „Die Veranstaltungsorte und Daten müssen neu gefunden oder gebucht werden, genauso wie Künstlerinnen und Künstler“, meint Michael Böhnke von den Unterrather Funken.

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