Interview 2019 war für Opern-Kapellmeisterin Marie Jacquot ein entscheidendes Jahr

Düsseldorf · Interview Das vergangene Jahr war ein spannendes für die erst 29 Jahre alte Dirigentin. Mit ihrem Antritt an der Düsseldorfer Oper hat sie ihrer Karriere einen entscheidenden Schub gegeben. Sie ist in Düsseldorf angekommen – und beneidenswerterweise ein wunschlos glücklicher Mensch.

 Die Dirigentin Marie Jacquot ist Kapellmeisterin an der Deutschen Oper am Rhein.

Die Dirigentin Marie Jacquot ist Kapellmeisterin an der Deutschen Oper am Rhein.

Foto: Christian Jungwirth

Marie Jacquot ist beeindruckend. 29 Jahre jung, lebhaft, talentiert, mitreißend, unbeschwert. Mit dieser einzigartigen Kombination hat es die in Paris geborene Dirigentin in einer Männerdomäne schon sehr weit gebracht: Im September 2019 ist sie als Kapellmeisterin an die Deutsche Oper am Rhein in Düsseldorf und Duisburg gekommen. Ihre bereits zweite Stelle in dieser Funktion: Vorher ist sie bereits in Würzburg engagiert gewesen. Und auch die Stationen ihrer Gastdirigate an großen Häusern sind bedeutend: Das Rhode Island Philharmonic Orchestra, das Orchestre de Chambre de Lausanne, das Wiener Kammerorchester, und mit der Münchener Staatsoper ist sie seit ihrer Assistenz bei Kirill Petrenko für die Uraufführung von „South Pole“ von Miroslav Srnka eng verbunden. Auch heute gastiert sie überall auf der Welt – ein Umstand, den sie, so sagt sie, auch der wohlwollenden Zusammenarbeit mit der Düsseldorfer Oper verdankt. Einer großen Karriere als Frau am Dirigentenpult – noch immer eher eine Seltenheit – steht also nichts mehr im Wege.

Frau Jacquot, Sie sind seit diesem Jahr in Düsseldorf. Wie war Ihre Ankunft hier?

Marie Jacquot: Ich habe mich sofort sehr wohl gefühlt. Zu Beginn habe ich bei Freunden mitten in der Stadt gewohnt. Gleich am Carlsplatz. Und mir sind die Leute hier direkt als sehr angenehm aufgefallen. Am Wochenende ist hier so viel los, das ist bestes Stadtteilleben.

Wo wohnen Sie denn jetzt?

Jacquot: Tatsächlich nicht mehr ganz in Düsseldorf, ich wohne ganz unten im Duisburger Süden. Das ist einfach deutlich billiger, und da ich eh so viel unterwegs und kaum zu Hause bin, ist das auch gut so. So bin ich schnell am Flughafen und sowohl an der Düsseldorfer Oper als auch am Duisburger Haus.

Wie ist denn Ihre neue Arbeit als Kapellmeisterin der Deutschen Oper am Rhein?

Jacquot: Ich fühle mich so willkommen an der Oper. Die Sänger, die Musiker, der Generalmusikdirektor Axel Kober, alle sind so angenehm. Und auch so fair, Axel Kober hat mir zu Beginn vor jeder Aufführung eine Nachricht mit „toi toi toi“ geschickt. Es ist hier fast wie in einer Familie.

Jetzt sind Sie ja kürzlich durch einen Wasserschaden in Düsseldorf um eine Aufführung von „Samson et Dalila“, gebracht worden. Ärgerlich, Aber das Opernhaus hat ja viele Baustellen. Wie sehr erschwert das den Betrieb?

Jacquot: Wissen Sie, am Ende ist jede Bühne etwas kompliziert. Ich persönlich hatte das Glück, noch nicht öfter darunter leiden zu müssen. Am Ende geht es darum, dass wir Künstler unser Bestes für das Publikum geben – also hoffen wir auf möglichst wenig Beeinträchtigung der künstlerischen Seite.

Sie dirigieren zwei Orchester einer Oper, die Düsseldorfer Symphoniker und die Duisburger Philharmoniker. Da gibt es wohl Unterschiede?

Jacquot: Ja, es gibt deutliche Unterschiede. Erstmal ist ein Orchester wie ein Mensch, die Persönlichkeiten sind immer anders. Die Düsseldorfer haben einen großen, runden, breiten, „deutschen“ Klang. Die Duisburger sind sehr virtuos, klingen etwas knackiger und heller. Aber beide Orchester haben eine phänomenale Klangkultur.

