Interview mit Manfred Neuenhaus Düsseldorfer FDP-Fraktionschef: „Wir setzen bei der OB-Wahl nicht auf Platz, sondern auf Sieg“

Düsseldorf · FDP-Fraktionschef Manfred Neuenhaus spricht im Sommerinterview über seine Wahlziele 2020, warum die FDP in Düsseldorf beim Klimaschutz Vorreiter gewesen sei, was bei Verkehr und Wohnen passieren muss – und wie er die Bilanz von OB Geisel sieht.

 Manfred Neuenhaus ist FDP-Fraktionschef in Düsseldorf.

Manfred Neuenhaus ist FDP-Fraktionschef in Düsseldorf.

Foto: Bernd Schaller/BErnd Schaller

Herr Neuenhaus, Sie haben sich im Rathaus längst den Ruf eines Vordenkers erworben. Beschleicht Sie und Ihre FDP derzeit nicht das Gefühl, beim großen Thema Klimaschutz ein Nachzügler zu sein?

Manfred Neuenhaus: Nein. Ich kann für uns in Düsseldorf in Anspruch nehmen, dass wir das Thema Luftreinhaltung früh aufgenommen und befördert haben. Es war letztlich die FDP, die 2007 den Bau eines großen Kohlekraftwerkes an der Lausward gegen viele Widerstände verhindert hat. CDU, Stadtwerke, Landesregierung – eigentlich alle setzten auf Kohle. Rot-Grün im Land hat ja bis zum Schluss den Kohleausstieg nicht geschafft. Jetzt haben wir in Düsseldorf das modernste Gaskraftwerk der Welt – und sind alle stolz darauf.

Mit Verlaub: Die FDP als Vorreiter für den Klimaschutz, da staunt man.

Neuenhaus: Wir tragen dieses Thema nicht wie eine große Sonnenblume vor uns her, aber uns geht es immer um die Lebensqualität in der Stadt. Was sind denn die großen Hebel für den Klimaschutz in einer Kommune? Doch vor allem die Energieversorgung und der Verkehr. Beim Thema Verkehr kämpfe ich hier in Düsseldorf – gewiss eher untypisch für die FDP – seit Jahren für einen Ausbau des Schienenverkehrs, zum Beispiel für die U81 zum Flughafen. Auch den Versuch Umweltspuren einzurichten, nach Berliner Vorbild für Radfahrer, Busse, E-Autos und Fahrzeuge mit drei und mehr Insassen auf einer Spur, haben wir in der Ampel als Alternative zu Busspuren oder Radwegen auf den Weg gebracht. Wir wollen eine nachhaltige Verkehrspolitik mit einer Vernetzung des Individualverkehrs und des öffentlichen Personennahverkehrs, den wirklich großen Wurf, kein Klein-Klein.

Sie wollen aber keine Reglementierungen und Verbote. Nur, immer mehr Leute kaufen sich gegen jede Vernunft einen SUV, gerade in Düsseldorf, es wird immer mehr geflogen. Wie soll sich das ändern?

Neuenhaus: Es ist klar, dass wir nicht einfach so weiter leben, uns einfach weiter für jeden kleinen Weg zum Bäcker und dann auch noch alleine ins Auto setzen können. Aber man muss die Leute mitnehmen, mit bloßen Vorschriften wird man nicht viel erreichen. Um zu weniger Autofahrten zu kommen, muss der ÖPNV einfach viel besser werden. OB Geisel ist 2014 mit dem Versprechen einer echten Verkehrswende angetreten, tatsächlich ist da unterm Strich nichts passiert. Gar nichts.

Ein sehr hartes Urteil. Die Rheinbahn schafft doch neue Bahnen an und hat auch den Takt teilweise erweitert.

Neuenhaus: Das reicht hinten und vorne nicht, wir brauchen hier ein viel höheres Tempo beim Ausbau der Rheinbahnleistungen. Obwohl die Einwohnerzahl stetig zunimmt, hat die Rheinbahn kaum Kunden gewonnen. Düsseldorf müsste als ersten Schritt die ÖPNV-Kapazitäten um mindestens 30 Prozent erweitern, dafür brauchen wir deutlich mehr zusätzliche Straßenbahnen, es reicht eben nicht, nur die alten zu ersetzen. Mit zusätzlichen Fahrzeugen könnten wir die Kapazität und auch die Zuverlässigkeit bei der Rheinbahn erhöhen. In der Rushhour fährt sie auf einigen Stadtbahnlinien längst am Limit.

Wann verkünden Sie denn nun, dass Marie-Agnes Strack-Zimmermann die OB-Kandidatin der FDP 2020 wird?

Neuenhaus: Sie müssen sich nicht mehr lange gedulden. Ende September wird die Partei entscheiden, wer unsere Oberbürgermeisterkanidatin oder unser Kandidat wird. Und auch wenn es für manche erstaunlich klingen mag: Wir setzen bei der OB-Wahl nicht auf Platz, sondern auf Sieg. Denn wir wollen den Wechsel an der Stadtspitze.

