NRW Mangel an Hebammen ist groß

Düsseldorf · Die Zahl der Geburten steigt – doch der Mangel an Hebammen in Düsseldorf ist groß, vor allem in den Ferien.

 Nina de Sousa und Annette Sträßer (v.l.) arbeiten in der Hebammenzentrale, die 2015 gegründet wurde.

Nina de Sousa und Annette Sträßer (v.l.) arbeiten in der Hebammenzentrale, die 2015 gegründet wurde.

Foto: Anne Orthen (orth)/Anne Orthen (ort)

Viele schwangere Frauen in Düsseldorf haben Probleme, eine Hebamme zu finden. Die Versorgung in der Landeshauptstadt liegt hier weit unter dem Durchschnitt, wie eine Auswertung der AOK zeigt. Demnach kommen auf 1000 Geburten in Düsseldorf 16,3 ambulant tätige Hebammen, die sich um die Frauen und die Kinder im Wochenbett kümmern. In anderen Teilen Nordrhein-Westfalens ist die Lage deutlich besser – im benachbarten Kreis Mettmann etwa sind es 30,6 Hebammen, im Rheinisch-Bergischen Kreis sogar 53,4.

Diese Unterversorgung bekommen Annette Sträßer und Nina de Sousa, das Team der Hebammenzentrale in Düsseldorf, täglich mit. Die Zentrale wurde 2015 von der Stadt gegründet und finanziert, um Geburtshelferinnen an werdende Eltern zu vermitteln. Die Nachfrage sei riesig, das Telefon stehe kaum still, sagt Annette Sträßer, die selbst seit mehr als 30 Jahren als Hebamme tätig ist.

Rund 8800 Geburten gibt
es jedes Jahr in Düsseldorf

Jede gesetzlich versicherte Frau hat während der Schwangerschaft, der Geburt, dem Wochenbett und der Stillzeit Anspruch auf die Hilfe durch eine Hebamme. In Düsseldorf bleiben dennoch viele ohne. Die Zahl der Anfragen und die Zahl der abgewiesenen Frauen wird immer höher. Im vergangenen Jahr hatten sich 5622 werdende Eltern bei der Zentrale gemeldet auf der Suche nach einer Hebamme – 3245 konnten nicht vermittelt werden. Im Jahr zuvor waren es noch 1981 erfolglose Anfragen, 2018 waren es 1674. Zwar hat auch die Hebammenzentrale in den vergangenen Jahren an Bekanntheit gewonnen. Doch die Not der Frauen, die ohne Hilfe bleiben, ist groß, sagt Annette Sträßer.

Rund 8800 Geburten gibt es jedes Jahr in Düsseldorf. In diesem Jahr könnten es sogar noch mehr werden, das Universitätsklinikum spricht gar von einem „Babyboom“. Von Februar bis Mai habe es „jeweils deutlich mehr Geburten als im Vorjahr“ gegeben. Insgesamt seien es in diesem Jahr mehr als 1000 gewesen, sogar Drillinge waren dabei.

Jedoch sind in der Landeshauptstadt dem Gesundheitsamt zufolge nur 151 Hebammen gemeldet, um sich um die Eltern und Kinder zu kümmern, 120 von ihnen arbeiten freiberuflich. Ebenso viele sind bei der Hebammenzentrale gemeldet. Hinzu kommen Geburtshelferinnen, die nicht in Düsseldorf ihren Wohnsitz haben, aber in der Landeshauptstadt tätig sind. Wie viele von ihnen in Teilzeit arbeiten, wird nirgendwo erfasst. Aufgrund des hohen Frauenanteils dürften es aber viele sein, sagt Annette Sträßer.

Der aktuelle Babyboom bedeutet für die Hebammen in der Uniklinik auch Herausforderungen, so eine Sprecherin. 23 Vollzeitstellen für Hebammen gibt es dort in der Geburtshilfe, fünf sind tagsüber vor Ort, drei in der Spät- und Nachtschicht. Schwierig sei, allen Frauen gerecht zu werden. Bei einem sehr hohen Geburtenaufkommen könne es zum Beispiel sein, dass eine Eins-zu-Eins-Betreuung nicht jederzeit möglich sei. Die leitende Hebamme, Sandra Persaud, sieht die angespannte Situation jedoch nicht in der stationären, sondern in der ambulanten Versorgung – also in der Vor- und Nachsorge der Schwangeren. Dabei ähnele die Situation in Düsseldorf der in vielen anderen Großstädten, sagt Annette Sträßer von der Hebammenzentrale. Der Anteil junger Menschen ist groß, die Zahl der Geburten steigt. Jedoch fehlt vielen jungen Eltern das Netzwerk in der Stadt, sagt die Hebamme. „Viele haben weder Familie hier noch Freunde, die sich mit Kindern auskennen“, sagt sie. Gerade diese Frauen bräuchten besonders dringen die Unterstützung, sie seien zum Teil verzweifelt.

Wenn die Frauen nach der Geburt die Klinik verlassen, haben sie oftmals noch keinen Milcheinschuss, der Nabel des Babys ist noch nicht abgefallen, das Kind hat noch nicht zugenommen, die Naht ist noch nicht verheilt. Mit Fragen und Problemen müssen die Eltern dann zum Kinder- oder Frauenarzt gehen oder zu einer Hebammenpraxis, von denen es in der Stadt auch nicht viele gebe und die Öffnungszeiten eingeschränkt seien. An der Uniklinik etwa gibt es die Wochenbettambulanz. Am Wochenende oder in den Ferien bleibt die Hilfe mitunter aber komplett aus.

Jede Woche verschickt die Hebammenzentrale darum eine Rundmail an alle Geburtshelferinnen in ihrem Verteiler. Darin steht eine anonymisierte Liste mit den Frauen, die kurz vor ihrem Entbindungstermin stehen oder gerade entbunden haben und noch dringend eine Hebamme suchen. „Es ist unglaublich, wie viele es gerade jetzt in den Sommerferien sind.“ Manchmal werden sie noch vermittelt, manchmal, wenn die Familien in der Nähe wohnen, sagt Sträßer, übernimmt sie sie selbst.

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