Er hat ein Diplom, spricht fünf Sprachen – und findet keinen Job

Besonders hochqualifizierte Kinder von Migranten werden schlechter indie Arbeitswelt integriert als Deutsche. Ein Düsseldorfer berichtet.

Düsseldorf. Er beherrscht fünf Sprachen, ist diplomierter Mechatroniker, hat nebenbei den Bachelor in Ingenieurwesen gemacht und setzt jetzt den Master obendrauf. Brahim Semlali ist 28 Jahre alt und Wahl-Düsseldorfer: "Ich liebe die Stadt." Eigentlich hat er alle Voraussetzungen, um sich mit seiner Frau, einer Deutschen, und seiner eineinhalbjährigen Tochter ein schönes Leben zu machen, wäre da nicht diese eine Sache: Er findet keinen Job.

Semlali ist nicht der einzige Akademiker mit Migrationshintergrund, der keine Arbeit findet. Gerade die gut ausgebildeten Kinder so genannter Gastarbeiter haben es schwerer auf dem Arbeitsmarkt als ihre deutschen Kollegen mit gleichem Abschluss. Das belegt eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

"Mit statistischen Daten ist es schwer. Bürger mit Migrationshintergrund können, wenn sie einen deutschen Pass haben, als solche nicht mehr erfasst werden", sagt Ralf Beckmann von der Agentur für Arbeit. Ein Vergleich des Ausländeranteils unter den sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmern mit Hochschulabschluss und des Ausländeranteils unter den arbeitslosen Akademikern allerdings stütze die Ergebnisse der Studie: In Düsseldorf sei der Anteil der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Ausländer mit acht Prozent zwar höher als durchschnittlich in Deutschland (5 Prozent).

Aber auch unter arbeitslosen Akademikern ist der Ausländeranteil höher - fast jeder vierte hatte im März 2009 eine ausländische Staatsangehörigkeit (im Bund war es jeder siebte).

Semlali ist einer von ihnen. Seine deutschen Diplom-Kollegen stünden bereits mitten im Berufsleben, sagt er. Die Noten seien ähnlich gut gewesen. "Ich will nicht pauschalisieren, aber das ist komisch." Gerade hat Semlali das Studium erneut aufgenommen.

"Um aktiv zu bleiben", wie er sagt. Mehr als ein halbes Jahr hat der Mechatroniker einen Arbeitsplatz gesucht. Selten habe er eine Antwort bekommen. Neben dem Studium arbeitet er in einem Laden für Mobiltelefone. So kann Semlali seine Familie ernähren. Dennoch hat er Angst, so den Anschluss zu verpassen. "In unserer Branche muss man am Ball bleiben. Die Technik verändert sich schnell, und die Konkurrenz schläft nicht."

Ein Freund, der ebenso wie Semlali ursprünglich aus Marokko stammt und wie er diplomiert ist, sucht bereits seit eineinhalb Jahren eine Arbeit. "Er wird es nicht mehr schaffen", sagt sein Freund. Im Moment arbeite er in einem Lager.

Als Ursache für das Ergebnis der Studie sieht Thomas Liebig, Referent für Internationale Migration des Arbeitsmarktdirektorats der OECD, weniger eine offene Ablehnung von Fremden. "Es spielen vielmehr subtile Vorurteile gegenüber anderen Mentalitäten eine Rolle, unabhängig davon, wie lange jemand in Deutschland lebt."

Ein anderer Grund sei praktischer Natur. "Migranten haben nicht das nötige Netzwerk, in das die Kinder weitervermittelt werden können. Immer noch haben viele der Eltern Sprachprobleme und sind in niedrigen Lohnsektoren beschäftigt." Der Arbeitsmarkt erschließe sich aber immer mehr über "Vitamin B".

Genau das seien aber auch die Ursachen einer fehlenden Integrationsbereitschaft der Migrantenkinder, sind Saban Sincar und David Shaverdov, Jurastudenten und Asta-Mitglieder der Heinrich-Heine-Uni, überzeugt. "Es ist eine unausgesprochene Regel, dass Bewerber mit einem ausländisch klingenden Namen oder dunklem Teint mehr Qualifikationen mitbringen müssen", sagt Sincar.

Der Druck, besser sein zu müssen als andere, schweiße zusammen. "Man organisiert sich privat, es entstehen Zweckgemeinschaften und darüber Freundschaften." Immer noch existiere eine schwer durchdringbare Membran, nicht offensichtlich aber spürbar, sagt Shaverdov. Er spricht von einer Lobby, die sich bilde. "Hilfst Du mir, dann helfe ich Dir", laute die Devise, an der Uni und später in der Arbeitswelt. Aber das sei der falsche Weg. "Eine solche Netzwerkbildung unter Migranten ist kontraproduktiv und wirkt einer gelungenen Integration entgegen."

Bekim Rukaj vom Ausländerbeirat Düsseldorf bemüht sich, Migranten mit Uni-Abschlüssen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Er sieht das Problem nicht in den großen, sondern in den mittelständischen Unternehmen. "Die großen Firmen sind fortschrittlicher."

Die Firma Henkel etwa beschäftigt rund 50 Nationalitäten am Standort Düsseldorf. "Um auf dem internationalen Markt Fuß zu fassen, müssen wir andere Nationen verstehen lernen. Dafür sind Mitarbeiter aus dem Ausland hilfreich. Sie verschaffen uns das nötige Know-How", sagt Henkel-Sprecherin Heike Ambaum. Ohne dieses sei die Firma im Ausland nicht konkurrenzfähig.

Semlali hofft weiterhin auf eine Chance, den erlernten Beruf ausüben zu können. "Wenn ich einen Job bekomme, breche ich den Master ab." Ein Akademikergehalt erwartet er nicht. "Die Zeiten sind vorbei, für Deutsche, Migrantenkinder und Ausländer. Aber zu Hause rumsitzen, nein. Dafür habe ich nicht studiert."

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