Interview: IHK-Präsident Lehner - „Die Stadtentwicklung muss einmal richtig gelobt werden“

Der IHK-Präsident Ulrich Lehner erwartet für 2010 ein besseres, aber noch kein gutes Jahr. Ein Hauptthema bleibt die Ausbildung.

Düsseldorf. WZ: Herr Lehner, vom IHK-Präsidenten erwarten die Menschen Weitsicht und Prognosekraft: Wie wird 2010 für die Wirtschaft in Düsseldorf?

Lehner: Nach den Konjunkturanalysen der IHK sind die Unternehmen insgesamt zuversichtlich, dass es im neuen Jahr weiter aufwärts geht. Die Umsätze dürften wieder steigen - die Gewinne hoffentlich auch. Insgesamt dürfte sich aber das erstaunlich große Erholungstempo der letzten Monate wieder etwas verlangsamen. Mit anderen Worten: Die Lage wird sich zwar weiter verbessern, aber sie wird im neuen Jahr noch nicht wieder gut sein. Denn der vorherige Einbruch ist auch für die Düsseldorfer Wirtschaft beispiellos tief gewesen. Bis das Niveau wirtschaftlicher Aktivitäten vor dem Ausbruch der Krise im Sommer 2008 wieder erreicht werden wird, dürften deshalb noch zwei bis drei Jahre vergehen.

WZ: Eine besondere Stärke der Landeshauptstadt ist die Branchenvielfalt. Wer kommt gut, wer schlechter aus der Krise?

Lehner: Etliche Unternehmen der Industrie und des Großhandels - freilich nicht alle - nehmen an der wieder anspringenden Weltkonjunktur teil. Ihre Auftragslage hat sich auf niedrigem Niveau zunächst stabilisiert und seit Frühsommer 2009 allmählich wieder verbessert. Die Bauwirtschaft gerade hier in und um Düsseldorf wickelt auch längerfristige Projekte ab, wie etwa den U-Bahn-Bau, den Autobahnausbau im Linksrheinischen oder die Airport City. Nur der Einzelhandel befürchtet nach Wegfall der Abwrackprämie und angesichts zu erwartender steigender Arbeitslosenzahlen, dass ihn die Auswirkungen der Konjunkturkrise erst im Jahre 2010 ereilen könnten.

WZ: Auch Düsseldorfer Firmen sind mit dem Export erfolgreich. Welche Impulse nehmen Sie wahr?

Lehner: Noch vor kurzem hieß es angesichts der Einbrüche im deutschen Export: Deutschland braucht ein neues "Geschäftsmodell". Wie töricht diese Sichtweise war und ist, sieht man schon an den aktuellen Wirtschaftsdaten und den Berichten aus unseren Unternehmen. Es sind der Export und die aktiv betriebene Internationalisierung, die sie voranbringen. Die IHK flankiert die Anstrengungen der Unternehmen mit einer Reihe von Initiativen. Im kommenden Jahr werden wir in der IHK besondere Akzente auf die großen Wachstumsmärkte China und Indien setzen.

WZ: Sie setzen sich sehr für eine bessere Bildung ein. Wo liegt in Ihren Augen das Hauptmanko?

Lehner: Jedes Jahr verlassen rund 90000 Schulabgänger die allgemein bildenden Schulen ohne jeglichen Abschluss. Rechnet man diejenigen Schüler hinzu, die mit einem besonders schlechten Abschluss abgehen, sind es rund 200000 Jugendliche pro Jahr, die nicht oder nur bedingt ausbildungsfähig sind. Diese Jugendliche haben damit kaum Perspektiven auf ein erfülltes Berufs- und Arbeitsleben. Eine schon im Vorschulbereich beginnende individuelle Förderung, höhere Qualifikation der Erzieher und eine bessere Verzahnung von Kindergarten, Grundschule und weiterführender Schule erhöhen die Chancen auf einen schulischen Lernerfolg. Hierzu ist auch eine deutlich höhere Investition in Bildung - den einzigen Rohstoff Deutschlands - erforderlich.

