Gewalt gegen Polizisten — das Problem nimmt zu

Immer öfter werden die Beamten zur Zielscheibe. Aber nicht nur in der Altstadt, sondern überall.

Düsseldorf. Die Polizisten sind am Samstag ganz normal zur Arbeit gegangen. Was sie nicht wussten: Für mehrere hundert Nürnberger Fans sollten sie zur Zielscheibe werden, zum Ventil für die Aggressivität zugereister Randalierer. Für die Ordnungshüter ist das fast schon Alltag: Schwere Gewalttaten gegen Polizisten haben in NRW zugenommen. Das berichtete jetzt das Innenministerium. 6000 Straftaten gegen Polizeibeamte gab es demnach 2012, 1800 von ihnen wurden im Dienst verletzt. Auch in Düsseldorf steigen die Fallzahlen. Aber: Nicht nur in der Altstadt oder rund um Fußballpartien müssen die Polizisten damit rechnen, Opfer zu werden — sondern immer und überall.

257 Fälle von Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte wurden noch 2005 gezählt — darunter fallen auch Beleidigung und körperliche Angriffe. Im vergangenen Jahr lag die Fallzahl bei 388 (2010: 302, 2011: 349). Der Trend ist eindeutig. Wie viele Düsseldorfer Polizisten im Dienst verletzt werden, darüber gibt es laut Präsidium allerdings keine detaillierten Zahlen.

Besonders in der Altstadt beklagen Polizisten seit Jahren, dass die Uniform offenbar keinen Schutz mehr bietet, sondern vielmehr Provokation für Partygäste oder Fußballfans ist. Laut Sprecherin Susanna Heusgen geschieht es regelmäßig, dass Kontrahenten, die gerade noch aufeinander losgingen, sich plötzlich verbrüdern, wenn die Polizei eingreift. „Aber es passiert auch, dass völlig Unbeteiligte meinen, sich einmischen und gefesselte Randalierer vor den Polizisten retten zu müssen — obwohl sie die Vorgeschichte gar nicht mitbekommen haben.“

Aber lange nicht immer sind die rauen Seiten der längsten Theke das Problem. „Es kann genauso bei einem Familienstreit zu Gewalt gegen Polizeibeamte kommen“, erklärt Heusgen. Wie bei einem Einsatz in Eller im vergangenen August. Ein Paar hatte über mehrere Stunden gestritten, Nachbarn riefen die Polizei. Die Beamten trafen vor Ort auf eine völlig eingeschüchterte Frau und ihre Kinder — und auf den tobenden Ehemann (34). Als sie für ihn einen Platzverweis aussprachen, stieß der Mann einen der Beamten durch eine Tür mit Glasscheibe. Er erlitt Schnittverletzungen und musste im Krankenhaus behandelt werden.

Nur wenige Tage später wurde die Polizei wieder nach Eller gerufen — kurz nach Mitternacht zu einem Streit unter Jugendlichen an der Jägerstraße. Als die Beamten die Personalien kontrollieren wollten, flüchtete ein 19-Jähriger. Ein junger Polizist (20) nahm die Verfolgung auf — und wurde von dem jungen Mann mit der Faust ins Gesicht geschlagen.

„Bei ganz alltäglichen Einsätzen, selbst bei Verkehrsunfällen, werden Polizisten unter Umständen von Gewaltexzessen überrascht“, sagt Harald Walter von der Gewerkschaft der Polizei. Gewalt gegen Polizeibeamte sei kein „Zechdelikt“, sondern vielmehr Ausdruck der „zunehmenden Verrohung der Gesellschaft“. Walter: „Der Respekt gegenüber der Uniform ist immer mehr verloren gegangen.“ Er glaubt allerdings nicht, dass die Polizei selbst gegensteuern kann. „Die Polizei kann nur mehr zum eigenen Schutz tun.“ Durch mehr Personal — in der Altstadt etwa gehen Polizisten nur noch in Kleingruppen auf Streife — oder technische Aufrüstung. So ist in Deutschland seit Jahren der Einsatz des Air Tasers, einer Elektroschockpistole, die von Spezialeinsatzkommandos schon verwendet wird, auch für den Streifendienst in der Diskussion.

Harald Walter indes wäre es lieber, wenn Kindern und Jugendlichen schon früh durch Erzieher, Lehrer und Familien Werte wie Gewaltfreiheit beigebracht würden. „Nicht die Polizei, sondern die Gesellschaft muss eine Veränderung herbeiführen und Gewaltbereitschaft stigmatisieren“, sagt er.

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