Ex-Primus ist Schlusslicht: „Görres“ nicht mehr gefragt

Zum traditionsreichen Gymnasium wollen die wenigsten Schüler. Warum?

Düsseldorf. Es blickt auf mehr als 450 Jahre Geschichte zurück und galt in Düsseldorf eigentlich immer als das Gymnasium schlechthin. Ein Ort für leistungsstarke Schüler und Eltern, die vielleicht auch eine Schule mit Prestige suchen: das Görres-Gymnasium an der Kö.

Doch in den vergangenen zwei Jahren haben sich auffällig wenige Schüler hier angemeldet, in diesem Jahr ist die traditionsreiche Schule gar Schlusslicht unter den städtischen Gymnasien: Nur 68 Fünftklässler in spe wollten dorthin. Was ist passiert?

Bei Gesprächen über die Krise des Görres taucht oft das Thema Latein auf: Die Sprache ist ab der fünften Klasse Pflicht. Ist die Zeit dafür vorbei? Schulleiterin Christine Leithäuser sieht das nicht so: „Wir wollen daran festhalten, weil Latein sich auf andere Fächer positiv auswirkt. In Deutsch einen strukturierten Text zu schreiben, das geht nur, wenn man auch Ahnung von Satzbau hat.“

Das Altsprachliche gilt am Görres weiterhin als „Alleinstellungsmerkmal“. Am Humboldt-Gymnasium gibt es Latein ab der „Fünf“ zwar ebenfalls, aber wahlweise. Aktuell hat das Humboldt unglaubliche 225 Anmeldungen, von denen es viele ablehnen muss. Ironie des Verfahrens: Manchen, die sich für eine Lateinklasse angemeldet haben, wird jetzt ein Platz am Görres angeboten werden.

Etwas ändern wird sich im Latein-Unterricht: Mehr Förderung und eine Umstrukturierung des Lehrplans sollen dem Fach den Schrecken nehmen, den es wohl für manche hat.

Ansonsten sieht die Schulleiterin aber keinen Änderungsbedarf am Profil. Schon einiges sei geschehen, eine Nachmittagsbetreuung für die 5. und 6. Klassen wurde „aus dem Boden gestampft“, soziales Lernen eingeführt. Was aber geplant ist: Lehrer gehen künftig in die Grundschulen und informieren über das Görres und bieten Probeunterricht an.

Andere betrachten die Arbeit an der Königsallee skeptischer: „Die haben den Zug der Zeit verpasst“, sagt ein Kenner der Düsseldorfer Gymnasien. Das Görres habe sich zu lange auf seinen elitären Ruf verlassen, neue didaktische Methoden wie Stationenlernen würden dagegen kaum aufgegriffen. Dabei gebe es simple Maßnahmen, um Eltern anzusprechen, etwa mit einer Musikklasse.

Warum Eltern sich für oder gegen eine Schule entscheiden, ist schwer zu sagen, weil viele Dinge mit hereinspielen: Profil, Erreichbarkeit, wohin gehen die Freunde des Kindes, das Gebäude. Der Eindruck am Tag der offenen Tür setzt sich wiederum aus vielen Details zusammen. Und der vielleicht wichtigste Aspekt: Was hat man von anderen gehört?

Claudia Bruns (Name geändert) hat sich nicht auf die Informationen aus zweiter Hand verlassen und sich die Schule am Tag der offenen Tür angeschaut: „Mir ist aufgefallen, dass die Klassen sehr kahl waren. Wenn Schülerarbeiten an den Wänden hängen, kann man sehen, wie gearbeitet wird und dass die Leistung der Kinder wertgeschätzt wird.“ Andere Eltern kritisieren hohen Meinungsdruck bei Kleidung.

Christian Mohme greift dieses Thema selber auf. Er ist Schulpflegschaftsvorsitzender, hat zwei Kinder am Görres: „Der Ruf als Schickimicki-Schule entspricht nicht der Realität.“ Warum es so wenig Anmeldungen gibt, weiß er auch nicht, doch der Rückgang beschäftigt ihn: „Das Ergebnis hat uns aufgeschreckt.“

Er hat mit der Schulleitung gesprochen und mit Schülervertretern. Auf der Schulkonferenz in dieser Woche wird es ebenfalls um die Frage gehen: Wie kann das Görres wieder attraktiver werden?

Die lange Vakanz der Schulleitung nach dem Abgang von Otto Wirtz könnte nach Mohmes Ansicht der Schule geschadet haben. Er sieht sie weiterhin als ein Gymnasium mit einem gewissen Leistungsanspruch, auch er will am Lateinprofil festhalten.

Erste Überlegungen für inhaltliche Veränderungen nennt er aber: Ab der 7. Klasse könnten zusätzliche Fächer angeboten werden, zum Beispiel eine moderne Sprache.

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