Das klingt in der Tat reichlich selbstbewusst. Woher nehmen Sie diesen Optimismus?

Neuenhaus: Nun, zunächst einmal erzielen wir als FDP regelmäßig in Düsseldorf unsere bundesweit besten Ergebnisse. Zudem ist die OB-Wahl in Großstädten eine echte Persönlichkeitswahl – und ich bin sicher, dass wir da sehr gut aufgestellt sein werden. Amtsinhaber Geisel wiederum ist längst nicht so beliebt, wie er selbst womöglich glaubt. Er ist 2020 schlagbar, seine politische Bilanz sehr überschaubar. Für uns bietet sich insofern eine Chance, wie es sie in den letzten 60 Jahren nicht gegeben hat.

Die FDP regiert die Landeshauptstadt?

Neuenhaus: Klingt das größenwahnsinnig? Ich finde nicht. Wir regieren seit 20 Jahren mit unterschiedlichen Partnern in Düsseldorf und die Lebensqualität ist spürbar gestiegen. Wir können das. Und jetzt wünsche ich mir einfach mal noch mehr liberale Gestaltungsmöglichkeiten für Düsseldorf.

Und im Rat, streben Sie da eine Rückkehr zu Schwarz-Gelb an oder möchten Sie die Ampel konservieren?

Neuenhaus: Die Ampel mit SPD und Grünen hat jetzt fünf Jahre lang allen Unkenrufen zum Trotz sehr gut funktioniert, politisch und menschlich – und auch noch Spaß gemacht. Aber welche Parteien dann 2020 wie abschneiden, ist völlig offen. Jeder kämpft für sich um jeden Prozentpunkt und jede Stimme, dann wird man sehen, was geht.

Sind sie neidisch auf den Höhenflug der Grünen?

Neuenhaus: Die letzte Europawahl ist sicher nicht der Maßstab. Wahlentscheidungen werden immer öfter Ad-hoc-Entscheidungen, prinzipiell löst sich die Parteibindung der Wählerinnen und Wähler weiter auf. Da können die schönsten 30 Prozent schnell auf acht oder zehn zusammenschmelzen. Als FDP haben wir beides oft genug erlebt – den Höhenrausch und die Angst vor dem Absturz. Insofern kann ich die aktuelle Gemütslage beider Koalitionspartner gut nachvollziehen. da ist kein Platz für Neid.

Zurück zur Sachpolitik: Klima und Verkehr hatten wir, bleibt das dritte große Thema: Wohnen. Der Markt allein kann es nicht richten, oder?

Neuenhaus: Nein. Wir greifen bekanntlich ungern in Märkte ein, doch auf dem Wohnungsmarkt geht es zurzeit nicht anders. Ja, wir müssen in Düsseldorf bauen, aber wir brauchen die richtige Baupolitik. Der OB will wie wir mehr Tempo beim Bauen, seine Politik geht jedoch in die falsche Richtung. Die Stadt soll wachsen, wachsen, wachsen, er baut vor allem für gut situierte Leute, die von außerhalb nach Düsseldorf ziehen. Dadurch wird viel zu wenig für die jungen Leute getan, die schon hier leben, denen aber die Verdrängung droht: Studenten, Auszubildende, Berufsanfänger, insbesondere im Dienstleistungssektor von der Krankenschwester über den Koch bis zum Busfahrer. Dieser Mangel an preiswerten Wohnungen treibt die jungen Menschen ebenso wie ihre Eltern um. Ich möchte die jungen Menschen aber unbedingt in der Stadt halten. Dafür brauchen wir 5000 bis 6000 entsprechend preiswerte Wohnungen.

Wie sollen die denn entstehen?

Neuenhaus: Zum Beispiel mit einem Genossenschaftsmodell, wo wir als Stadt Grundstücke zur Verfügung stellen, auf denen dann Wohnungen zu einem bezahlbaren Festpreis gebaut werden, eventuell muss die Stadt da auch direkt subventionieren.

Dennoch wird die Stadt auch weiter wachsen müssen, oder?

Neuenhaus: Ja – aber viel geregelter und vorsichtiger. Die Infrastruktur ächzt doch schon jetzt unter den 640 000 Einwohnern. Was für uns überhaupt nicht in Frage kommt, ist, Frei- und Grünflächen am Stadtrand zuzubauen. Wir wollen auf keinen Fall, dass noch eine langweilige Null-Acht-Fünfzehn-Siedlung für 500 Neubürger auf die grüne Wiese gesetzt wird, die dann vor allem dazu beiträgt, die Lebensqualität und den Charme von Düsseldorf insgesamt zu ruinieren. Es gibt genug schlechte Beispiele. Gute Politik kümmert sich zuerst um die Menschen, die schon in Düsseldorf wohnen.

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