Düsseldorf Jacques Tilly zeigt sein persönliches Düsseldorf

Der streitbare Wagenbaumeister Tilly eröffnete die neue Reihe der besonderen Stadtrundfahrten von „Düsseldorf Tourismus“ mit dem roten Doppeldecker.

Düsseldorf: Jacques Tilly zeigt sein persönliches Düsseldorf
Foto: Melanie Zanin

Im Rahmen der Extratour „Mein Düsseldorf“ begleitete der Wagenbauer, Künstler und Satiriker Jacques Tilly 70 Fahrgäste exklusiv durch seine Heimatstadt. Hierbei wurden im neu gestalteten Doppeldecker-Bus jedoch nicht die Touristen-Klassiker wie Kö, Altstadt und Medienhafen angesteuert. Tilly hatte eine ganz persönliche Stadtbeschreibung ausgetüftelt, bei der er Politisches und Historisches über Düsseldorf mit selbst Erlebtem und Anekdoten würzte.

„Cool sieht der ja nicht aus“, entfuhr es einem Teilnehmer, als Tilly in Jeans, T-Shirt und abgetretenen Turnschuhen als Stadtführer loslegte. Um so „cooler“ und ganz und gar nicht abgetreten war dann das, was er in den nächsten zwei Stunden alles erzählte. Schnell merkte man: Hier hat sich einer hervorragend vorbereitet.

Zunächst ging es selbstverständlich zur Wagenbauhalle im alten Straßenbahndepot. Auf dem Weg dorthin plauderte Tilly zum Aufwärmen darüber, wie er zum „Verteidiger Düsseldorfs“ wurde („Ich fand’s affig, eine Stadt nur großartig zu finden, weil man dort geboren wurde“), wie auch über das Düsseldorf-Bashing der Kölner und umgekehrt („Wir Düsseldorfer helfen den Kölnern bei ihrer Selbstfindung“). Sein Fazit: „Düsseldorf ist offen für alle, jeder gehört dazu und das ist kein Grund, sich toll zu finden!“ Amüsiert lauschten die Teilnehmer, als Tilly in der hochheiligen, geheimsten Wagenbauhalle, inmitten von Russland-Affäre, Brexit-Missgeburt und dem neuen Schwein für den Rheinlandpfalz-Tag über seine Profession plauderte und tiefstapelnd meinte: „Ist alles nur Luft, die durch die Straßen fährt“.

Weiter ging es nach Oberkassel („Heute eher Oma-Hausen, hier gibt es wenig Kinder“). Der Geschichtsunterricht war offenbar prägend für den Kunstakademie-Korbgeber („Wo man aus abstrakten Konzepten Kunst macht, wollte ich nicht hin“) — und ist es immer noch. Der in einer liberalen Familie Aufgewachsene malte dennoch Bilder, etwa als er als Mitglied einer politischen Jugendgruppe nachts in „sein“ Comenius-Gymnasium einbrach („Das Wandbild mit den Hippieblumen musste ich 2008 unterschreiben“). Nach Abhaken einiger „Nicht-alles-großartig-Punkte“ wie der Kunstsammlung („Hässlicher Bunker, nicht zur Zierde von Düsseldorf“) folgten Abstecher in die (NS-)Historie, etwa zur Weißen Siedlung und dem Nord-Friedhof in Golzheim, stets gespickt mit vielen Hintergrundinfos. Tilly würdigt die berühmte „Aktion Rheinland“ von Andresen, Jürgens, Odenthal und Co. („Ohne diese mutigen Männer wäre Düsseldorf eine Mondlandschaft“), bei der ein Luftangriff auf Düsseldorf am 17. April 1945 abgewendet werden konnte.

Fazit: Das war eine starke Stadt-Tour mit einem Düsseldorfer („Ich bin Anti-Faschist, seitdem ich denken kann“), den die Gräueltaten des Schnauzbartträgers in seiner Briefmarkensammlung („Hit-ler, ist das ein Musiker?“) an den Menschen, „die sich nackt ausziehen mussten und vergast wurden“, seit Kindstagen nicht mehr losgelassen haben.

Teilnehmerin Ursula Weiss-Bostel: „Ich bin beeindruckt von seinem Wissen, seiner Courage und wie er und seine Familie gelebt haben. Wir brauchen solche Leute, die den Mund aufmachen und sich nichts gefallen lassen.“

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