Schulprojekt Football-Team Typhoons am Fliedner-Gymnasium: „Die Jungs merken, dass sie etwas Besonderes sind”

Vor zehn Jahren fand der erste Kick-Off statt. Die TFG Typhoons sind eine American Football-Schulmannschaft und spielen in der regulären Liga von Vereinsmannschaften. Ein Projekt, das einzigartig ist — und es wohl bleiben wird.

Schulprojekt: Football-Team Typhoons am Fliedner-Gymnasium: „Die Jungs merken, dass sie etwas Besonderes sind”
Foto: Susanne Paprotny/Michael Pfaff

Düsseldorf. Das Theodor-Fliedner-Gymnasium in Düsseldorf hat eine American Football-Mannschaft, die TFG Typhoons. Das Team spielt in der höchsten Klasse der German Football League Juniors. In Deutschland ist das einmalig. Daran wird sich wohl auch nichts ändern.

Schulprojekt: Football-Team Typhoons am Fliedner-Gymnasium: „Die Jungs merken, dass sie etwas Besonderes sind”
Foto: Susanne Paprotny/Michael Pfaff

Zusammengefasst geht die Erfolgsgeschichte der Football-Mannschaft des Gymnasiums so: Ein junger Mann verbringt ein Jahr in Amerika an einer High-School und lernt das Modell „Sport an amerikanischen Schulen” kennen. Später dann studiert er Sport und Englisch, kommt als Junglehrer ans Theodor-Fliedner-Gymnasium, möchte die Idee „Sport, der über das übliche Maß hinausgeht” am Fliedner-Gymnasium etablieren. Der Direktor gibt grünes Licht; genug Schüler, um eine Football-Mannschaft aufzustellen, kann der neue Lehrer begeistern, und seit der Saison 2007 nehmen die TFG Typhoons am regulären Ligaspielbetrieb von Vereinsmannschaften teil.

TFG Typhoons: American Football am Fliedner-Gymnasium
15 Bilder

TFG Typhoons: American Football am Fliedner-Gymnasium

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Jens Ruffert, 45 Jahre, ist der besagte Lehrer, der die TFG Typhoons ins Leben gerufen hat. Es war nicht die Sportart, die er aus den USA mitbrachte, sondern die Idee des High-School-Sports. In Amerika spielt Sport an Schulen eine große Rolle. Er wird wettkampfmäßig betrieben, die Identifikation mit der Schule wird gestärkt, Disziplin, Ausdauer, Motivation, Ehrgeiz werden gefördert, sagt Ruffert. Für den Sport- und Englischlehrer hat der Sport eine wertvolle pädagogische Aufgabe: „Es geht im Sport immer um die gleichen Werte, die ja auch der Sportunterricht mit transportiert: Fairness und Respekt.”

Dass Ruffert, der American Football erst an der Universität richtig kennengelernt hat, diesen Sport als Teamsport wählte, hat einen einfachen Grund: „Durch das Einbringen einer neuen Sportart kann ich in unserer Schule eine ganz eigene Kultur schaffen. Würde ich das Projekt mit Fußball machen, dann würden mir nach einiger Zeit einige Schüler sagen: „mein Vereinstrainer sagt mir das aber ganz anders“.”

Zudem ist American Football ein sehr integrativer Sport, in dem jeder seine Position finden kann, egal ob groß, klein, dick oder dünn. Es wird kein bestimmter Typus gesucht, wie in anderen Sportarten, sei es nun Basketball, Turnen oder beispielsweise in der Leichtathletik.

Ruffert stellte 2005 seine Idee den Schülern vor. Dazu machte er eine Umfrage, ging in die Klassen, stellte das Projekt kurz vor und lud die Schüler — 300 Jungs kamen dafür in Frage —, in die Schulaula ein. 130 kamen dann zu der Veranstaltung. Ruffert präsentierte mit Beamer dort ausführlich seine Idee, wohin sie führen sollte und stellte das Einmalige dieses Schulprojekts heraus. „Das hat die Jungs begeistert”, erzählt Ruffert. Am Ende hatte er 30-35 Schüler, also eine Mannschaft zusammen. Mit drei weiteren Trainern — alles ehemalige Studien- und Sportkollegen von Ruffert — wurde erst einmal eineinhalb Jahre trainiert, bevor der eigentliche Spielbetrieb los ging. 2007 startete das Projekt dann richtig durch.

Bedenken der Eltern, dass der Sport besonders verletzungsanfällig sei , konnte der Lehrer zerstreuen. „Wenn beim Tackle die Schutzmonturen aufeinander knallen, klingt das natürlich spektakulär , aber bei jedem Sport kann es Verletzungen geben. Zudem ist ein Sportler in der Regel weniger verletzungsanfällig, je besser er trainiert ist — darauf legen wir großen Wert”, erklärt Ruffert.

Das Projekt vereine den Schulsport und den Wettkampfsport im Verein. „Die Schüler identifizieren sich mit der Schule — die Mannschaft wird als Schulmannschaft wahrgenommen —, aber sie sind im offiziellen Wettkampfgeschehen drin, und sie merken, dass sie etwas Besonderes sind”, sagt der 45-jährige Pädagoge.

