Finanzen Oberbürgermeister kritisieren Bund und Land

Düsseldorf · Stadtchefs fordern schnelle Lösung für Altschulden und eine eigenständige finanzielle Grundlage.

 Die Diskussions-Teilnehmer (v.l.): Stefan Wittstock (Verdi), Andreas Mucke (OB Wuppertal), Tim Kurzbach (OB Solingen), Doro Blome-Müller (Moderatorin), Birgit Alkenings (Bürgermeisterin Hilden), Burkhard Mast-Weisz (OB Remscheid), Thomas Geisel (OB Düsseldorf), Stephanie Peifer (Verdi).

Die Diskussions-Teilnehmer (v.l.): Stefan Wittstock (Verdi), Andreas Mucke (OB Wuppertal), Tim Kurzbach (OB Solingen), Doro Blome-Müller (Moderatorin), Birgit Alkenings (Bürgermeisterin Hilden), Burkhard Mast-Weisz (OB Remscheid), Thomas Geisel (OB Düsseldorf), Stephanie Peifer (Verdi).

Foto: Judith Michaelis

So viel Einigkeit ist selten bei einer politischen Podiumsdiskussion, doch wirklich überraschend war das nun auch wieder nicht. Vier Oberbürgermeister und eine Bürgermeisterin hatte der Verdi-Bezirk Düssel-Rhein-Wupper am Samstag nach Düsseldorf eingeladen, um die Themen für die Kommunalwahl am 13. September 2020 abzuklopfen. Und sie alle sind nicht nur mit einem SPD-Parteibuch ausgestattet, sondern Mitglied der Gewerkschaft. So folgte eine Abrechnung mit dem Leitbild „Privat vor Staat“, im munteren Wechsel vorgetragen von Thomas Geisel (Düsseldorf), Andreas Mucke (Wuppertal), Tim Kurzbach (Solingen), Burkhard Mast-Weisz (Remscheid) und Birgit Alkenings (Hilden). Sie forderten zudem mehr Hilfe für die Kommunen von Bund und Land.

Als „Irrweg“ bezeichnete Geisel den genannten Slogan, der in viele Fällen sogar unwirtschaftlich sei. Mucke ergänzte, dass das Prinzip der Gewinnmaximierung auf Kosten der Bürger gehe. Geisel nannte als Beispiel den Entsorgungsdienstleister Awista. „Dass hier 16 Prozent Umsatzrendite erwirtschaftet werden müssen, ist den Gebührenzahlern nur schwer zu erklären.“ Auch den Verkauf der Stadtwerke-Anteile bezeichnete er als Fehler. Abgesehen von mangelndem Einfluss auf die Daseinsvorsorge verwies er auf sechs bis sieben Millionen Euro Steuerverlust im Jahr, da nicht mit anderen Stadttöchtern wie der defizitären Rheinbahn verrechnet werden könne.

Mucke verwies zudem darauf, dass kommunale Betriebe bessere Arbeitsbedingungen böten. Er sei für Wuppertal froh, dass die Wohnungsbaugesellschaft gerettet werden konnte. Auch Alkenings betonte, wie wichtig die Rekommunalisierung der Stadtwerke in Hilden gewesen sei. Stefan Wittstock, Vorsitzender des Verdi-Bezirksvorstandes, sagte grundsätzlich: „Dieser Trend ist ein Gewinn für die ganze Gesellschaft.“

Was durch Privatisierungen geschehen könne, ist laut Mucke an den Helios-Klinik in Wuppertal abzulesen. Hier sei aufgrund von Misswirtschaft ein Verkauf nötig gewesen. Folge: „Das Tarifrecht wurde beschnitten, die Qualität ging in die Knie.“ Wittstock sprach sogar von einer „Gewinnmaschine mit angeschlossenem Krankenhaus“.

Bezeichnend: Nur ein OB in der Runde hat noch ein kommunales Krankenhaus in der Stadt, der Solinger OB Kurzbach. Und das kämpft aufgrund großer wirtschaftlicher Sorgen ums Überleben. „Das zu sichern, ist mein wichtigstes kommunalpolitisches Ziel.“ Doch so sehr die Stadtchefs die Daseinsvorsorge als wichtigste Aufgabe begreifen, so begrenzt sind oft die Mittel, sie ausreichend wahrzunehmen. Mast-Weisz erinnert an die Bankenkrise und die Milliardenhilfe vom Bund mit Hinweis auf die Systemrelevanz der Institute. „Sind die Kommunen etwa nicht systemrelevant?“

So forderten die OBs eine schnelle Lösung für die Altschulden, auf die sich Bund und Länder noch nicht einigen konnten. Geisel betonte allerdings, dass es noch wichtiger sei, die Kommunen „auf eine eigenständige finanzielle Grundlage zu stellen“ und die Ursachen für die Verschuldung zu beseitigen. Zu oft müssten Städte wie bei den Flüchtlingen die Probleme des Bundes lösen, aber selber zahlen.

Mucke beschrieb es als grotesk, dass mehr Geld in Rüstung gesteckt würde, aber nicht in Bildung und (soziale) Infrastruktur. Zudem gebe es gut gemeinte Ansätze vom Bund, die die Städte in Wahrheit zusätzlich belasteten. Alkenings nannte etwa das Bundesteilhabegesetz, das Verbesserungen für Menschen mit Behinderungen vorsieht.

Doch nicht nur Bund und Land standen in der Kritik, sondern auch Monheim und Leverkusen für die Senkung der Gewerbesteuer. „Wir müssen mit einer Stimme sprechen“, sagte Mucke. Geisel ergänzte: „Es kann nicht sein, dass der belohnt wird, der zuerst die Solidarität aufkündigt.“ Aus Sicht von Mast-Weisz sei ein solcher Wettkampf der Kommunen katastrophal. „Wir dürfen uns nicht die Firmensitze klauen.“

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