Düsseldorf Hier hätte Ed Sheeran in Düsseldorf gespielt

Wäre das Konzert des englischen Sängers in Düsseldorf genehmigt worden, wäre er am Sonntag auf dem Messeparkplatz P1 aufgetreten. Unser Autor ist auf dem leeren Feld gewesen — und hat mit Abstand zur politischen Debatte neue Erkenntnisse gewonnen.

Düsseldorf: Hier hätte Ed Sheeran in Düsseldorf gespielt
Foto: Christian Herrendorf

Düsseldorf. Er steht auf Feld 6, Reihe 14, und er dürfte eine Menge unbekannter Freunde haben. Sein Schatten reicht über die um ihn stehenden Bäume hinaus. Wer das Glück hat, unter diesem Baum einen Parkplatz zugewiesen zu bekommen, der freut sich bei der Rückkehr. Es kann gepflegt heiß werden auf P1, davon zeugen die weißen Rest-Halme und die Blätter, die schneller verschrumpelt sind, als sie dunkelbraun werden konnten.

Ich setze mich unter den Baum in Reihe 14. Der Stamm im Rücken hält mich gut. Dort drüben, auf dem asphaltierten Parkplatz hätte die Bühne gestanden. Am frühen Abend wäre dort Jamie Lawson erschienen, um rund 80 000 Zuschauer musikalisch erstzuversorgen. Eine halbe Stunde danach wäre Anne-Marie als zweite Vorkünstlerin gefolgt — und dann irgendwann Ed Sheeran. Doch das Konzert, das an dieser Stelle angedacht war, hat am Sonntag nicht dort, sondern in Gelsenkirchen stattgefunden. Düsseldorfer Politiker haben mehrheitlich gegen den Auftritt auf P1 gestimmt.

(Durch die politische Diskussion wurde P1 zum bekanntesten Parkplatz der Stadt.)

Ich habe für das Konzert argumentiert. Ed Sheeran ist mir so egal, wie seine Musik klingt. Ich habe in meinem Freundeskreis auch nur einen einzigen Menschen, der nun weiter fahren musste. Ich freue mich aber über besondere Momente, die hier entstehen und die meine Heimatstadt bekannter machen. 80 000 Menschen, von denen 75 000 nicht aus Düsseldorf kommen, hätten von solchen Momenten (Sonnenuntergang bei 24 Grad inklusive) erzählen können.

P1 besteht aus sechs Feldern, die jeweils in einen Nord- und einen Süd-Abschnitt geteilt sind. Das Konzert war für die nördlichen Felder 4 bis 6 geplant, südlich hätten Fahrräder und Autos geparkt. Die Bühne hätte auf Feld 5 gestanden, das ganz überwiegend aus Asphalt besteht. Ein paar ansatzgrüne Inseln gibt es dort. Die Bäume, die darauf standen, sind versetzt worden, die Sandflächen, die zurückblieben, sind von Disteln und anderem Gestrüpp bewachsen. Sich dort eine Bühne, Absperrgitter und viele Zuschauer vorzustellen, ist relativ einfach. Aber das Konzert wäre nicht auf den Asphalt-Platz beschränkt gewesen. Jeweils auf der Hälfte von Feld 4 und Feld 6 hätten Tribünen gestanden.

(Bäume wie dieser hätten für das Konzert gefällt werden müssen. Das hat unseren Autor nun noch einmal nachdenklich gemacht.)

Unter dem Baum in Reihe 14 wird mir eine Krux bewusst. Grundsätzlich wäre es möglich, Musiker und Zuhörer nur auf Feld 5 unterzubringen. Das wäre aber maximal mit einer Zahl von Besuchern machbar, die auch in die Arena passt. Die Idee des Chefs der städtischen Veranstaltungstochter ist eine andere. Er will eine Fläche im Angebot haben, die 80 000 oder sogar 100 000 Zuschauer fasst. Damit hätte Düsseldorf dann ein Alleinstellungsmerkmal und könnte sich gegen die starke Konkurrenz aus Köln, Gelsenkirchen und Mönchengladbach besser behaupten. Dafür braucht die Stadt aber eben auch die Felder 4 und 6.

Mein Blick geht nach oben. Äste, Äste, Zweige, Zweige, die Krone meines Baumes ist hoch und weit. So wie sie Schatten spendet, nimmt sie Sicht. Mein Blick dreht eine Runde um meinen Baum. Er hat reichlich Nachbarn. Keiner davon ist so mächtig wie er, aber auch die haben locker die Höhe von zahlreichen Tribünenreihen. Je länger ich diesen losen Parkplatz-Wald betrachte, desto häufiger taucht das Wort Roden in meinen Gedanken auf.

Ich bin immer noch dafür, dass Düsseldorf ein besonderes Konzertfeld auf P1 erhält. Ich bin immer noch nicht überzeugt, dass Bäume grundsätzlich als Gegenargument für neue Ideen und Pläne funktionieren. Aber ich bin auch sehr froh, dass dieser Baum noch steht. Düsseldorf hat nun Zeit, Pläne für P1 zu entwickeln und Ideen zu ersinnen, in denen die Bäume vorkommen.

Wenige Meter westlich vom Baum gibt es einen Durchgang zu den Feldern, die vor dem Lohauser Deich liegen. Dort hätte man schön sitzen und das Konzert einfach nur hören können, so wie das früher gegenüber dem Rheinstadion am Fluss möglich war. Die Felder und der Deich hätten auch reichlich Platz geboten, wenn Zuschauer aus Sicherheitsgründen das Konzertgelände hätten verlassen müssen.

Alle paar Minuten geht ein Flugzeug über den Baum hinweg, hörbar bemüht, Höhe und Tempo zu gewinnen. Dazu rauscht die A44 und klappert, wenn ein Auto auf die Dehnungsfuge der Brücke trifft. Ich bedauere jeden, der dieser Geräuschkulisse ausgesetzt ist. Eins weiß ich aber, auch wenn mir die Musik von Ed Sheeran egal ist: Er hätte es nicht schlimmer gemacht.

Auf dem Rückweg entsteht eine Ahnung, was nach dem Auftritt des Engländers rund um P1 los gewesen wäre. Wer schon mal das zweifelhafte Vergnügen hatte, nach einem Fußball-Spiel das Stadion von Borussia Mönchengladbach zu verlassen, weiß, wie lange man auf Parkplätzen und Bus—Haltestellen stehen kann, selbst wenn alle Straßen von dort wegführen. Diese Stand-Erfahrung hätten die Ed-Sheeran-Fans hier wohl auch gemacht.

Nach einigen Minuten komme ich an der Theodor-Heuss-Brücke vorbei. Dort hätte am Wochenende das Golzheim-Fest stattgefunden, das aber vorzeitig abgesagt wurde mit der Begründung, dass Sheeran und die Kirmes die Stadt schon zu stark fordern. An der Brücke spielen zwei Gruppen Basketball, viele Radfahrer schieben, ein Schäferhund patrouilliert vor einem Camper. Hier scheint nichts denkbar, was die Stadt in spürbarem Maße strapaziert hätte. Ist doch kaum größer als der Schatten eines starken Baumes.

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