Arbeitswelt Immer mehr Bäcker geben auf – der Trend geht zum Konditor

Fast 40 Prozent der Bäckereien sind verschwunden. Die Branche leidet massiv unter Nachwuchsmangel.

 Bäcker Michael Hinkel vor der seit Weihnachten geschlossenen Filiale am Burgplatz.

Bäcker Michael Hinkel vor der seit Weihnachten geschlossenen Filiale am Burgplatz.

Foto: Michaelis, Judith/Michaelis, Judith (JM)

Innerhalb der letzten zehn Jahre sind knapp 40 Prozent der Bäckereien in Düsseldorf verschwunden. Laut Handwerkskammer Düsseldorf werden deutlich mehr Betriebe geschlossen als eröffnet und es fehlen vor allem Auszubildende. Gleichzeitig ist ein anderes Handwerk im Aufschwung: Die Konditoren verkaufen den kleinen Luxus und trotzen dem Betriebssterben. In den letzten zehn Jahren stieg ihre Zahl um 53 Prozent auf 23 Betriebe im Stadtgebiet und über Nachwuchsmangel können die Konditoren auch nicht jammern.

Viele Bäcker geben auf, wie jüngst Michael Hinkel (Cousin des Altstadt-Bäckers Josef Hinkel), der  seine drei Filialen Ende 2018 schloss. Wie aus den Daten der Handwerkskammer Düsseldorf hervorgeht, waren 2008 in der Landeshauptstadt noch 40 Hauptbetriebe in der Handwerkerrolle eingetragen, Ende 2018 nur noch 25. Nicht nur Bürokratie und Konkurrenz von Discountern und Supermärkten belasten die Bäcker. Vor allem der Fachkräftemangel und das gesunkene Interesse von Schulabgängern an einer Lehre bereiten dem Handwerk große Sorge. „Das Problem ist der signifikante Mangel an qualifiziertem Personal und an Nachwuchskräften, aus denen eine neue Generation von Inhabern entstehen müsste“, sagt Bernd Siebers, zuständiger Obermeister der Bäckerinnung.

„Es ist kein Problem, Nachwuchs bei den Konditoren zu finden, aber bei den Bäckern ist der Rückgang extrem, zumal auch noch 30 Prozent ihre Lehre im Bäckerhandwerk abbrechen. Bei den Verkäufern haben wir sogar einen Rückgang von 65 Prozent“, beklagt Siebers.

Die Gründe für den Schwund seien mannigfaltig: „Die Arbeitszeiten schrecken viele ab, sie mögen nicht nachts mit der Arbeit beginnen.“ Zudem sei der Sprung in die Selbstständigkeit mit deutlich größeren Investitionen verbunden als bei den Konditoren: „Ein schöner Raum mit einer vernünftigen Kühlung reicht schon aus, um selbstständig als Konditor arbeiten zu können. Ein Bäcker muss hingegen mindestens 200 000 Euro in Öfen und Maschinen investieren.“ Hinzu kämen die ganzen Auflagen und der bürokratische Aufwand: „Das fängt bei der jährlichen Produktionserhebung an und hört bei der Datenschutzverordnung auf, das müssen wir alles noch zusätzlich leisten“, berichtet Siebers.

 Konditorin Viktoria van der Wingen (24) ist eine der jungen Konditorinnen-Meisterinnen, die sich selbstständig gemacht hat.

Konditorin Viktoria van der Wingen (24) ist eine der jungen Konditorinnen-Meisterinnen, die sich selbstständig gemacht hat.

Foto: Viktoria van der Wingen

Die Situation ist absurd: Auch wenn die Zahl der Bäckereien schrumpft, so konnten die Bäcker beim Jahresumsatz sogar zulegen von 44 Millionen Euro im Jahr 2008 auf 48 Millionen. „Die Verbraucher schätzen Qualität und sind auch bereit, dafür zu zahlen“, fügt Siebers hinzu. Dennoch müssen viele erfolgreiche Betriebe mit Sorge in die Zukunft blicken, weil der Nachwuchs fehlt.

Bäckermeister Josef Hinkel, der in vierter Generation seine beiden Geschäfte führt, sieht dennoch positiv in die Zukunft: „Die Rahmenbedingungen haben sich verschlechtert, die Personalkosten sind hoch und die administrativen Aufgaben werden immer komplexer, aber ich habe Spaß daran, vernünftige Backwaren in ihrer ganzen Vielfalt anzubieten.“ Hinkel ist überzeugt, dass sein Handwerk in den nächsten Jahren bei den jungen Leuten wieder an Ansehen gewinnen wird.

Harald Michaelis, Obermeister der Konditoren, sieht die steigende Zahl der Konditoren indes auch kritisch und im Wandel: „Die klassische Konditorei mit Café hat wenig Zukunft. Die Gäste dieser Cafés sind meist über 40, die jungen Leute besuchen lieber Coffee-Shops“, erklärt er. „Viele Bewerber, die Konditor werden wollen, haben bereits ein abgebrochenes Studium hinter sich und wollen dann doch lieber etwas Handwerkliches und Kreatives machen.“

Es seien meist junge Konditorinnen, die sich bei der Handwerkskammer anmelden. „Sie haben sich oft auf Dekor- und Hochzeitstorten spezialisiert und meist auch nur den sogenannten `kleinen Meisterbrief` in der Tasche.“ 

Viktoria van der Wingen (24) ist eine der jungen Konditorinnen-Meisterinnen, die sich nach Ausbildung und Meisterschule vor drei Jahren selbstständig gemacht hat. Dass die klassische Konditorei mit Café keine Zukunft hat, kann sie nicht bestätigen: „Ich habe ganz klein angefangen in Hamm und habe mittlerweile eine Konditorei mit drei Mitarbeitern und einem Hofcafé mit Platz für 60 Gäste in Neuss!“.     

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