Interview „Was bringt Schule, wenn es keine Zukunft gibt?“

Nada Haddou-Temsamani ist Sprecherin des Jugendrats. Im Gespräch äußert sie sich über bunte Anti-Terror-Blöcke und „Fridays for Future“-Proteste.

 Nada Haddou-Temsamani, Sprecherin des Düsseldorfer Jugendrats, im Interview in unserer Redaktion.

Nada Haddou-Temsamani, Sprecherin des Düsseldorfer Jugendrats, im Interview in unserer Redaktion.

Foto: Zanin, Melanie (MZ)

Seit 2007 gibt es in Düsseldorf einen Jugendrat. Trotzdem ist das Gremium vielen Düsseldorfern unbekannt. Der Rat besteht aus 31 14- bis 21-Jährigen und tagt mindestens viermal im Jahr. In den Sitzungen werden Ideen diskutiert und eigene Projekte entwickelt. Er kann Anträge und Anfragen an die zuständigen Gremien der Stadt beschließen. Wir haben uns mit Sprecherin Nada Haddou-Temsamani für ein Gespräch getroffen.

Welche Pläne hat der Düsseldorfer Jugendrat für das kommende Jahr?

Nada Haddou-Temsamani: Wir planen mehrere Aktionen. Im Bereich Diversity wollen wir eine Plakatreihe für Toleranz und gegen Rassismus aufstellen. Wir werden mit anderen Jugendorganisationen mehrere Plakate entwerfen, um zu zeigen, dass die ganze Jugend Düsseldorfs für Toleranz ist. Bisher ist Puls dabei und die evangelische Jugend. Der BDKJ ist auch angefragt worden. Weiterhin wollen wir wieder eine Talentshow im Haus Spilles in Benrath planen. Im letzten Jahr hatten wir auch schon eine Talentshow organisiert. Da lag der Schwerpunkt auf Jugendlichen mit Migrations- und Fluchthintergrund, dieses Mal wollen wir es offener halten. Zum Themenbereich Gesundheit haben wir eine Anfrage an die Stadt gestellt: Wie ist die Qualität vom Essen in den Schulmensen? In der Antwort von der Verwaltung heißt es, dass anscheinend jährlich eine Befragung stattfindet, in der die Schüler gefragt werden, wie sie das Essen finden. Wir waren oder sind aber alle in der Schule und wurden nie gefragt, wie wir das Essen finden. Deshalb sind wir im Moment dabei, eine Befragung an die Schülervertretungen der Schulen vorzubereiten, um herauszufinden, ob diese Befragungen überhaupt stattfinden.

Was plant der Jugendrat noch im kommenden Jahr?

Haddou-Temsamani: Es gibt ja rund um die Altstadt Anti-Terror-Blöcke. Der Jugendrat hat es sich zur Aufgabe genommen, diese zu verschönern. Das sind ja eigentlich so graue Betonblöcke, die sehr traurig aussehen. Die sollen in Kooperation mit anderen Jugendorganisationen bemalt werden. Am 22. Februar findet das nächste Planungstreffen statt und Ende März, Anfang April soll dann gemalt werden, wenn das Wetter schöner ist. Die Stadt hat den Antrag auch schon genehmigt. Derzeit warten wir noch auf die Antwort der Stadt, welche Blöcke wir bemalen dürfen.

Werden alle bemalt?

Haddou-Temsamani: Wir haben eine Anfrage hierzu an die Stadtverwaltung gestellt, welche aber noch nicht beantwortet worden ist.

Im November wird ein neuer Jugendrat gewählt.

Haddou-Temsamani: Das ist ein großer Punkt für uns. Spätestens nach den Sommerferien müssen wir beginnen Werbung zu machen. Sehr viele Jugendliche kennen den Jugendrat überhaupt nicht. Es ist traurig, dass Jugendliche gar nicht wissen, wie sie in der Stadt vertreten werden.

Wird der Jugendrat in allen Schulen gewählt?

Haddou-Temsamani: Theoretisch sollte es so sein, aber nicht jede Schule bietet es an. In manchen Schulen gibt es extra Pausen, in denen alle Klassen runter geschickt werden, um ihre Wahlmöglichkeit in Anspruch zu nehmen. In anderen Schulen gibt es aber keine Möglichkeit, keine Wahlkabinen. Dann ist die einzige Möglichkeit für die Schüler zum Jugendinformationszentrum am Hauptbahnhof zu fahren und dort zu wählen. Aber das macht so gut wie keiner. Die meisten wissen dann auch überhaupt nicht, dass es so eine Wahl gibt.

Der Jugendrat hat keine eigene Entscheidungsgewalt, kann aber Anfragen und Anträge an die Stadt stellen. Wie ist eure Resonanz auf die Anfragen? Werdet ihr im Rathaus ernst genommen?

Haddou-Temsamani: Wir bekommen die Antworten auf unsere Anfragen von der Verwaltung. Die fallen oft sehr kurz aus und gehen gar nicht auf unsere Fragen ein. Das ist einfach traurig. Aber manchmal werden wir auch ernst genommen. Zum Beispiel bei unserer Anfrage zu Ladestationen in der Öffentlichkeit. Die Anfrage wurde von den Grünen übernommen und ist gerade in Arbeit. Auch mit der Mülltrennung in den Ämtern der Stadt Düsseldorf. Das war auch ein Antrag des Düsseldorfer Jugendrats, der vom Stadtrat aufgenommen wurde und dann auch nochmal bestätigt wurde. Es ist schon so, dass wir in einigen Punkten ernst genommen werden, in einigen aber auch nicht.

Könntet ihr von der Verwaltung ernster genommen werden?

Haddou-Temsamani: Genau, wir hatten das ja auch mit der Anfrage für das FSJ-Ticket. Es sollte ein Ticket existieren, für Leute, die ein FSJ machen oder irgendetwas anderes ehrenamtliches. Weil man ein Gehalt von vielleicht 400 Euro bekommt und manchmal sogar weniger. Und davon soll man sich dann im Monat noch ein 60-Euro-Ticket holen. Das ist schon hart. Und damals hatten wir eine Anfrage gestellt und die wurde dann auch so ein bisschen belächelt und jetzt wollen wir einen Antrag stellen, den wir direkt an den Verkehrsausschuss stellen. Damit dann dort darüber diskutiert werden kann.

Der Jugendrat setzt sich für den Umzug des Jungen Schauspiels von der Münsterstraße 446 ins Central am Hauptbahnhof ein. Wie sollen danach die Räumlichkeiten in Mörsenbroich genutzt werden?

Haddou-Temsamani: Am besten wäre eine kulturbezogene Nachnutzung, die ein offenes Angebot für den Stadtteil bietet. Dieses Angebot muss sich nicht explizit an Jugendliche richten. Ein konkreter Vorschlag wäre, dass das „Zakk“ einen zweiten Standort in Mörsenbroich erhält.

Ihr nehmt auch an den Klimademos „Fridays for Future“ teil.

Haddou-Temsamani: Ja, jeden Freitag demonstrieren aus Düsseldorf im Schnitt 500 Schüler vor dem Landtag; Tendenz steigend. Am 15.3. ist bundesweit noch eine größere Demo geplant. Da werden wahrscheinlich Schüler aus ganz NRW nach Düsseldorf kommen.

Böse gefragt: Was bringt es, die Schule zu schwänzen und vor dem Landtag rumzustehen?

Haddou-Temsamani: Das fragt Armin Laschet auch. Klar, könnte man das auch in der Freizeit machen. Aber die ganze Aktion von Greta Thunberg hat ja mit der Frage begonnen: Was bringt mir meine Schule, meine Bildung, wenn es keine Zukunft für mich gibt? Um diesen Gedanken noch einmal zu betonen ist es sinnvoller das während der Schulzeit zu machen.

Bekommt ihr Kritik aus der Politik, weil ihr das Projekt unterstützt?  

Haddou-Temsamani: Wir als Jugendrat bekommen nicht direkt Kritik. Aber jeder einzelne Schüler wird dafür kritisiert. Dann heißt es: Man könnte das auch in der Freizeit machen. Das würde dann viel mehr bedeuten, weil wir dann unsere eigene Freizeit nutzen, um ein Zeichen zu setzen. Aber wir finden es viel sinnvoller, wenn wir das während unserer Schulzeit machen. Weil es ja auch unsere Zeit ist, wir müssen das ja auch nacharbeiten in unserer Freizeit. Es ist ja nicht so, dass wir schwänzen und sagen: Kein Bock auf Schule. Wir haben ja Bock auf Schule, aber was bringt es uns, wenn wir keine Zukunft haben?

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