Interview Klimaneutralität: „Wir wollen weniger Kurz- und auch weniger Langstreckenflüge am Flughafen“

Düsseldorf · Ciwana Celebi und Lukas Mielczarek vom Düsseldorfer Jugendrat sprechen im WZ-Interview über die Jugendbeteiligung in der Stadt, den Klimanotstand und die kommenden Projekte der Fridays for Future-Bewegung.

 Ciwana Celebi und Lukas Mielczarek sitzen im Düsseldorfer Jugendrat.

Ciwana Celebi und Lukas Mielczarek sitzen im Düsseldorfer Jugendrat.

Foto: Zanin, Melanie (MZ)

Seit Dezember 2018 gehen auch in Düsseldorf jeden Freitag Schüler für den Klimaschutz auf die Straße. Jugendliche interessieren sich zunehmend für politische Themen. Im Jugendrat haben sie die Möglichkeit, aktiv am politischen Geschehen in der Stadt teilzunehmen. Wir haben uns mit Ciwana Celebi und Lukas Mielczarek vom Jugendrat zum Gespräch getroffen.

Im November sind die Wahlen zum neuen Jugendrat, bis Oktober können sich Jugendliche zwischen 14 und 20 Jahren für den Rat bewerben. Wie ist das Interesse aktuell?

Ciwana Celebi: Es gibt sehr viele Interessierte. Wir haben in den letzten Jahren viel geleistet und waren präsent. Es kommen immer wieder Jugendliche und fragen, wie sie mitmachen können. Viele schreiben uns auch über Social Media oder kommen zu unseren Arbeitstreffen. Ich glaube, dass wir gezeigt haben, wie man den Jugendrat ausschöpfen und was man alles erreichen kann. Das hat bei vielen Interesse geweckt.

Lukas Mielczarek: Die Politisierung der Jugend in den letzten Monaten hat auch dazu geführt, dass sich viele Jugendliche engagieren und etwas bewegen wollen. Fridays for Future und die Demos gegen Artikel 13 beim Urheberrecht haben dazu beigetragen. Jugendliche wollen sich einsetzen, wir geben ihnen die Möglichkeit mit dem Jugendrat: Da könnt ihr was bewegen und verändern!

Was sind im Rückblick die Highlights aus drei Jahren Jugendrat? Was haben Sie erreicht?

Celebi: Ich könnte jetzt sehr weit ausholen, weil mir sehr viel super gut gefallen hat. Eine der richtig coolen Sachen ist die Kulturkampagne „Mit Herzblut“, wo Jugendliche teilnehmen, die eigentlich nicht so viel mit Kultur am Hut haben. Die bekommen die Möglichkeit, für einen geringen Eintrittspreis in einer Gruppe gemeinsam Kulturinstitutionen zu besuchen. In diesem Jahr haben wir gemeinsam mit verschiedenen Jugendorganisationen die Anti-Terror-Blöcke bemalt. Das fand ich auch megacool.

Mielczarek: Woran ich sofort denke, ist die Demo für saubere Luft, die wir im letzten Jahr gemacht haben als Jugendaktionsbündnis. Und als wir als Jugendrat den Klimanotstand durchgebracht haben. Das war der erste Antrag vom Jugendrat, der wirklich in den Stadtrat gegangen ist und auch sofort positiv angenommen wurde. Das war ein riesengroßer Erfolg für die Jugendbeteiligung. Ich glaube nicht, dass der sonst so in dieser Form in den Stadtrat gekommen wäre.

Gibt es eine offizielle Verbindung zwischen Fridays for Future und Jugendrat?

Mielczarek: Ich bin beispielsweise auch Delegierter bei Fridays for Future. Der Jugendrat hat ganz offiziell gesagt: Wir solidarisieren uns mit Fridays for Future und unterstützen die Bewegung und ihr Anliegen und deshalb rufen wir auch mit zu den Demos auf. Andererseits hat Fridays for Future auch die Forderung vom Jugendrat zum Klimanotstand unterstützt. Wir ergänzen uns also gegenseitig.

Wie ist Fridays for Future in Düsseldorf aufgebaut?

Mielczarek: Fridays for Future ist in Ortsgruppen organisiert, das sind meistens Städte oder Landkreise. Wir haben hier die Ortsgruppe Düsseldorf und treffen uns jede Woche nach der Demonstration zu einer Vollversammlung. Da sind alle Aktiven anwesend und die ist auch offen für alle, die reinschnuppern wollen. Alle sechs Wochen werden die sechs Delegierten neu gewählt.
Ich bin aktuell Delegierter und dafür zuständig, Anliegen der Ortsgruppe an die Bundesebene, Landesebene und Regionalebene weiterzutragen. Es ist ein komplexes System, aber gleichzeitig bringt uns die zusätzliche Vernetzung dazu, besser an einem Strang zu ziehen und mit Leuten aus anderen Städten Aktionen durchzuführen. Das hilft dabei, über die eigenen Stadtmauern hinauszuschauen.

