WZ-Serie: 70 Jahre Landeshauptstadt Goethe-Buchhandlung: Als Bücher mit Kohle bezahlt wurden

Auf 30 Quadratmeter eröffnete am 19. Januar 1946 die Goethe-Buchhandlung. Der englische Kommandant war ein großer Freund des deutschen Dichters — daher der Name.

Düsseldorf. Das Grauen des Krieges ist erst wenige Monate vorüber, als am 19. Januar 1946 in Pempelfort die Goethe-Buchhandlung eröffnet. 30 Quadratmeter groß ist der Raum, den Erika und Fritz Teubig damals in einem Bekleidungsgeschäft an der Ecke Kaiserswerther/Venloer Straße anmieten. „So kurz nach dem Krieg war es schwierig, ein neues Geschäftsmodell zu verwirklichen“, erzählt Sohn Wolfgang Teubig. „Bücher gab es kaum zu kaufen. Deshalb wollten meine Eltern eine Leihbuchhandlung aufmachen.“ Doch der Verband der Leihbuchhändler stellte sich quer. Es gebe bereits genug solcher Läden.

WZ-Serie: 70 Jahre Landeshauptstadt: Goethe-Buchhandlung: Als Bücher mit Kohle bezahlt wurden
Foto: Judith Michaelis

Dass die Buchhandlung seiner Eltern nach dem bedeutenden Dichter benannt wurde, lag laut Wolfgang Teubig (Bild 3) nicht nur an der großen Leidenschaft seines Vaters für Werke wie „Faust“ oder „Iphigenie“. „Der englische Kommandant, der damals das Geschäft genehmigen musste, war auch großer Goethe-Fan. So wurde man sich beim Namen schnell einig.“

Wolfgang Teubig.

Wolfgang Teubig.

Foto: Judith Michaelis

Genau neun Monate nach der Eröffnung bringt Erika Teubig Sohn Wolfgang zur Welt. „Ich war wohl das Ergebnis der Eröffnungsfeierlichkeiten“, scherzt dieser heute und erinnert sich an Erzählungen seiner Mutter aus den Anfangsjahren der Buchhandlung. „Da kam es häufig vor, dass Bücher nicht mit Geld, sondern zum Beispiel mit einem Brötchen oder Kohle bezahlt wurden.“ Nach dem Tod seines Vaters steigt Wolfgang Teubig mit 20 Jahren in die Firma ein und führt 46 Jahre lang die Geschäfte. „Ein Meilenstein war, als wir 1977 einen Computer bekamen. Als zweite Buchhandlung überhaupt in Deutschland.“

2012 geht Wolfgang Teubig in Rente. Einer seiner Nachfolger, Thomas Dohme, absolvierte Ende der 80er seine Ausbildung bei Goethe und erinnert sich an die prekären Platzverhältnisse, die damals herrschten. „Die Büros gingen bis unters Dach, das Lager war im Hinterhof. Die Versandbestellungen wurden mit einem Bollerwagen transportiert.“ Anfang der 90er Jahre wurden Lager und Verwaltung nach Heerdt ausgegliedert. Heute werden hier bis zu 4000 Lieferungen täglich durch das Zentrallager versendet.

Dass man sich schon in den 70ern auf den Fachbuchbereich spezialisierte und begann, Unis, Verwaltungen und Firmen mit Fachliteratur zu beliefern, erwies sich angesichts veränderter Lese- und Kaufgewohnheiten der Verbraucher als kluger Schachzug.

„Ohne den Versand als zweites Standbein hätten wir große Probleme“, sagt Peter Wenning, der gemeinsam mit Thomas Dohme die Geschäfte bei Goethe führt. Lediglich fünf Prozent des Umsatzes werden heute noch im Laden gemacht.

Die Verkaufsfläche an der Nordstraße wurde daher vor drei Jahren halbiert. Auch die Zahl der Mitarbeiter sank: Wo früher mehr als 30 Buchhändler Empfehlungen gaben, sind es heute nur noch acht. Denen stehen 140 Mitarbeiter gegenüber, darunter viele ausgebildete Buchhändler, die sich in Heerdt um das Versandgeschäft kümmern. Für Thomas Dohme ein weiterer Beleg dafür, „wie sehr sich die Dinge verschoben haben“.

Dass mit dem Stern-Verlag bald ein traditionsreiches Bücherhaus von der Bildfläche verschwindet, zeige laut Peter Wenning, „wie wirr die Branche mittlerweile geworden ist“. Vorteile für Goethe sieht er nicht. „Ein großer Teil der Kunden vom Stern-Verlag wird verloren gehen und aufs Internet ausweichen. Nur wenige wechseln zu einem anderen Händler.“

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