Humanitäre Hilfe: Rahmatullahs letzte Hoffnung

Ein kleiner Junge aus Afghanistan wird in der Diakonie Kaiserswerth behandelt. Er hatte Säure getrunken.

Düsseldorf. Apathisch liegt der kleine Junge in dem Kinderwagen. Als hätte er nicht mal mehr Kraft zu weinen. Rahmatullah ist erst zwei Jahre alt. Vielleicht. So genau weiß das niemand. Rahmatullah kommt aus einem kleinen Dorf im Norden von Afghanistan. Dort hat er die schlimmsten Stunden, Tage, Wochen seines noch kurzen Lebens durchstehen müssen. Jetzt ist er in Düsseldorf.

Rahmatullah ist der Star auf der Kinderstation

Ein Flur auf der Kinderstation des Florence-Nightingale-Krankenhauses in Kaiserswerth. Kinderchirurg Dr. Heinrich Klumpp hält Rahmatullah auf dem Arm, streicht ihm zärtlich über die Wange, um dem Jungen die Angst zu nehmen. Um ihn herum stehen Fotografen, Kameraleute, Journalisten. "Er ist der Star der Station", sagt Klumpp. Das Friedensdorf aus Oberhausen hat Rahmatullah vor zwei Wochen aus Afghanistan eingeflogen. Direkt vom Düsseldorfer Flughafen wurde er ins Krankenhaus gebracht. Dr. Heinrich Klumpp ist jetzt die letzte Hoffnung für Rahmatullah und seine Familie. Frühsommer 2007, irgendwo in der Provinz Juzjan. Rahmatullah greift nach einem Gefäß mit einer klaren Flüssigkeit, er fängt an zu trinken. Doch es ist kein Wasser, das er verschluckt. Es ist Batteriesäure. Elektrischer Strom kommt in den windschiefen Lehmhäusern in der Region der turkmenischen Minderheit meist aus Autobatterien. Die brauchen Schwefelsäure, um zu funktionieren. Deshalb findet sich in fast jedem Haus ein entsprechender Vorrat. Auch die zehnjährige Soma, die 2003 nach Kaiserswerth kam, hatte sich so die Speiseröhre schlimm verätzt. Auch bei Rahmatullah hat die Säure furchtbare Spuren hinterlassen. Die Speiseröhre ist derart verletzt, dass sie quasi zugeschwollen ist. "Rahmatullah kann nichts mehr schlucken", sagt Heinrich Klumpp. Noch in Afghanistan, im Kinderkrankenhaus in Kabul, das der kleine Junge nach einer anstrengenden, mehrtägigen Reise erreicht, wird Rahmatullah ein direkter Zugang zum Magen gelegt. Über einen Schlauch kann ihm so Brei verabreicht werden.

Die Speiseröhre soll mit Kathetern wieder aufgeweitet werden

Dr. Heinrich Klumpp hat sofort mit der Behandlung begonnen, als der kleine Junge auf seiner Station ankam. "Ein Röntgenbild brachte keinen Aufschluss. So sehr ist die Speiseröhre verengt. Über den Magenzugang und die Nase gelang es Klumpp, einen Faden durch die Speiseröhre zu ziehen. Mit Hilfe dieses Fadens werden in den nächsten Monaten Gummikatheter durch die Engstellen gezogen, die die Speiseröhre wieder aufweiten sollen. Mit einem Millimeter Durchmesser fängt Klumpp in den nächsten Tagen an. Unter Narkose, um dem kleinen Jungen weitere Traumata zu ersparen. "Dann müssen wir schauen, ob die Muskulatur der Speiseröhre wieder funktioniert", sagt der Kinderchirurg. Nur dann wird der zerkaute Speisebrei auch in den Magen transportiert. Klappt das nicht, muss Klumpp eine Speiseröhrenplastik erstellen. Dafür wird ein Stück Darm - der ebenfalls eine regelmäßige Muskelaktivität (Peristaltik genannt) aufweist - zu einer neuen Speiseröhre formen. Eine Alternative, die der erfahrene Arzt nur im Notfall wirklich anwenden will. Wie es auch immer kommt, die Behandlung wird Monate dauern. Sie wird zum Teil ambulant durchgeführt, Rahmatullah wird währenddessen im Friedensdorf wohnen. Dort kann er mit anderen afghanischen Kindern spielen. Die Kosten der Behandlung will die Klinik auch über Spenden finanzieren.

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