Im Jahr 2008 starteten die Typhoons in der Aufbauliga einen Durchmarsch durch sämtliche Ligen des Landesverbandes AFCV/NRW. 2011 waren die Typhoons dann in der Junioren-Bundesliga angelangt. Es folgte das Lehrjahr der erfolgsverwöhnten Mannschaft. Als Tabellenletzter ohne Sieg ging es 2012 wieder zurück in die Regionalliga. 2013 kam der Erfolg zurück, auf den Bundesligaaufstieg wurde aber zweimal verzichtet. Noch war man nicht bereit dazu. Jetzt, 2017, spielen die Typhoons wieder in der höchsten Klasse und wollen dort bleiben.

„Geplant war der Erfolg so eigentlich nicht”, sagt Ruffert, „der pädagogische Aspekt stand und steht im Vordergrund. Aber die kontinuierliche Arbeit von Schülern, Trainern und Eltern hat am Ende fast zwangsläufig dazu geführt. Der steigende Erfolg übt auf die Jungs einen Reiz aus. Der Leistungsanspruch steigt und dann wird auch mehr investiert in den Sport.”

Am Ende sei es vor allem der Teamgeist, der die Jungs begeistert. Einmal im Jahr macht der Lehrer eine Rückmeldeumfrage. Auf die Frage „Warum spielst du Football?” ist die meist gegebene Antwort: wegen der Gemeinschaft.

Einige Schüler spielen nach dem Abitur, wenn sie das Schul-Team verlassen, noch weiter Football. Sie wechseln dann in die Vereine, manche mit großem Erfolg. So war Hannes Irmer, der in der Gründungsmannschaft 2005 anfing, später in der Nationalmannschaft. Er war dort Kapitän und wurde zweimal Europameister (2010 und 2015) mit dem deutschen Team. Heute hat der Ex-Fliedner-Schüler, der inzwischen als Chirurg arbeitet, aber keine Zeit mehr für den Wettkampfsport.

Mädchen kommen in dem Projekt am Fliedner-Gymnasium allerdings nicht vor. Zwar gäbe es manchmal Anfragen von Schülerinnen, aber spätestens, wenn es dann vom Flag-Football (siehe Kasten) zur härteren Variante, dem Tackle-Football geht, können die Mädchen und Jungs in gemischten Mannschaften nicht mehr zusammen trainieren. Ein vergleichbares anderes Angebot für Schülerinnen gibt es ebenso nicht.

Ruffert sieht bei den Jungs größeren Bedarf. Zudem käme die häufig musische Ausrichtung von Schulen Mädchen ohnehin meist mehr entgegen als Jungs. „Football ist auch nicht für jeden Jungen etwas, sondern eher für die ‚etwas wilderen‘ bewegungsfreudigen, unruhigen — genau diese Jungs finden aber in der Regel in unserem Bildungssystem am wenigsten Angebote, die zu ihnen passen bzw. andersrum. Sie haben es aber am nötigsten — deswegen habe ich mir dieses Feld ausgesucht”, erklärt Ruffert sein Engagement für die Jungs.,„Entscheidend ist, dass ich zu den oben beschriebenen Jungen einen Zugang finde, durch den ich pädagogisch auf sie einwirken kann.”

Mittlerweile ist die Schulmannschaft professionell aufgestellt. Der Trainerstab ist auf fast 30 Mann angewachsen und es wurde eine U16-Mannschaft gegründet, um den Jungen eine durchgehende, die Schullaufbahn begleitende Sportausbildung zu ermöglichen. Dass damit auch für den schulintern ausgebildeten Nachwuchs für die Jugendbundesligamannschaft der U19 gesorgt wird, ist ein positiver Nebeneffekt. Im Hintergrund agiert ein ganzer Stab von ehrenamtlichen Helfern. „Im Laufe der Zeit traf ich auf die richtigen Leute”, sagt Ruffert.

Eltern von aktiven und ehemaligen Schülern organisieren den Betrieb. Fahrdienste, Wäsche waschen, Sponsoring und Spendengelder sammeln, Merchandising, Catering während der Ligaspiele. Das ist mit viel Zeit und Idealismus verbunden. Weshalb so ein Projekt an Schulen wohl eher die Ausnahme bleiben wird. An anderen Schulen in Deutschland gab es zwar immer wieder Versuche, ein American Football-Team aufzustellen, allerdings mit wenig Erfolg. Ausnahme sind die Fulda Colts, die immerhin in der Jugendoberliga Hessen seit 2009 spielen.

Ruffert sieht in langfristig angelegter Projektarbeit, egal welcher Art, das größte Entwicklungspotential von Schulen, um nachhaltig positiv die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu beeinflussen. „Wenn nicht die entsprechende Förderung bereitgestellt wird, werden sich nur wenige finden, die sich solch eine Zusatzbelastung ans Bein binden, denn der Hauptanteil der aufgewendeten Zeit ist ehrenamtliches Engagement”, betont Ruffert.

Ob eine solche Förderung an Schulen bereitgestellt wird, ist die Frage. Wahrscheinlicher ist, dass die TFG Typhoons sich wohl auch in Zukunft weiterhin den Titel „Einzige Schulmannschaft in der German Football League Juniors“ auf die Fahne schreiben können.

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