WZ: Sie finden, schlechte Leistung muss man auch als solche bezeichnen. Für Pädagogen starker Tobak. Welcher Sinn steckt in dieser Art Kritik?

Lehner: Woher sonst soll denn der Anreiz kommen, es besser zu machen?

WZ: Was können die Unternehmen tun, um den Nachwuchs besser zu qualifizieren? Gibt es Vorbilder?

Lehner: Betriebliche Vorbilder hierfür gibt es zahlreiche. Sie sind in allen Branchen und Unternehmensgrößen zu finden. Unternehmen müssen hierzu durch maßgeschneiderte Ausbildung die individuellen Fähigkeiten ihrer Auszubildenden fördern und keine Ausbildung von der Stange anbieten. Diese reichen von Angeboten für die mehr praktisch Begabten, über Sprachkurse und Auslandsaufenthalte bis hin zu einer Kombination aus Ausbildung und Studium mit IHK-Zeugnis und Bachelor als Abschluss.

WZ: Die Innenstadt wird umgebaut und mit dem Kö-Bogen modernisiert. Wo steht Düsseldorf im Wettlauf der Städte?

Lehner: In der Spitzengruppe. Die Kaufkraft hier und in der Region ist hoch. Kunden und Gäste kommen gern. Entsprechend lenken Einzelhandel, Gastronomie und Kulturwirtschaft erhebliche Kaufkraftzuflüsse nach Düsseldorf. Aber, wie heißt es so schön? Stillstand ist Rückschritt. Um ihre hervorragende regionale und überregionale Position zu halten, muss die Landeshauptstadt ständig am Image feilen und den Standort modern halten. So hat sich das Stadtbild bereits in den letzten Jahrzehnten gravierend verändert. Ich möchte nur auf den neuen Landtag, den Rheinufertunnel und den Medienhafen, die Graf-Adolf-Straße, den Flughafen mit der Airport City, die City-Nord um den Kennedydamm, die Arena oder Oberbilk hinweisen. Und mit dem Bau der Wehrhahn-Linie und dem Kö-Bogen wird die Innenstadt weiter umgestaltet. Im Zuge der Baumaßnahmen verschwindet nicht nur der Schandfleck Jan-Wellem-Platz; auch die Schadowstraße wird zwischen Berliner Allee und Tonhallenstraße aufgewertet, dass Düsseldorf sein Gesicht in drei, vier Jahren erneut im positivem Sinne gewandelt haben wird: moderner und noch attraktiver. Damit künftig noch mehr Kunden und Gäste gern hierher kommen. Die Stadtentwicklung muss einmal richtig gelobt werden.

WZ: Was kann die Wirtschaft der Stadt zurückgeben?

Lehner: Düsseldorf ist für Unternehmen ein sehr attraktiver Standort. Das liegt auch an den guten Rahmenbedingungen. Die Anziehungskraft von Düsseldorf ist zu einem guten Teil aber auf die hohe Dichte und die Vielfalt der ansässigen Unternehmen selbst zurückzuführen. Eine starke Wirtschaft ist der Garant für Wohlstand, Arbeits- und Ausbildungsplätze in der Region, allein rund 60000 davon in der Industrie, was man häufig vergisst. Die Unternehmen leisten ihren Beitrag zur guten Finanzlage und damit zur Infrastruktur der Stadt: Allein die Einnahmen aus der Gewerbesteuer machen ein gutes Drittel des städtischen Haushalts aus. Darüber hinaus ist für viele Betriebe ein Engagement im sozialen, sportlichen oder kulturellen Bereich selbstverständlich.

WZ: Was nehmen Sie sich ganz persönlich für 2010 vor?

Lehner: Zur Akzeptanz der Marktwirtschaft beizutragen und sie gegen ihre Alternativen deutlich abzugrenzen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort