Interview „Es gibt nicht das böse Plastik und das gute Glas“

Düsseldorf · Interview Die Henkel-Nachhaltigkeitsexperten Mareike Klein und Thorsten Leopold sprechen darüber, wie sie in Verpackungen den Plastik-Anteil verringern und wie sie die Recycling-Quote verbessern wollen – und wie andere Unternehmen an einer ihrer Erfindungen teilhaben können.

 Thorsten Leopold leitet bei Henkel die Entwicklung nachhaltiger Verpackungen, Mareike Klein ist in der Kommunikationsabteilung für das Thema Nachhaltigkeit zuständig.

Thorsten Leopold leitet bei Henkel die Entwicklung nachhaltiger Verpackungen, Mareike Klein ist in der Kommunikationsabteilung für das Thema Nachhaltigkeit zuständig.

Foto: Zanin, Melanie (MZ)

Bei den Verbrauchern hat Plastik in den vergangenen beiden Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Wie hat das Ihre Arbeit verändert?

Mareike Klein: Mit dem Thema Nachhaltigkeit, also Fragen rund um Materialeinsatz, Energie, Menschenrechte oder Rohstoffbeschaffung, beschäftigen wir uns schon seit vielen Jahrzehnten. Henkel hat 1992 seinen ersten Umweltbericht veröffentlicht. Ressourcen effizient einzusetzen und den Ressourcenverbrauch zu reduzieren – das machen wir nicht allein zum guten Zweck. Es ist Teil des Kerngeschäfts. Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Erfolg schließen einander nicht aus. Nachhaltigkeit ist auch einer der Unternehmenswerte von Henkel, wird also stark von innen getrieben.

Was ist durch das neue Umweltbewusstsein von außen dazugekommen?

Klein: Verpackung und Kunststoff sind heute Themen, die viele Menschen bewegen und die natürlich auch für uns als Unternehmen eine große Rolle spielen. Nicht nur nach innen gerichtet, wo wir zum Beispiel für unsere Mitarbeiter Informationen zum Thema Müllvermeidung und Recycling anbieten. Auch unsere Kunden, Handel und Verbraucher, erwarten, dass unsere Produkte nachhaltig sind. Und auch Analysten und Ratingagenturen interessieren sich für unsere Fortschritte im Bereich Nachhaltigkeit.

Wie sehen diese Fortschritte aus?

Thorsten Leopold: Die Zahlen zu Plastikmüll sind erschreckend. Wir wollen dazu beitragen, dass der Kunststoff nicht in die Umwelt gelangt, sondern im Kreislauf bleibt. Das funktioniert in Deutschland und Europa recht gut, aber es gibt auch viele Länder, in denen es noch nicht einmal Sammelsysteme gibt, auf denen man ein Recyclingsystem aufbauen könnte. Für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft müssen alle zusammenarbeiten, von Herstellern bis hin zur Politik.

Warum arbeiten Sie dann nicht daran, Kunststoff überflüssig zu machen?

Leopold: Tatsächlich arbeiten wir daran, so wenig Kunststoff wie möglich in unseren Verpackungen einzusetzen. Doch Verpackungen haben auch wichtige Funktionen. Sie ermöglichen den Transport, sie schützen das Produkt vor Luft oder Feuchtigkeit, sie sorgen dafür, dass das Produkt richtig dosiert und nicht verschwendet wird.

Warum übernimmt Kunststoff diese Funktion und nicht ein Material, das besser entsorgt werden kann?

Leopold: Kunststoff ist die umweltschonendste Verpackung für Flüssigkeiten. Glas und Metall sind viel schwerer und verbrauchen deshalb im gesamten Prozess – von der Herstellung bis zum Transport – viel mehr Energie. Wir müssen mit dem Schwarz-Weiß-Denken aufhören. Es gibt nicht das böse Plastik und das gute Glas. Kunststoff ist oft die beste Lösung. Das Problem ist nicht das Material selbst, sondern der Umgang mit dem Abfall.

Dennoch können Sie aber auch nicht beim heutigen Stand verharren.

