Fünf Jahre nach dem Mord: Eine Mutter will Antworten

Vor fünf Jahren wurde Susanne Lucan ermordet. Ihre Mutter Inge Meuter lebt seither mit der Frage: Warum?

Düsseldorf. Es war für Inge Meuter das fünfte Weihnachtsfest ohne ihre Tochter Susanne. Obwohl das eigentlich nicht stimmt. Schließlich hatte Susanne schon seit Jahren die Feiertage immer bei der Familie ihres Freundes verbracht.

Bei dem Mann, der sie in der Nacht zum 20. November 2004 brutal erschlagen haben soll. Bei dem Mann, den Inge Meuter geliebt hat wie einen Sohn.

Neun Jahre waren Susanne und der damals 30-Jährige zusammen. Das letzte dieser Jahre war schwierig gewesen, der Freund litt angeblich unter Depressionen. Doch es schien bergauf zu gehen. Gerade hatte das Paar einen Kurzurlaub gemeinsam verbracht.

Am Abend vor Susannes Tod gingen sie schick beim Griechen essen, stießen auf ihren 27. Geburtstag an. Er brachte sie nach Hause, ins Bett, deckte sie zu. Dann verließ er nach eigener Aussage die Wohnung.

Am nächsten Abend warteten die Freunde von Susanne vor der Tür. Ihr Geburtstag sollte mit einer großen Party gefeiert werden. Doch die junge Frau öffnete nicht. Die Feuerwehr brach schließlich die Tür auf und fand die Leiche Susanne Lucans auf dem Bett - das Gesicht zertrümmert, die Wände voll Blut. Unter den geschockten Partygästen war auch ihr Freund.

Inge Meuter war zu diesem Zeitpunkt gerade im Urlaub auf Djerba. Sie erinnert sich exakt an jenen Morgen, als ihr Handy klingelte. "Ich kam gerade beim Liegestuhl an und habe mein Handtuch hingelegt", sagt die 62-Jährige.

Ihr Bruder war dran, wollte Inges Freundin sprechen. "Ich dachte, er will mit ihr flirten." Inge Meuter riss das Handy wieder an sich und hielt es gerade in dem Augenblick ans Ohr, als von weit her die Worte kamen: "Susanne ist tot." "Ich dachte, das geht doch gar nicht." Sie nestelt an ihrem Schal herum, als sie erzählt, zuckt mit den Schultern. "Es geht bis heute nicht."

Geweint hat Inge Meuter nicht um ihre Tochter. In fünf Jahren nicht eine Träne, sagt sie. "Wenn ich nicht weine, dann stimmt es nicht." Das hat sie sich damals gesagt. "Bei der Beerdigung bin ich hinter dem Sarg hergelaufen wie eine Aufziehpuppe."

Und sie habe ja stark sein wollen, um Susannes Freund zu stützen. Dem sei es nach der Tat so schlecht gegangen. Er habe sich auf dem Friedhof auf den Sarg geworfen, geweint, gerufen: "Schlaf gut, mein Schatz." Es sei so dramatisch gewesen. Wochen später gestand er Inge Meuter an Susannes Grab, dass er schon seit einem Jahr eine neue Freundin hatte.

Die Polizei hat die Akte Susanne Lucan inzwischen der Staatsanwaltschaft übergeben. Für die Ermittler der Mordkommission ist der Fall geklärt: Der Täter war der Freund. Inge Meuter kann es bis heute nicht glauben.

"So ein Feiner" sei er gewesen. Keinen Fleck auf dem Hemd habe er ertragen. Und dann eine solche Bluttat ...? Er, der früher mit Susanne schon in deren Kinderzimmer übernachtet hatte, der immer an ihrem Frühstückstisch saß.

Zum Geburtstag hatte er Susanne noch edle Gläser für 800 Euro geschenkt. Macht so etwas jemand, der mordet?

Seit fünf Jahren geht Inge Meuter in Gedanken diese letzten Tage im Leben ihrer Tochter durch, analysiert jede Regung, die es damals zwischen ihr und dem Freund gab.

Sie erinnert jedes Detail. Als hätten sich die Bilder von Susannes Wohnung in ihr Gehirn gebrannt, SMS-Texte, Dialoge am Telefon, Wort für Wort. Sie tut nichts anderes, als nach der Antwort auf die Frage zu suchen: Warum?

Nachts schreckt sie noch immer hoch, weil sie glaubt, das eine, das entscheidende Puzzleteil sei ihr endlich eingefallen. Das winzige Hinweisschild auf den Täter, das sie seit fünf Jahren übersieht. "Ich will nur wissen, was passiert ist", sagt die 62-Jährige. "Keine Rache. Das ist alles egal. Sie kommt ja doch nicht wieder."

Inge Meuter ist so stark, wie sie leer ist. Zwei Monate nach der Tat räumte sie selbst Susannes Wohnung aus. Zog das blutige Bett ab. Begreiflicher geworden ist der Tod ihrer Tochter deshalb nicht. Vier bis sechs Mal im Jahr fährt Inge Meuter wieder nach Djerba. In das Hotel, in dem sie damals den Anruf erhielt. Sitzt wieder in diesem Liegestuhl. Wartet darauf, aufzuwachen.

Arbeiten kann sie längst nicht mehr. Die Leitung des Familienunternehmens hat sie abgegeben. "Ich hätte mich damals wohl zwingen müssen weiterzumachen", überlegt sie.

"So sitze ich jeden Morgen auf dem Bett und denke: Ja, nu ..." Seit fünf Jahren jeden Morgen. Inge Meuters treibt nur noch die Hoffnung an, eines Tages Klarheit zu erlangen. Dass sie je Frieden finden wird, von dieser Idee hat sie sich ohnehin lange verabschiedet.

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