Himmelgeister Deichbau: Zwingen Bienen zum Umdenken?

Der alte Deich soll einem neuem weichen. Gutachter weist nun große Populationen geschützter Wildbienen in Düsseldorf nach.

Himmelgeister Deichbau: Zwingen Bienen zum Umdenken?
Foto: Nikolas Golsch

Düsseldorf. Ihr Markenzeichen ist ein rosarotes Höschen aus Blütenpollen. Diese sammelt die Knautien-Sandbiene ausschließlich an der Witwenblume (Knautie) - was sie zu einer hochspezialisierten Wildbienenart macht. In Deutschland wurde sie vergangenes Jahr zur „Wildbiene des Jahres“ gewählt, steht auf der Roten Liste und gilt deutschlandweit als gefährdete Art, in NRW sogar als stark gefährdet. Nun wurde diese seltene Biene, die sich ihr Nest im Boden gräbt, aktuell in Düsseldorf nachgewiesen — und zwar in großer Zahl ausgerechnet auf dem Himmelgeister Deich. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) und die Biologische Station in Haus Bürgel lassen dort zur Zeit von einem Gutachter untersuchen, welche Wildbienenarten auf und am Deich leben.

(Das ist die gefährdete Knautien-Sandbiene. (Foto: Olaf Diestelhorst))

Denn geht es nach den Plänen von Stadt und Land, soll der marode Deich bald weichen und einem neuen Platz machen. An diesen Plänen gibt es jedoch immer mehr Kritik. Die gesamte Bezirksvertretung 9, die Fraktion der Grünen im Stadtrat und jüngst auch deren Parteikollegen im NRW-Landtag pochen gemeinsam mit dem BUND darauf, die Pläne grundlegend zu überarbeiten. Sie fordern, dass der neue Deich weiter vom Rhein entfernt gebaut wird. Der alte Deich müsste so nur an einzelnen Stellen durchbrochen werden, könnte aber größtenteils stehenbleiben. Die Wildbienen und der Trockenrasen auf dem Deich würden so geschützt. Gleichzeitig würde eine kleine Aue im Rheinbogen entstehen, die seltenen Tierarten Lebensraum bieten, ein neues Naherholungsgebiet darstellen und Hochwasser des Rheins abmildern könnte. Stadt und Land müssten den Eigentümer der Flächen im Rheinbogen dafür aber wahrscheinlich enteignen, was sie wie berichtet ablehnen.

Das Vorkommen der Knautien-Sandbiene in Himmelgeist verleiht der Kritik der Umweltschützer nun neue Brisanz, denn die Art ist wiederum lebenswichtig für andere Wildbienen. Beispielsweise hat sie einen Gegenspieler, der ohne sie nicht überleben kann: In den Nestern der Knautien-Sandbiene lebt eine Art aus der Familie der Kuckucksbienen. Der Name kommt nicht von ungefähr, denn das Prinzip gleicht dem aus der Vogelwelt: Die Kuckucksbiene (in diesem Fall die Bedornte Wespenbiene) schmuggelt ein Ei in eine Brutkammer im Nest der Sandbiene. Die geschlüpfte Larve saugt das Ei der „rechtmäßigen“ Nestinhaberin aus und ernährt sich von den Vorräten, die die Knautien-Sandbiene für den eigenen Nachwuchs gesammelt hat. Die Bedornte Wespenbiene ist ebenfalls eine Art der Roten Liste und gilt in NRW als vom Aussterben bedroht. Sie lebt nur bei der Knautien-Sandbiene, dadurch ist sie auf größere Vorkommen der Wirtsbiene angewiesen. Auf dem Himmelgeister Deich ist auch sie zu finden.

Mit dem Gutachten betraut ist der Biologe Olaf Diestelhorst. Er erbringt zurzeit den Nachweis für die Bienenvorkommen. „Der Deich ist ein Hotspot für Wildbienen in der Region“, stellt er fest. Die beiden genannten Arten seien nur Beispiele. So hat er auf dem Deich jetzt auch zum ersten Mal in NRW die Ehrenpreis-Wespenbiene nachgewiesen. Auch sie ist auf eine Wirtsbiene angewiesen und hochspezialisiert.

(Die Bedornte Wespenbiene. (Foto: Olaf Diestelhorst))

Auf dem Deich wachsen besonders artenreiche Wiesen, die ein reiches Buffet für die Insekten bereithalten. „Es gibt noch viel mehr Wildbienenarten, die sich auf die Blühpflanzen spezialisiert haben und genau auf solche Flächen angewiesen sind“, sagt Diestelhorst. Blühende Wiesen seien aber rares Gut geworden, weswegen die Erhaltung des Deiches so wichtig sei.

Sein abschließendes Gutachten wird wohl erst im Herbst vorliegen, aber er schätzt, dass gut 50 verschiedene Wildbienenarten auf und am Deich leben. Brisant: Im Rahmen des Planungsverfahrens sind die Vorkommen der Wildbienen gar nicht geprüft worden, weil sie nicht grundsätzlich zu den sogenannten „planungsrelevanten Arten“ gehören. Dort sind vor allem Vögel, Fledermäuse und Säuger aufgelistet. Michael Süßer vom BUND ist aber der Meinung, dass die Bienen-Vorkommen nach geltendem Recht zusätzlich geprüft werden müssten: „Als stark gefährdete oder vom Aussterben bedrohte Arten, die nach der Artenschutzverordnung unter besonderem Schutz stehen, sind sie sehr wohl prüfungsrelevant.“ Der zuständige Stadtentwässerungsbetrieb nehme das Thema auf die leichte Schulter. So sei ihm vorgeworfen worden, die Wildbienen mit Honigbienen zu verwechseln. „Das Bienensterben ist in aller Munde, wenn wir hier einen Hotspot für die Insekten haben, müssen wir ihn schützen.“ Die Stadt sah auf WZ-Anfrage zuletzt keinen Bedarf für eine Bienenprüfung.

Das Planfeststellungsverfahren für den Abriss und Neubau des Deiches liegt gerade bei der Bezirksregierung zur Prüfung. Ersten Anzeichen zufolge hält jedoch auch sie eine Bienenuntersuchung nicht für nötig. „Weil wir das schon befürchtet haben, haben wir das Thema selbst in die Hand genommen“, sagt Süßer. Und auch Elke Löpke, Leiterin der Biologischen Station, bekräftigt: „Das Gutachten liefert weitere Argumente dafür, dass der Deich in seinem bisherigen Zustand sehr erhaltenswert ist.“ Sollte die Bezirksregierung den Bauplänen zustimmen, erwägt Michael Süßer eine Klage dagegen.

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