Altern unterm Regenbogen Fachstelle hilft „queeren Senioren“

Düsseldorf · Drei Düsseldorfer Träger kooperieren – Ziel ist es, zu sensibilisieren und Raum für nicht heterosexuelle Senioren zu schaffen.

 Der Lenkungskreis der Fachstelle „Altern unterm Regenbogen“ : Inka Wilhelm, Peter von der Forst, Eva Bujny, Bernd Plöger, Eva Inderfurth, Marion Warden und Falk Adam (v.l.n.r.)

Der Lenkungskreis der Fachstelle „Altern unterm Regenbogen“ : Inka Wilhelm, Peter von der Forst, Eva Bujny, Bernd Plöger, Eva Inderfurth, Marion Warden und Falk Adam (v.l.n.r.)

Foto: AWO Kreisverband Düsseldorf/Wolfgang Schmalz

Derzeit leben in Düsseldorf etwa 12400 Personen über 50 Jahren mit gleichgeschlechtlicher Orientierung. Dazu kommt eine unbekannte Zahl von Trans- und Inter-Personen. Trotzdem sind die meisten Angebote für Älterwerdende noch immer heterosexuell geprägt. Nicht selten fühlen sich Menschen mit anderer sexueller Orientierung dort nicht willkommen oder befürchten Ausgrenzung – denn bei vielen gehören Diskriminierungserfahrungen zu ihrer Lebensgeschichte. Die neue Fachstelle „Altern unterm Regenbogen“ will das ändern.

Dort arbeiten drei Düsseldorfer Träger gemeinsam. Nachdem Arbeiterwohlfahrt (Awo), Frauenberatungsstelle und Aidshilfe schon Ende 2018 ein Beratungsangebot für ältere LSBTI*-Menschen – also lesbische, schwule, bi-, trans- und intersexuelle – von der Stadt gefordert haben, kam die Idee auf, die Anträge zusammenzulegen. Mit je einer halben Stelle ziehen die drei Einrichtungen nun gemeinsam an einem Strang.

Und das hat viele Vorteile. Denn jede der Stellen kennt die eigene Zielgruppe und kann durch die Zusammenarbeit auch von dem Wissen der anderen profitieren. „Außerdem haben alle drei Einrichtungen unterschiedliche Perspektiven auf die Lage“, sagt Inka Wilhelm, die von der Frauenberatungsstelle für die neue Fachstelle im Einsatz ist. Ihr Blick ist besonders auf lesbische, bisexuelle und frauenliebende Frauen gerichtet. Die Awo bringt vor allem den Zugang und das Wissen rund ums Älterwerden mit ein. Die Aidshilfe dagegen hat mehr die Belange der schwulen und bisexuellen Männer im Auge – allerdings ist diese Stelle momentan vakant, eine Nachfolge wird gesucht. Die Fachstelle selbst ist keine Beratungsstelle – dadurch, dass sie aber in den drei Einrichtungen angesiedelt ist, können deren Beratungen schnell in Kontakt treten.

„Ein wichtiges Ziel ist es, die Vereinsamung der älteren LSBTI*-Personen zu minimieren“, sagt Bernd Plöger von der Awo. Einsamkeit ist zwar für alle Senioren ein Thema – bei dieser Personengruppe hat diese aber oft auch einen anderen Hintergrund. „Viele haben enorme Diskriminierung und Gewalterfahrungen gemacht und haben Angst, diese wiederzuerleben“, sagt Inka Wilhelm. Unter den Älteren seien auch noch Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung ins Gefängnis mussten, denen wegen ihres Schwul- oder Lesbischseins das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen wurde – oder deren Familie mit ihnen gebrochen hat.

Die Fachstelle hat sich deshalb mehrere grundsätzliche Ziele gesetzt. Zum einen will sie die queere Community über 55 Jahren stärken. Außerdem sollen Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen mehr für das Thema sensibilisiert werden. Und zum anderen soll es auch in den Quartieren mehr Veranstaltungen geben, die sich entweder ausschließlich an queere Senioren richten – oder ganz ausdrücklich offen für diese sind. Ein Instrument dafür sind etwa die Zentren plus, von denen es mittlerweile 32 im ganzen Stadtgebiet gibt.

Schon jetzt gibt es dort Gruppenangebote, wie Spielenachmittage oder Kegeln oder auch eine schwule Tanzgruppe, die sich regelmäßig trifft. Und viele der Senioren, die dort hingehen, seien auch jetzt schon offen. „Wichtig ist bei der Arbeit, die Offenheit auch nach außen zu demonstrieren“, sagt Bernd Plöger. Etwa zu vermitteln, dass in den Einrichtungen oder bei Veranstaltungen alle willkommen sind – und auch LSBTI*-Senioren sich dort wohlfühlen können.

Doch nicht nur im gesellschaftlichen – auch im gesundheitlichen Bereich kann die sexuelle Orientierung für Senioren zum Thema werden. Denn wenn ein Umzug in ein Pflegeheim ansteht, kann auch das zu Ängsten führen. Wie reagieren die anderen Bewohner auf mich? Und wie die Pfleger. Noch immer gebe es auch Pflegeeinrichtungen, die keine HIV-Positiven aufnehmen wollen – und das, obwohl die Ansteckungswege bekannt sind. Außerdem zeigten Studien mittlerweile, dass LSBTI*-Menschen öfter von Krankheiten, wie Depression oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen betroffen seien, durch sogenannten Minderheitenstress.

Dass es so eine Fachstelle jetzt gibt, könne daran liegen, dass jetzt eine bestimmte Generation älter wird, vermuten Wilhelm und Plöger. 50 Jahre sei es nun her, dass Schwule und Lesben auf die Straße gingen, um für ihre Rechte zu kämpfen. „Diese Generation hat ein ganz anderes Selbstverständnis“, sagt Inka Wilhelm. Sie seien geübt darin, Dinge einzufordern. „Und auf das, was sie erreicht haben, wollen sie auch im Alter nicht verzichten“, sagt Bernd Plöger.

Ende Februar soll die gemeinsame Website www.alternuntermregenbogen.de online gehen. Dort können Interessierte auch einen Newsletter mit aktuellen Veranstaltungen abonnieren. Bislang ist die Fachstelle auf den Webseiten und vor Ort bei den drei Einrichtungen erreichbar.

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