Internet: Alle surfen, keiner sieht die Gefahr

Fast alle Jugendlichen nutzen das Internet. Die Polizei klärt auf, wie schnell man dort Opfer oder Täter wird.

Düsseldorf. 83 Prozent der Jugendlichen besitzen ein Smartphone, dreieinhalb Stunden am Tag surfen sie im Netz — die jährliche Studie zu Drogentrends der Frankfurter Goethe-Uni kommt zu dem Ergebnis: Das Internet entwickelt sich zum Suchtmittel der Zukunft. Über die Verbreitung ist auch Jörg Blankenstein von der Polizei Düsseldorf immer wieder erstaunt, wenn er Schulklassen besucht: „Die Schüler sind zu 95 Prozent angemeldet bei Facebook.“

Auch den Nachrichtendienst „Whatsapp“ nutzen sie auf ihrem Handy — natürlich mit Internet-Flatrate. Dass dieser Trend auch Risiken birgt, hat das Präsidium erkannt. Deshalb informiert Blankenstein in den siebten und achten Klassen darüber, wie man im Netz zum Opfer werden kann. Oder zum Täter.

„Prävention zum Thema Internet ist gefragt wie nie“, sagt Blankenstein, der ständig Anfragen auch von Jugendeinrichtungen bekommt. Seit drei Jahren klärt der Beamte des Kommissariats Vorbeugung Schüler kurz vor Erreichen der Strafmündigkeit auf und er hat festgestellt: „Das Unrechtsbewusstsein ist nicht groß — Musik zieht man eben kostenlos aus dem Netz. Beleidigung und Mobbing im Internet sind gang und gäbe.“ Viele Jugendliche seien sogar der Ansicht, Beleidigung sei überhaupt keine Straftat.

In anderen Bereichen seien die jungen Menschen zwar durchaus informiert — aber doch unbedarft. In Bezug auf das soziale Netzwerk Nummer eins etwa: „Der Dienst bei Facebook ist eben nicht gratis — ich bezahle mit meinen Daten“, erklärt Blankenstein. Der Dienst erhalte die Rechte an den hochgeladenen Bildern. Ein Bikinifoto könne so durchaus mal über Suchmaschinen zu finden sein.

„Den Jugendlichen ist das meist schon bewusst — aber auch egal. Ihnen fehlt der Weitblick.“ Auch darauf, was ein Pädophiler mit Hinweisen auf das Hobby einer Schülerin in ihrem Profil und der auf ihrer Pinnwand geposteten Trainingszeit alles anstellen könnte.

Neben der Aufklärung in den Klassen bietet Jörg Blankenstein in Grundschulen auch Elternabende an. „Aber da trifft man natürlich nur die Eltern, die sich ohnehin mit dem Thema beschäftigen.“ Und das seien lange nicht alle: „Mein Eindruck ist, dass viele das Thema auf die Schule abwälzen.“ Aber der Internet-PC stehe heute oft sogar im Zimmer der Kinder und Jugendlichen, die Lehrer könnten unmöglich mit jedem Schüler die Privatsphäre-Einstellungen von Facebook durchgehen.

Blankenstein veranschaulicht die aktuelle Situation so: Wenn die Kinder Fahrradfahren lernen, rüsten die Familien sie mit Stützrädern und Helm aus — aber im Internet lasse man sie oftmals komplett ungeschützt und ohne Begleitung lossurfen.

Das ist auch der Eindruck von Jan Schumacher. Der Düsseldorfer hat sein Lehramtsstudium gerade beendet und in seiner Master-Arbeit die polizeiliche Prävention an Schulen untersucht. Er kommt zu dem Ergebnis: Die Aufklärung ist wichtig und sinnvoll, aber sie hat keinen festen Platz im Lehrplan. Auch Jörg Blankenstein kennt das aus seiner Praxis: Manche Schulen legten großen Wert auf die Prävention, an anderen sei er hingegen nie eingeladen.

Das mache auch die Vor- und Nachbereitung des wichtigen Themas schwierig, so Schumacher. Manche Lehrer, die er interviewt hat, hätten im Vorfeld zwar gewusst, dass ein Polizist kommt — aber nicht, worüber er sprechen würde. So sei der Besuch überhaupt nicht eingebettet in eine Auseinandersetzung mit den Risiken.

„Für mich ist es wichtig, dass in NRW einheitliche Regelungen geschaffen werden“, sagt Schumacher deshalb. „Das Thema Internet gehört fest in den Fokus. Die Schüler sollen in der Schule Analysis und Algebra lernen — aber nichts über etwas, das sie mehrere Stunden am Tag nutzen.“

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