Interview mit Markus Raub: „Das Repräsentative ist nicht mein Ding“

Der Fraktionsvorsitzende der SPD über Schuldenfreiheit, Lagerdenken und freie Wochenenden.

Düsseldorf. In einer Reihe von Sommerinterviews suchen wir nach Antworten auf die wichtigsten politischen Fragen in Düsseldorf. Wir stellen sie OB Dirk Elbers, seinem Herausforderer von der SPD, Thomas Geisel, und den Fraktionsspitzen der vier größten Parteien im Rat. Für die dritte Folge haben wir Markus Raub von der SPD getroffen.

Herr Raub, warum sitzen Sie hier nicht als OB-Kandidat?

Markus Raub: Natürlich stand das zur Debatte. Aber wir haben uns für Thomas Geisel entschieden, weil er noch breitere Wählerschichten ansprechen kann. Schon aufgrund seiner Vita passt er perfekt an die Spitze einer Stadt, die so stark von Industrie und Wirtschaft geprägt ist.

Würde Ihnen das OB-Amt nicht entgegenkommen? Sie sind bei allen Parteien relativ beliebt. Ist das umgekehrt für einen Oppositionsführer nicht von Nachteil?

Raub: Ich kann nicht sagen, ob ich bei allen beliebt bin, ich haue auch dazwischen, wenn es sein muss. Viele schätzen mich wohl, weil ich mehr auf Argumente setze, als auf Polemik. Aber ich arbeite lieber konkret politisch und nach meinen Vorstellungen. Als OB muss man kompromissorientierter sein. Und: Das Repräsentative ist nicht mein Ding.

Politiker haben es oft mit Fragen zu tun, auf die es keine eindeutige Antwort gibt. Trotzdem wird erwartet, dass Sie klar Position beziehen.

Raub: Wenn es weder Schwarz noch Weiß gibt, muss man auch mal ein Grau vermitteln. Meistens muss man jedoch herausfinden, auf welcher Seite es die besseren Argumente gibt.

Wann fiel Ihnen eine Entscheidung besonders schwer?

Raub: Beim Tausendfüßler. Da gab es gute Argumente auf der Gegenseite. Aber ich stehe zu unserer Position. Vor allem, weil immer deutlicher wird, welche Folgekosten der Kö-Bogen mit sich bringt, zum Beispiel beim Betrieb der Tunnelröhren.

Verstehen Sie den Vorstoß von OB Elbers zum Gustaf-Gründgens-Platz, dort eventuell gar nicht neu zu bauen?

Raub: Überhaupt nicht. Ich frage mich, warum wir das Problem vor und zurück diskutiert, Baufelder ausgewiesen und nun Architekten beauftragt haben.

Sie sind für eine Bebauung?

Raub: Wir waren nie dagegen, der Platz sollte gefasst werden. Die Bebauung sollte allerdings nicht so massiv werden, wie auf dem Jan-Wellem-Platz.

Apropos Jan-Wellem-Platz: Was soll mit dem Namen geschehen?

Raub: Er sollte erhalten bleiben, ob als Straße oder als Platz. Man könnte zum Beispiel den Marktplatz umbenennen, da der Name sowieso in die Irre führt.

Politisches

Sommerinterview

Die Stadt muss sparen, aber die SPD fordert mehr Geld für Kultur, Schulen und Wohnungsgesellschaft. Wie wollen Sie das finanzieren?

Raub: Wir müssen den Haushalt vom Kopf auf die Füße stellen. Es gab den wahnhaften Glauben, die Gewerbesteuer würde immer weiter sprudeln. So dachte man, Kö-Bogen und Wehrhahn-Linie gleichzeitig stemmen zu können. Wir können froh sein, dass das Land den Zuschussdeckel beim U-Bahn-Bau aufhebt. Und der Kö-Bogen ist eine finanzielle Geisterfahrt. So müssten wir zunächst die Fehler unserer Vorgänger ausbügeln.

Das heißt, Ihre Ankündigungen sind nicht umsetzbar?

Raub: Doch, es ist genug Geld da. Es muss nur in die richtigen Projekte fließen. Wir werden andere Schwerpunkte setzen und den Fokus auf die Stadtteile legen.

Was hat dort Priorität?

Raub: Das wollen wir mit den Menschen vor Ort besprechen. Die Stadtteile sind lange kaum vorgekommen. Wir brauchen bessere ÖPNV-Anbindungen und Radwege zwischen Stadtteilen und Innenstadt.

Zurück zum Sparkurs. Ist es richtig, auch Reichen die Kita-Gebühren zu zahlen?

Raub: Wir haben uns früh für die Beitragsfreiheit eingesetzt. Das Bildungsangebot sollte von der Kita bis zur Uni kostenlos sein. Für die U3-Betreuung ist das noch nicht zu finanzieren. Wir haben die Beitragserhöhung aber abgelehnt, weil sie sozial unausgewogen war.

Die SPD sagt auch, dass die Stadttöchter ihre Gewinne behalten sollen. So kommt auch kein Geld in die Stadtkasse.

Raub: Sie können abführen, wenn es ihre finanzielle Lage erlaubt. Der Stadtentwässerungsbetrieb sitzt auf Schulden in Höhe von einem dreistelligen Millionen-Betrag, trotzdem soll er Millionen abführen. Das geht nicht. Man darf diese Unternehmen nicht auslutschen. Genauso bei der Stadtsparkasse. Der geht es nicht schlecht, aber sie muss nun wesentlich höhere Anforderungen an die Eigenkapitalquote erfüllen als bisher. Anders ist das bei den Stadtwerken, die ein rentables Unternehmen sind.

Nach 14 Jahren Opposition — sind Sie es nicht langsam leid?

Raub: Ja, in Düsseldorf macht das besonders wenig Spaß. Das Lagerdenken ist sehr ausgeprägt. Anträge, die wir stellen, werden prinzipiell von CDU und FDP abgelehnt. Der Rat ist laut Gemeindeordnung kein Parlament, aber Schwarz-Gelb spielt lieber Regierung mit uns, anstatt konstruktiv zusammenzuarbeiten.

Haben Sie nicht Sorge, dass in einer prosperierenden Stadt nur schwer Wechselstimmung aufkommt?

Raub: Nein. Die Mängel werden offensichtlicher. Die Stadtfinanzen liegen schon lange im Argen und die Schuldenfreiheit erweist sich immer mehr als Fiktion.

Zur Beantwortung der sozialen Frage in der Stadt gehört auch das Thema Wohnraum. Sollen im Norden mehr Grünflächen bebaut werden?

Raub: Man muss das im Einzelfall bewerten und darf das nicht grundsätzlich ausschließen. Bei der CDU gilt aber Innenraumverdichtung vor Außenbebauung. In der Innenstadt wohnen aber schon genug Menschen auf engem Raum.

Gegen die Wohntürme am Derendorfer Güterbahnhof haben Sie aber nicht gestimmt.

Raub: Weil das ein hochpreisiges Angebot ist. Das sind keine sozialen Probleme zu erwarten. Aber grundsätzlich sind Wohnhochhäuser keine Lösung.

Sie sind nicht nur Fraktionsvorsitzender, sondern auch Anwalt. Wie geht das, zwei Full-Time-Jobs in einem?

Raub: Es ist schwierig. Einen geregelten Acht-Stunden-Tag habe ich nicht. Und ich arbeite fast an jedem Wochenende.

Wann hatten Sie das letzte Wochenende komplett frei?

Raub: Karneval. Das musste lange geplant werden. Das nächste ist Anfang September. Dann steht ein jährliches Treffen mit Freunden aus der Studentenzeit an.

Einen Weinhandel haben sie auch noch.

Raub: Da ist mein zeitlicher Aufwand aber gering. Ich kümmere mich nur um die Buchhaltung. Das ist mehr eine Feierabendgesellschaft.

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