Leopold: Da haben Sie Recht – deshalb verfolgen wir schon lange den Grundsatz, dass jedes neue Produkt eine bessere Umweltbilanz haben muss als sein Vorgänger.

Klein: Das gelingt uns auch, und das ist auch sichtbar. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Flaschen unserer Weichspüler bestehen aus 100 Prozent Alt-Kunststoff, eine Variante davon sogar aus so genanntem „Social Plastic“.

Was ist „Social Plastic“?

Klein: Da es international oftmals noch keine Sammelsysteme gibt, arbeiten wir mit dem Sozialunternehmen Plastic Bank zusammen. Gemeinsam haben wir zum Beispiel in Haiti Sammelcenter errichtet. Dort erhalten die Bürger Geld oder eine geldwerte Gegenleistung, wenn sie Plastik sammeln und abgeben. Unsere Partnerschaft hat so eine ökologische und eine soziale Komponente. Das dort gesammelte Plastik wird aufbereitet und so wieder Teil des Kreislaufs – und wir verwenden es auch in unseren Verpackungen. In diesem Jahr setzen wir 200 Tonnen dieses „Social Plastic“ ein. Das Plastik wäre sonst in Flüsse oder das Meer gelangt.

Zurück zu Ihrer Verpackungsstrategie. Wie sehen die Erfindungen konkret aus, die dafür sorgen, dass die Produkte eine bessere Umweltbilanz haben?

Leopold: Unsere Verpackungsstrategie besteht aus drei Säulen: Wir arbeiten an und mit nachhaltigen Materialien, an smarten Designs und an einem Kreislauf, damit aus dem Kunst- ein Wertstoff wird. Zunächst müssen Verpackungen so gestaltet sein, dass sie optimal recycelt werden können. Wir ummanteln Kunststoffflaschen beispielsweise inzwischen mit Etiketten, die man über eine Art Reißverschluss abziehen und getrennt entsorgen kann, ähnlich wie beim Joghurtbecher. Und wir haben einen schwarzen Kunststoff entwickelt, der beim Recycling nicht mehr aussortiert, sondern wiederverwendet wird. Unser Ziel ist es, dass bis 2025 alle Verpackungen recyclingfähig sind. Außerdem wollen wir mehr recycelten Kunststoff einsetzen. Schon heute bestehen fast alle PET-Flaschen für Wasch- und Reinigungsmittel in Deutschland zu 100 Prozent aus Altkunststoff.

Diese Fortschritte beschränken sich auf Ihre Produkte. Was tun Sie, damit auch andere davon profitieren?

Leopold: Gemeinsam können wir mehr erreichen – und deshalb arbeiten wir auch eng mit anderen zusammen. Wir haben eine Software entwickelt, die bewerten kann, wie recyclingfähig eine Produktverpackung ist. So wird schon früh in der Entwicklungsphase deutlich, wo es noch Optimierungsbedarf gibt. Diese Software stellen wir allen Unternehmen zur Verfügung, das Tool kann man sich auf unserer Website kostenfrei herunterladen.

Sie haben am Anfang erwähnt, dass Sie Nachhaltigkeitsschulungen für Mitarbeiter anbieten. Was lehren Sie dabei, was auch für alle Verbraucher interessant sein könnte?

Klein: Es geht zum Beispiel um Recycling-Tipps, die wir übrigens auch auf unseren Kanälen in den sozialen Medien teilen. Und diejenigen Mitarbeiter, die unser Nachhaltigkeitsbotschafter-Programm durchlaufen, gehen in Schulen und besprechen mit Kindern und Jugendlichen, wie man Ressourcen sparen kann. So haben wir weltweit schon mehr als 150 000 Schüler erreicht. Auch beim Thema Plastikmüll in der Umwelt werden unsere Mitarbeiter aktiv.

Wie sieht das konkret aus?

Klein: Wir haben eine globale Initiative gestartet, bei der sich bisher schon 1300 Kollegen auf der ganzen Welt an Müllsammelaktionen wie „Rhine Clean up“ beteiligt haben – darunter mehr als 150 Mitarbeiter in Düsseldorf. So möchten wir auch andere zum Mitmachen animieren.

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