Düsseldorf In Klein-Marokko herrscht wieder Frieden

Anfang des Jahres stand das Viertel im ganzen Land im Fokus — jetzt ist es dort ruhiger. Das Projekt „Casablanca“ gibt es aber weiterhin.

Düsseldorf: In Klein-Marokko herrscht wieder Frieden
Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Mehr als fünf Monate ist es her, dass drei Hundertschaften das Viertel an der Ellerstraße — das so genannte „Klein-Marokko“ — stürmten, 300 Menschen kontrollierten, 40 vorläufig festnahmen. Im Kampf gegen den riesigen Verdächtigenkreis, den die Polizei in dem Projekt „Casablanca“ seit Anfang 2014 gebündelt hatte — mehr als 2200 Menschen nordafrikanischer Herkunft. Bereits zuvor hatten Anwohner und Geschäftsleute Alarm geschlagen, weil ihr Viertel unter dem Einfluss junger Krimineller verkomme. Fast ein halbes Jahr später hat sich die dramatische Lage jetzt deutlich entspannt.

„Die vergangenen Monate hatte man hier nichts mehr auszusetzen, sagt Rechtsanwalt Thomas Stephan, der an der Ellerstraße lebt und arbeitet. Die Polizei sei stark präsent, der Friede wiederhergestellt. „Es hat sich verändert und ist wieder schön ruhig“, sagt auch eine Frau, die in „Klein-Marokko“ arbeitet. Die Gruppen, die sich sonst zusammengerottet hätten, seien verschwunden. Erst am Vortag seien Polizisten bei ihr im Geschäft gewesen und hätten nachgefragt, ob sie Wünsche oder Sorgen habe. „Die Polizei und die Behörden haben es im Griff“, glaubt Jamal Sarji von der Bahnhofs-Apotheke. „Aber auch wir Menschen hier haben viel gemacht.“

Auch er selbst habe immer wieder dunkle Gestalten angesprochen und klargestellt, dass sie unerwünscht sind. Die Polizei war seinerzeit davon ausgegangen, dass sich Kriminelle in dem Bahnhofsviertel trafen und dann zu gemeinsamen Straftaten etwa in die Altstadt weiterzogen — dort hatten Ermittler zuvor festgestellt, dass die Taschendiebstähle fast ausschließlich von Männern aus Nordafrika begangen wurden.

Vom Image des Rückzugsraums für Diebesbanden wollten die Menschen in Klein-Marokko weg — und das ist gelungen, heißt es vor Ort. Auch im Präsidium beurteilt man die Situation als „deutlich entspannt und ruhiger“, so Sprecher Markus Niesczery. Eine Entwicklung, die auf Schwerpunkt-Kontrollen, die Razzia und „die nachhaltig hohe Präsenz, unter anderem durch den Einsatztrupp Prios“ zurückgeführt wird. Markus Niesczery betont aber auch, dass darüber hinaus in der Altstadt seit Silvester an den Wochenenden stets ein Zug der Hundertschaft als Unterstützung eingesetzt wird. „Lohnende Tatgelegenheiten sind deutlich gemindert worden“, glaubt Niesczery. Man habe kaum mehr Probleme mit Taschendieben und so genannten „Antänzern“. Offenbar kämen weniger reisende Täter von außen in die Stadt.

Trotzdem wird „Casablanca“ nicht zu den Akten gelegt. Niesczery: „Das Projekt wird fortgeführt, läuft weiterhin als operatives Auswerte- und Analyseprojekt.“ Das bedeutet: Sobald es neue Erkenntnisse gibt, schreitet die Polizei auch wieder ein.

Nicht beantworten lässt sich indes die Frage, was aus den erfassten Verdächtigen der vergangenen zwei Jahre geworden ist. Laut Niesczery unterstützten die gewonnenen Erkenntnisse über Tatzusammenhänge, Beziehungen, Kommunikationswege die Drogenfahnder, Diebstahlsfahnder und Co. in ihrer Arbeit. Ob es aber Verurteilungen gab, sogar Abschiebungen — darüber gibt „Casablanca“ keinen Aufschluss. Es sei eher eine Sammlung von Informationen. „Es sind auch kontinuierlich neue Tatverdächtige hinzugekommen“, erläutert der Polizeisprecher. Im Gegenzug sei denkbar, dass zum Beispiel 2014 registrierte Verdächtige seither überhaupt nicht mehr aufgefallen sind: „Die Daten wurden nicht bereinigt.“

Mit Blick in die Zukunft sagt Niesczery: „Wir ziehen nach wie vor erhebliche Erkenntnisse aus dem Wissen über diese Täterklientel, was uns dabei hilft, Straftaten aufzuklären und künftige Taten zu verhindern.“ Das hofft man auch in Klein-Marokko. Laut Anwalt Stephan etwa sieht man im Ramadan spätabends nun doch wieder zwielichtige Gestalten rund um die Ellerstraße. Er befürchtet, dass die Situation erneut kippt, wenn das Viertel aus dem Fokus verschwindet. „Da darf man jetzt nicht nachlassen“, fordert er.

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