Wie viele Aktive gibt es in Düsseldorf?

Mielczarek: Das ist ganz unterschiedlich. Manchmal kommen zu den Vollversammlungen 40, manchmal 25 Interessierte. Dazu kommen die Leute, die sich online engagieren und einbringen. Zum Beispiel über WhatsApp oder Discord, denn nicht jeder hat freitags nach der Demo auch noch Zeit für die Versammlung. Manche kommen auch nur zur Demo und gehen dann wieder in die Schule. Und dann gibt es auch noch die Parents- und Grandparents for Future, die uns unterstützen. Wir sind eine große Gruppe.

Sind die Teilnehmerzahlen konstant?

Mielczarek: Vor den Sommerferien hat die Teilnehmerzahl konstant zugenommen. Die großen Streiks am 15. März und vor der EU-Wahl haben uns einen großen Schub gebracht. In den Sommerferien sind natürlich viele im Urlaub, zu denen wir aber auch digital Kontakt haben. Wir organisieren aber auch in den Sommerferien Aktionen. Jeden Freitag gibt es Workshops am Corneliusplatz mit einer Kundgebung. Da lernen wir auch neue Leute kennen, die sich vielleicht vorher nicht getraut haben, nicht in die Schule zu gehen. Ich glaube, dass uns der Sommerkongress, unsere Aktionen, unsere Workshops viel Kraft und einen neuen Schub gegeben haben. Wir wollten auch zeigen, dass wir in den Ferien präsent sind.

Sie planen am letzten Freitag in den Ferien eine große Ferienabschlussaktion.

Mielczarek: Wir wollen am 23. mit der Regionalgruppe Niederrhein/Wupper, also allen Ortsgruppen von Wuppertal bis Kleve, am Flughafen demonstrieren.

Welche Forderungen stellen Sie?

Mielczarek: Es gibt die deutschlandweiten Fridays for Future Forderungen. Das sind drei kurzfristige und drei langfristige, die sind in erster Linie auf die Energiepolitik abgestimmt. Da fordern wir zum Beispiel Klimaneutralität bis 2035 für Deutschland. Daraus ergibt sich dann natürlich auch, dass der Flughafen nicht wie bisher weiter wirtschaften kann. Wir wollen weniger Kurzstreckenflüge und auch weniger Langstreckenflüge und einen großen Ausbau des Bahnnetzes im Sinne einer europäischen Verkehrswende. Dafür haben wir auch schon bei der Europawahl gekämpft und werden auch weiter dafür kämpfen.

Wie ist Fridays for Future international vernetzt?

Mielczarek: Wir sind auf jeden Fall vernetzt und wir planen Energiewende-technisch eine gemeinsame Demo für einen erneuerbare-Energie-Mix und gegen Kohle und Atom. Deutschland steigt zwar aus der Atomenergie aus, aber in anderen Ländern ist das noch eine primäre Energiequelle. Wir wollen den Protest gegen diese beiden Energieformen verbinden und Synergieeffekte aufstellen. Da sind wir im Kontakt und in der Planung mit Jugendlichen aus den Niederlanden und Belgien. Die Demo ist für Anfang nächsten Jahres geplant.

Was haben Sie aktuell an größeren Aktionen geplant?

Mielczarek: Wir werden natürlich wieder jeden Freitag in Düsseldorf demonstrieren. Am 20. findet dann der große Klimastreik statt. Da wollen wir alle Generationen auf die Straße bekommen. Wir werden auch mit Unternehmen sprechen, um mit Verbänden ein großes Bündnis zu stellen, um an diesem Tag wirklich alle auf die Straße zu holen. Die GLS-Bank gibt ihren Mitarbeitenden an dem Tag frei, um am Streik teilzunehmen. Im Anschluss an die Großdemo folgt direkt die Week for Climate. In der Woche wollen wir jeweils an einem Ort in NRW eine Aktion organisieren. Am 27. September wird zum Beispiel eine Großdemo in Geldern unter dem Titel „Klimaschutz fängt in den Kommunen an“ stattfinden. Wir haben so viel ländlichen Raum in NRW, der darf nicht wegfallen. Nicht nur in den großen Städten soll was passieren, sondern auch im ländlichen Bereich. Eine Demo am Hambacher Wald soll es auch geben und am 26. wird vor dem Landtag gestreikt.

Wie werden Sie mittlerweile in der Öffentlichkeit wahrgenommen?

