NRW Expertin bringt mehr Farbe ins Leben

Düsseldorf · Wenn die Wohnung renoviert wird, greifen die meisten zu Weiß. Dabei wirkt jede Farbe unterschiedlich auf die Psyche.

 Das einst triste graue Haus hat einen rot-weißen Giebel bekommen.

Das einst triste graue Haus hat einen rot-weißen Giebel bekommen.

Foto: Pagels Farbkonzepte

Da sitzt er nun, der Mensch im Homeoffice – und schaut auf seine Wände. Müssten mal wieder gestrichen werden, irgendwie freundlicher, positiver. Also folgt der Gang in den Baumarkt, begleitet von Unsicherheit: Farbe bekennen, aber wie? Vielleicht ein elegantes Grau, der Trendfarbe dieses Jahres, aber ist der Alltag nicht schon trist genug? Dann lieber „Jungle“-Grün („holt den Wald ins Haus“) oder eher „Marokko“, ein warmes Rosa-Braun, das laut Werbung „Herzen öffnet“. Könnten wir gerade doch gut gebrauchen. „Die Macht der Farben wird noch immer unterschätzt“, weiß Nathalie Pagels, diplomierte Farbberaterin, die sich auskennt mit der Wirkung, die jede Nuance auf unsere Psyche hat.

Sprache drückt aus, wie Farben das Leben würzen: Wir sehen Rot, wenn wir wütend sind, und wir entspannen uns in der „Blauen Stunde“. Wir werden gelb vor Neid, kommen auf keinen grünen Zweig, schauen durch die rosa Brille, wenn wir verliebt sind. Studien haben gezeigt, dass Gelb den Appetit anregt und Grün die Kreativität steigert. Aber wenn die Wände neu gestrichen werden sollen, dann tendiert die Mehrheit hierzulande eher zu Weiß. Kühler geht‘s nicht. Aber warum?

„Weiß steht in unserem Kulturkreis symbolisch für Reinheit. Weiß ist leicht und hell, wirkt aber oft steril und bei unseren Lichtverhältnissen an Fassaden und in Räumen eher grau“, sagt die Fachfrau. Den Deutschen sei die Farbfreudigkeit vielleicht nicht so vertraut – sie greifen dann eher zu Weiß, unter dem Motto: Da kann man nichts falsch machen. Dieser gewisse „Unwille zur Differenzierung“ erkläre auch die Vorliebe zu Grau, ebenfalls eine „Ausweichfarbe“, so Pagels. Zwar könne Grau andere Farben zum Leuchten bringen („und es gibt sicher Menschen, die in einer grauen Umgebung großartige Gedanken haben“), aber Grau ist nun mal nicht vital, heiter oder animierend.

Diese Aufgabe übernehmen andere Farben auf der Palette: Gelb wirkt fröhlich, anregend, eine Gute-Laune-Farbe, „die aber auch schrill und aufdringlich wirken kann“. Blau ist eine Energiequelle, wirkt entspannend und beruhigend, „wir nehmen einen blauen Raum um drei Grad kühler wahr“, außerdem könne die Meeresfarbe einen Raum weiten. Rot ist kraftvoll, anregend, dynamisch, steht für Vitalität. „Aber ein zu viel an Rot wirkt beunruhigend und lässt den Puls steigen.“ Grün ist die Farbe der Natur, vermittelt Sicherheit und Ruhe.

„80 Prozent aller Sinneseindrücke werden vom Auge erfasst, davon sind rund 40 Prozent nur für die Farbe reserviert“, so Pagels. Sie wirke auf unseren gesamten Organismus, „sie kann förderlich sein oder aber uns behindern.“ Deshalb ist es ihr ein Rätsel, dass viele Arztpraxen die Wartezimmer-Wände weiß streichen, „obwohl doch Blau oder Grün Angst und Unsicherheit mindern könnten“. Mit diesem Wissen setzt Nathalie Pagels bei ihren Projekten Akzente – in öffentlichen Gebäuden wie in der Ruhr-Uni Bochum, der sie farbige Wände zur leichteren Orientierung verpasste. Oder fürs private Wohnen, wie bei einem einst tristen grauen Haus, das unter ihrem Einfluss nun mit einem rot-weißen Giebel auffällt.

Ihre Erkenntnisse gibt Nathalie Pagels zurzeit auch bei einem Lehrauftrag an der Bauhaus Universität in Weimar weiter, ebenso in ihren Vorträgen und Seminaren für Fachleute, Bauherren und „für alle, die sich mit Farbe beschäftigen wollen“. Dabei unterscheidet sie zwischen der allgemeinen Wirkung und individuellen Vorlieben. „Farbkonzepte sind von vielen Faktoren abhängig, das muss man immer im Kontext sehen, die Umgebung und die Lichtverhältnisse berücksichtigen.“ Wenn man unsicher ist, welche Farben in die eigene Wohnung passen, dann sollte man, so die Farbexpertin, mal überlegen, wo man sich besonders wohl fühlt, in einem Café oder Hotel. „Denn das liegt mit Sicherheit auch an den Farben.“

Bevor man sich nun im Baumarkt zwischen „Marokko“ und „Jungle“ entscheidet, sollte man auch die Frage prüfen, welche Funktion Räume haben. „Für einen Rückzugsort würden sich eher die beruhigenden Töne von Blau und Grün eignen, wohingegen Rot, Gelb und Orange die Geselligkeit fördern“, rät die Expertin. Sie selbst lebt übrigens mit relativ wenig Farbe, vielleicht berufsbedingt. Aber auch deshalb: Nathalie Pagels liebt Steine und ihre Farben in allen Schattierungen – das zeigt sich auch in ihrer privaten Umgebung. Mit einer Ausnahme. Die Wände in ihrer Küche hat sie mit der britischen Ausgabe der Financial Times (und ihrem ganz speziellen Rosa-Ton) tapeziert.

Gibt es eine Farbe, die sie nicht mag? Kurzes Nachdenken, Kopfschütteln. Sie erinnert sich an eine Teilnehmerin in einem ihrer Seminare, die meinte: „Ich hasse die Farbe Ocker.“ Nathalie Pagels zeigte ihr, was passiert, wenn man Ocker mit Taubenblau kombiniert – „und sie war hingerissen.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort