Gastbeitrag : Es gibt etwas zu feiern: Eine Liebesgeschichte mit Aufs und Abs
Düsseldorf 25 Jahre als Priester — die katholische Kirche ist dem Gastautor in dieser Zeit fremder geworden.
Es gibt etwas zu feiern: Und zwar eine Liebesgeschichte! Wann diese Liebesgeschichte begann, kann ich gar nicht genau sagen. Irgendwann schon als Kind war da eine große Vertrautheit und Nähe, so dass ich mich immer häufiger dabei ertappte, mit Gott im Gespräch zu sein, wie mit einem guten Freund. Daraus wurde mehr. Schon als Jugendlicher habe ich Gott als einen erfahren, der mich mit seinen Zuwendungen durchs Leben begleitet und bereichert. So wurde der Wunsch immer größer, andere an dieser Freude teilhaben zu lassen und sie auf ihrem Glaubensweg zu begleiten. Beim Engagement in der Kirche bin ich dort aber auch auf Ungereimtheiten gestoßen, die im Widerspruch zum Evangelium Jesu Christi stehen. Und in mir erwachte die Hoffnung, dass eine neue Generation von Priestern (und auch Bischöfen) es einmal besser machen würde. Und ich wollte dabei sein.
Kurz vor meinem Diplom in Katholischer Theologie trat eine andere Liebesgeschichte in mein Leben. Wie gerne hätte ich beide Liebesgeschichten miteinander vereinbart. Aber die Vorschriften der Katholischen Kirche zur Lebensform eines Priesters ließen das nicht zu. Also habe ich mich für die Liebesgeschichte entschieden, die schon wesentlich länger andauerte. Aus heutiger Sicht würde ich das vermutlich nicht mehr tun, denn in mir ist die Überzeugung gereift, dass es falsch ist, junge Menschen vor diese Alternative zu stellen, in der die Liebe zu Gott in einer Art Konkurrenzverhältnis zur Liebe eines Menschen erscheint. Die Kirche müsste nicht derart personell leerbluten, wie sie es seit Jahrzehnten tut.
Am 23. Juni 1995 empfing ich im Kölner Dom die Priesterweihe. Das heißt: Ich feiere mein silbernes Priesterjubiläum. Und ich feiere es mit gemischten Gefühlen. Einerseits ist es mein Geliebter Jesus Christus wert, dass ich mit ihm dieses Jubiläum feiere, in großer Dankbarkeit für die gemeinsamen Jahre in Liebe und Treue, in denen wir mit allem Auf und Ab füreinander da sind. Wie oft habe ich sein befreiendes Wirken erlebt und seine Wandlungskraft gespürt. Der Psalmvers auf der Rückseite meines Primizbildes bringt diese Erfahrung auf den Punkt: „Du hast mein Klagen in Tanzen verwandelt, hast mir das Trauergewand ausgezogen und mich mit Freude umgürtet.“ (Psalm 30,12). Über die Jahre durfte ich bei einigen Gläubigen solche Wandlungswege und auch Befreiungsgeschichten miterleben und begleiten, immer mit ehrfürchtigem Staunen davor, dass dabei das Wesentliche nicht durch mich geschieht, sondern durch Gott: Er macht’s – nicht ich.
Andererseits hat sich die katholische Kirche in diesen 25 Jahren in einer Weise entwickelt, die mir immer fremder wird, so dass mir gar nicht so richtig zum Feiern zumute ist. Wieviel Hoffnungen, die ich in eine weltoffene Entwicklung der Kirche gesetzt habe, sind enttäuscht worden? In der Leitungsebene der katholischen Kirche haben sich mit einigen Ausnahmen doch eher jene Seilschaften eingenistet, bei denen Linientreue zum entscheidenden Auswahlkriterium wurde. Daher bilden diese schon lange nicht mehr die breite und bunte Vielfalt des Volkes Gottes ab und schon gar nicht die große Vielfalt an Kompetenzen, die es braucht. Eine Erfahrung trägt mich durch alle die Jahre hindurch: Es ist die Erfahrung, dass die Liebesgeschichte zwischen Gott und Mensch weitaus stärker und größer ist, als die Probleme, die uns einige Amtsträger in der Kirche bereiten.
Auf meinem Primizbild ist der „Spielmann Gottes“ von Ernst Alt zu sehen: Ein urwüchsiger Franziskus tanzt zu der Musik, die er mit zwei Zweigen in der Hand wie auf einer Geige aufspielt. So ein Spielmann Gottes zu sein, das ist meine Berufung. Es ist mein sehnlichster Wunsch, die Melodie Gottes so in mich aufzunehmen, dass sie durch mich hindurchklingt und andere in Schwingung bringt. Und ich bin zutiefst dankbar, dass mir dies in den 25 Jahren das eine oder andere Mal gelungen ist.