Celebi: Zunächst wurden wir nicht ernst genommen. Die Leute sind davon ausgegangen, dass wir nach einem oder zwei Monaten keine Lust mehr haben und dann alles vorbei wäre.
Aber das ist nicht der Fall. Im Gegenteil: Fridays for Future gibt es immer noch. Wir haben die Umweltpolitik wieder nach vorne gebracht und in Düsseldorf und in vielen anderen Städten wurde der Klimanotstand ausgerufen. Fridays for Future hat viel Lob und Aufmerksamkeit bekommen, aber trotzdem ist noch nicht viel Konkretes passiert, und daran muss man arbeiten und solange werden wir auch weiter auf die Straße gehen. Man bekommt Fridays for Future erst wieder in die Schule zurück, wenn konkrete Maßnahmen erfolgt sind.

Mielczarek: Viele wollen das Thema auch in die Schule abschieben. „Setzt euch doch in den Schulen für Solarpanelen ein“. Natürlich, das können wir auch parallel machen, das ist auch komplett richtig, aber nicht der Kern für das, wofür wir einstehen. Wir wollen eine politische Wende. „Geht mal lernen, dann werdet ihr irgendwann mal Klimawissenschaftler“, das geht nicht, denn dann ist es zu spät. Das haben viele noch nicht verstanden oder nutzen es als Pseudoargument. Ich erinnere mich an manche Reden im Stadtrat, als es um den Klimanotstand ging. Da wurde dann gesagt: „Ihr kleinen Klimahüpfer fliegt in den Ferien in den Urlaub und werdet nach der Demo mit dem SUV abgeholt“. Ich weiß nicht, in welchem Paralleluniversum manche leben oder ob sie jemals bei einer Demonstration waren, das ist einfach nicht die Realität. Nicht alle Jugendlichen sind bei Fridays for Future aktiv, das ist keine homogene Gruppe, aber uns so Scheinargumente vorzuwerfen, ist Unsinn.

Sind Sie mit der Form des Klimanotstandes in Düsseldorf zufrieden?

Celebi: Der CO2-Verbrauch pro Einwohner soll bis 2035 um fast 70 Prozent reduziert werden. Vorher war 2050 als Ziel gesetzt. Konkrete Maßnahmen soll dann die „Kleine Kommission Klimahilfe“ mit acht Politikern und zwei Mitgliedern des Jugendrates im Stadtrat erarbeiten.

Mielczarek: Das ist ein großer Erfolg für die Jugendbeteiligung. Das gab es noch nicht, dass der Jugendrat in einer Kommission sitzt. Da sind ja bisher nur Vertreter der Fraktionen. Was dabei rauskommt, wird man sehen. Wir wollen zum Beispiel, dass die städtischen Einrichtungen bis zu einem bestimmten Jahr mit Solarpanelen mit 100 Prozent erneuerbaren Energien versorgt werden. Solche konkreten Pläne sind bei der Klimanotstandserklärung bisher raus gefallen. Es muss Sofortmaßnahmen geben und einen Maßnahmenkatalog, der vor den Haushaltsberatungen für das nächste Jahr abgestimmt wird. Dafür setzen wir uns ein.

Welche Pläne hat der Jugendrat noch unabhängig von Fridays for Future?

Celebi: Wir haben eine „Wandern tut gutes“-Wandertour geplant. Im letzten Jahr haben wir schon eine dreitägige Spendentour organisiert. Wir sind 65 Kilometer in der Eifel gewandert und haben dabei Geld gesammelt für Viva con Aqua und Lebenszeichen Afrika. Das wollen wir in den Herbstferien wiederholen. Außerdem planen wir einen Brunch mit dem Oberbürgermeister, bei dem jeder Jugendliche eingeladen ist, in einer lockeren Runde mit Thomas Geisel zu reden.

Mielczarek: Wir haben noch zwei Sitzungen. Bei der nächsten am 12. September wollen wir viele Anfragen und Anträge ausarbeiten. Die Sitzung ist öffentlich, da können alle Interessierten vorbeikommen. Da werden wir auch besprechen, welche Themen wir in die Klimakommission einbringen wollen. Wenn wir jetzt sagen: Wir wollen den Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs oder das 365 Euro Ticket, was natürlich noch abgestimmt werden müsste, dann würden wir das in die Kommission mitnehmen.

Sie wollen auch einen „Platz für Jugendliche“, was heißt das?

Lukas Mielczarek: Es gibt in der Stadt fast keine Plätze, wo sich Jugendliche aufhalten können, ohne die Anwohner zu belästigen. Deshalb wollen wir in Unterrath einen „Platz für Jugendliche“ beantragen. Das wollen wir zusammen mit den Jugendlichen erarbeiten. Die Anfrage wird jetzt in ein Gremium gebracht.

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