Düsseldorf Einfach mal abschalten: Feiertage ohne Handy

Redakteurin Ines Arnold hat ihr Smartphone über die Weihnachtstage verbannt. Das fiel ihr schwerer, als anfangs erwartet.

Düsseldorf: Einfach mal abschalten: Feiertage ohne Handy
Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. Die Bahn ist bis auf den letzten Platz besetzt, ich stelle mich neben den Fahrkartenautomat und lasse den Blick schweifen. Wie automatisiert greife ich in meine Manteltasche nach meinem Handy, lasse meinen Daumen über die Tastatur gleiten, scanne mehrere Nachrichtenportale ab, durchstöbere Facebook und checke meine Whatsapp-Nachrichten. Ehe ich mich versehe, google ich den Namen einer Kinderärztin — wie ich darauf gekommen bin? Ich habe keine Ahnung! Ich fühle mich ertappt, denke, wie kindisch es aussehen muss, ständig auf den Mini-Bildschirm zu starren. Und dann sehe ich es: Kaum jemand in meiner Umgebung hat es überhaupt wahrgenommen — weil sie sich alle selbst die Nase an ihrem Smartphone plattdrücken. In diesem Moment beschließe ich, mich davon abzugrenzen. Mal wieder die Umgebung bewusster wahrzunehmen. Über die Feiertage werde ich mein Handy verbannen: Kein Whatsapp, keine Emails, kein Facebook. Wie schwer mir das fallen wird — davon habe ich in diesem Moment, einige Tage vor Weihnachten, noch keine Ahnung.

Früher, als ich selbst noch ein Kind war, habe ich ihn heiß geliebt. Den Morgen vor Heiligabend, als mein Bruder und ich im Schlafanzug auf der Couch saßen und einen Kinderfilm nach dem nächsten schauten. Heute, viele Jahre später, sitzen meine beiden Töchter mit ihrem zerzausten Haar dort und bejubeln mindestens genauso euphorisch meine Kindheitsheldin Pippi Langstrumpf. Ich setze mich zu ihnen, streichel den beiden über die Köpfe und weiß, dass nichts in der Welt diesem Moment den Rang ablaufen könnte.

Das ist aber, zugegeben, nicht immer so. Oft genug ist es nämlich so, dass ich gerade solche Momente nutze, um schnell mal eine Email zu schreiben, einen Rückruf zu erledigen oder etwas zu recherchieren. Natürlich sitzen die Mädchen dann nicht immer vor dem Fernseher, sondern sind gerade mal in ein Puzzle vertieft oder in ein Spiel. Oft genug animiere ich die beiden zu einem Rollenspiel, täusche sozusagen an, um mich dann aus dem Kinderzimmer zu schleichen und im Nebenraum in den Telefonhörer zu flüstern. Heute aber passiert das nicht. Ich tauche ein in die Welt von Pippi und ihren Freunden, zucke bei jedem Kanonenschuss auf Taka-Tuka-Land zusammen und zittere mit, als Pippis Vater sich von der Insel schleicht.

Am Nachmittag möchte ich es dann aber doch wissen: Ich rufe die Übersicht über meine Whatsapp-Nachrichten auf. Zwölf Kontakte haben mir geschrieben. Vermutlich alles standardisierte Nachrichten, deren Inhalt vorhersehbar ist: „Wir wünschen ein besinnliches Weihnachtsfest“ oder so ähnlich wird es heißen. Kurz überkommt mich ein schlechtes Gewissen, eine solche Nachricht nicht selbst herumgeschickt zu haben. Aber andererseits: Den meisten habe ich bereits persönlich schöne Weihnachten gewünscht, vielen anderen werde ich an den Feiertagen noch begegnen.

Und dann trudelt sie doch noch ein, die Nachricht, auf die ich am liebsten schnell antworten würde. Sie ist von unseren neuen Nachbarn, das kann ich in der Übersicht sehen. Ein nettes Paar, das selbst am Geburtstag der Kinder mit einer Überraschung vor der Tür stand. Jetzt einen kleinen Weihnachtsgruß rausschicken, das hätte die Sache einfach gemacht. Gegenüber klingeln zu gehen, nicht zu wissen, ob man beim Essen stört, das Enkelkind weckt. . . . Und dann merke ich, dass es schon wieder passiert ist. Ich sitze im Schlafzimmer auf der Bettkante und bin in mein Handy vertieft. Denke darüber nach, ob ich einen Fauxpas begehe, wenn ich keine Handynachricht zurückschreibe. Wie bekloppt!

Am ersten Weihnachtsfeiertag machen wir einen Spaziergang mit den Kindern. Das Christkind hat den Mädels Laufräder gebracht, die jetzt natürlich getestet werden müssen. Vorm Haus ist schon einiges los, die Nachbarkinder haben die Straße zur Rennstrecke erklärt. Es scheint, als habe das Christkind einen Faible für Laufräder und Roller. Wir stehen einige Minuten dort, da tippt mich jemand an. Es der nette Nachbar, der mir eine Nachricht geschrieben hat. Wir quatschen einen Moment, berichten von Heiligabend und von den Plänen für Silvester. Dann steckt er allen Kindern auf der Straße einen Schokoladennikolaus zu und geht wieder ins Haus. Das mit der Weihnachtsnachricht hat sich damit also erledigt. Und so war es doch wesentlich schöner.

Am Abend, die Kinder sind längst im Bett, werde ich dann doch noch mal wehmütig. Ich würde gerne meiner Freundin eine Nachricht schreiben. Ihr ein paar Fotos schicken, von den Kindern mit den neuen Laufrädern. Sie fragen, ob sich ihr Sohn, mein Patenkind, über die Geschenke gefreut hat. Ich würde gerne googeln, ob meine neuen Schuhe, die blöderweise in einer falschen Größe unterm Baum lagen, auch in der richtigen vorrätig sind. Aber ich lasse es sein. Ich beschließe, mit meinem Mann noch einen Film zu schauen und meine Freundin morgen, sollte der Informationsdrang noch immer so groß sein, anzurufen.

Der zweite Weihnachtsfeiertag ist für mich der schönste im Jahr. Die komplette Familie meines Mannes geht zusammen brunchen, für alle ist das ein fester Termin. Ausfälle gab es, so lange ich Teil der Familie bin, noch nie. Mein Handy benutze ich an diesem Tag lediglich, um die schönen Momente in Fotos festzuhalten. Als ich meine Schwägerin dabei erwische, wie sie mit ihren Freundinnen Nachrichten austauscht, erzähle ich in großer Runde von meinem Vorhaben, das Handy weniger zu benutzen. Die ältere Generation kann sich nicht vorstellen, damit Schwierigkeiten zu haben, andere wiederum, wie der technisch affine Neu-Schwager, fragen mich, was der Blödsinn soll.

Die Worte hallen nach. Wären die Feiertage wirklich so anders gelaufen, hätte ich zwischendurch mal eine Nachricht geschrieben oder abends mal was gegoogelt? Hätte die Familie darunter gelitten? Vermutlich nicht.

Am Mittwoch, auf dem Weg zur Arbeit, habe ich mein Handy dennoch mal wieder in der Manteltasche gelassen. Ich habe mich daran erinnert, dass ich mir früher gerne die Menschen angeguckt habe, die mir in der Bahn gegenüber saßen. Ich habe mir überlegt, wo sie herkommen, wo sie hinwollen, ob sie einen Partner haben. Was sie beruflich tun, ob sie glücklich sind. Das habe ich an diesem Morgen mal wieder gemacht. Bis mich diese Frau nach dem Weg fragte und ich mein Handy zückte.

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