Konzert in Oberbilk Gianna Nannini: Eine Ewigjunge stürmt über die Bühne

Beim Konzert in Oberbilk begeisterte die italienische Sängerin Gianna Nannini ihre Fans.

Konzert in Oberbilk: Gianna Nannini: Eine Ewigjunge stürmt über die Bühne
Foto: Samuel Golay/dpa

Düsseldorf. Die Bühne betritt sie durch einen goldenen Vorhang. Natürlich. Schließlich ist Gianna Nannini eine Überlebende der goldenen Zeiten des Italo-Pop, die sich über nicht weniger als ein paar Jahrzehnte erstreckten. Die 60er und 70er Jahre gehörten Adriano Celentano. Die 90er waren gebongt für Eros Ramazzotti. Und die 80er waren „Bello e impossibile“, schön und unglaublich, waren Gianna durch und durch. Wobei ihr das Romantiker- und Weichspüler-Image des Eros sowie das Lausejungen-Gehabe Celentanos vollkommen abgingen.

Gianna Nannini war immer schon eine Knallharte. Eine Revoluzzerin, die mit anzüglichen Spirenzchen, dem Bekenntnis zur Bisexualität, der späten Geburt ihrer Tochter und Ätz-Sprüchen gegen Politiker für Aufsehen sorgte. Hinzu kam noch eine vermeintliche Steuerhinterziehung in Millionenhöhe. Und vor allem ein Gespür für Musik, das sie ihren Italo-Pop-Konkurrenten bis heute voraus hat, welches sie beim Auftritt vor knapp 2500 Zuschauern in der Halle an der Siegburger Straße zwei Stunden lang unter Beweis stellt.

Gianna Nannini arbeitete ja schon früh mit deutschen Musiklegenden wie Produzent Conny Plank und Can-Schlagzeuger Jaki Liebezeit zusammen. Letzteren, verstorben 2016, grüßt sie denn auch lautstark durchs Mikro, ehe sie auch nur ein Wort zu ihren Fans spricht. Ob die aber diesen „grande batterista“ kennen, ist ohnehin zweifelhaft. Denn in erster Linie kennen sie ihre „Gianna“, deren Namen sie — die Stühle noch vor dem ersten Ton zugunsten eines Stehplatzes vor der Bühne verlassend — lautstark immer wieder skandieren. Das Schwenken von italienischen Flaggen selbstverständlich inklusive.

Und die 62-Jährige gibt ihnen diese Liebe und Zuneigung zurück: Mit Kusshänden, angedeuteten Massenumarmungen und einer Agilität, die andere Menschen in den Endfünfzigern und Anfangssechzigern in rasenden Neid versetzen dürfte: Gianna Nannini rennt von hüben nach drüben. Sie fällt am Mikro auf die Knie und greint. Sie lässt ihren Körper wie bei einem epileptischen Anfall zittern und zappeln. Sie hetzt zum Keyboard und klatscht den Kopf mit ihren schweißnassen Haaren auf die Tastatur, um ein räudiges Solo zu spielen. Und sie trägt mit Wonne ihre Klassiker vor, die sie sogar bei denen berühmt und beliebt machte, die außer „Ciao“ kein italienisches Wort kennen und die der Squadra Azzurra für deren Siege gegen Deutschland bei den Fußballweltmeisterschaften 1982 und 2006 noch heute die Pest an den Hals wünschen.

Aber „I Maschi“, „Fotoromanza“, das erwähnte „Bello e impossibile“ oder natürlich „Un’estate italiana“ sind auch zu schön, zu mitreißend und zu übergroß in ihrer Hithaftigkeit als dass man Gianna Nannini dafür nicht lieben könnte. Kinder feiern im Publikum. Familien. Senioren mit Leuchtstäben in der Hand und einem seligen Lächeln im Gesicht. Deutsche und Italiener. Nebeneinander. Miteinander. Und über ihnen thront die scheinbar Ewigjunge, die die tiefen Falten im Gesicht mit ihrer Energie und der einzigartigen Reibeisenstimme, an die noch nicht mal Rod Stewart herankommt, einfach ausbügelt. „Possiamo sempre vivere“, „Wir können ewig leben“. Gianna Nannini hat einfach immer so ein bisschen recht.

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