Wie war es, als doch sehr junge Frau die Arbeit mit diesen Orchestern zu beginnen?

Jacquot: Wissen Sie, ich werde ja oft gefragt, wie es ist, eine der noch wenigen weiblichen Dirigentinnen zu sein. Aber diese Tatsache hat überhaupt keinen Einfluss auf mein Leben, sie stand mir noch nie im Weg. Auch als ich jünger war, habe ich nie daran gedacht, und heute fühle mich als Künstlerin, nicht als Frau oder Mann. Ich weiß, dass ich da auch Glück habe, vielen Frauen geht es in allen möglichen Berufen anders, und sie müssen um ihre Position sehr hart kämpfen. Heute haben wir aber schon mehrere Vorbilder, und irgendwann wird es selbstverständlich sein, dass auch Frauen dirigieren.

Das ist es also noch nicht?

Jacquot: Das ist in gewisser Weise auch eine Altersfrage. Ein Beispiel: Ein Cellist aus dem Düsseldorfer Orchester hat dazu letztens seine Oma befragt: Und die sagte, dass sie sich einfach keine Frau am Dirigentenpult vorstellen kann. Aber wenn sie einmal zu uns kommen würde, wäre es danach sicher ganz anders.

Ein besonderer Moment in ihrer neuen Stelle?

Jacquot: Das war sicher die Tatsache, dass ich bei Engelbert Humperdincks Oper „Hänsel und Gretel einen Urenkel des Komponisten als Statisten auf der Bühne habe. Als er das erste Mal während einer Musikprobe auf die Bühne kam, war ich so gerührt. Da war dann plötzlich ein direkter Bezug zu diesem Stück, ich wollte mir dann noch mehr Mühe geben. Ich habe ihn aber noch nicht persönlich sprechen können, das muss ich dringend nachholen.

Ihr jetziger Vertrag ist auf zwei Jahre angelegt. Können Sie sich vorstellen, zu verlängern?

Jacquot: Absolut. Die Atmosphäre ist so gut. Die Führungskräfte versuchen immer, ihren Mitarbeitern die Chance zu geben, dass sie weitere Erfahrungen sammeln können. Axel Kober gibt mir die Möglichkeit, so viele Gastspiele anzunehmen, die für mich extrem wichtig sind. Da ist das Haus sehr kooperativ. Demnächst zum Beispiel habe ich ein Engagement in New York. Das Düsseldorfer Ensemble ist aber auch so groß, dass man sich hier auch immer gut vertreten kann. Ich habe vor kurzem noch mit meiner Agentur gesprochen, da geht es dann immer schon um die nächsten drei Jahre, und kann mir eine Verlängerung hier sehr gut vorstellen.

Könnten Sie nicht auch schon freischaffend arbeiten und von Engagement zu Engagement ziehen?

Jacquot: Das könnte ich in der Tat, aber ich will es noch nicht. Es ist mir wichtig, erstmal Teil einer Familie zu sein. Wenn man immer nur für Gastspiele kommt, kann man langfristig nichts aufbauen. Man lernt zwar neue Musiker kennen, neue Orchester, Traditionen, Klänge, Strukturen, was für einen Dirigenten sehr wichtig ist, um viel Erfahrung zu sammeln. Aber dieses Gefühl, Teil einer Gruppe zu sein, zusammen etwas aufzubauen, bekommt man nur, wenn man langfristig mit einem Opernhaus, einem Orchester verbunden ist. Hier, als festes Mitglied des Ensembles, erlebe ich die intensiven Probenphasen und dann noch alle Aufführungen mit. Das bedeutet einfach noch mehr Zusammenarbeit. Und Dirigenten sind ohnedies schon oft eher einsam mit diesem Beruf. Deshalb schätze ich diese persönliche Entwicklung mit einem Orchester so sehr. Ich profitiere von den Musikern menschlich und musikalisch und kann nur hoffen, dass es ein Austausch ist.

Wie war denn jetzt ihr Jahr 2019?

Jacquot: Musikalisch war es Camille Saint-Saëns. Ich durfte ja seine Oper „Samson et Dalia“ dirigieren. Beruflich war es die Tatsache, dass ich jetzt schon meine zweite Station als Kapellmeisterin antreten konnte. Das ist ein großer Sprung für mich.

Was wünschen Sie sich denn für das neue Jahr?

Jacquot: Nichts. Ich habe schon alles, was ich mir wünschen kann. Ich lebe von meiner Leidenschaft und kann alle Erfahrungen machen, die ich brauche.

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