Ein augenzwinkerndes Spiel mit Klischees

Einen sehr gelungenen und amüsanten Schlagabtauch liefern sich die Schauspieler in „Auf ein Neues“ im Theater an der Kö.

Ein augenzwinkerndes Spiel mit Klischees
Foto: Achim Zeppenfeld

Düsseldorf. Scharfzüngige Dialoge, flotte Sprüche, urkomische Situationen zwischen zwei Welten — zwischen Mutter, Tochter und einem Obdachlosen, dazu drei exzellente Mimen, die sich routiniert im Sekundentakt die Bälle zuwerfen. Die geeignete Kombination, um den grauen Januartagen knapp zwei Stunden zu entkommen. Und sich zu amüsieren.

Das bietet die erste Premiere im neuen Jahr im Theater an der Kö. „Auf ein Neues“ aus der Feder von Antoine Rault zeigt mal wieder: Franzosen (ähnlich wie Briten und Amerikaner) verstehen sich besser aufs Komödieschreiben als deutsche Dramatiker. Letztere kommen entweder vor teutonischer Schwere nicht vom Boden, oder verfallen — vor Quotenschielerei — schnell in platten Klamauk oder quiekende Comedy.

Nichts davon findet man in „Auf ein Neues“ in der Inszenierung von Martin Woelffer, dafür aber ein intensives Schauspielerfest. Allen voran Marion Kracht in der Hauptrolle. Die Wahl-Berlinerin, der vor 30 Jahren als Tina Drombusch in der Familienserie „Diese Drombuschs“ der Durchbruch gelang und die seitdem in Film und Fernsehen und auf zahlreichen Bühnen präsent ist, steht als Catherine erstmals auf der Bühne im Theater an der Kö. Sie mimt die erfolgreiche Geschäftsfrau, mit allen Wassern gewaschen, geschieden und als alleinerziehende Mutter permanent im Clinch mit ihrer aufmüpfig kratzbürstigen Tochter Sarah (auf den Punkt gebracht von Lene Wink).

Kurz vor Heiligabend liegt im Hausflur ihrer Designer-Wohnung ein Penner. Michel mit zotteligen Haaren und alter Wollmütze ist der Typ eines heruntergekommenen Obdachlosen (Daniel Morgenroth): Er hat sich tagelang nicht gewaschen, spielt Gitarre und singt französische Chansons. Die mildtätigen Spenden, die Passanten ihm geben, investiert er meist in alkoholische Getränke. Ausdünstungen, die die eifrig nervöse Catherine in ihrer Vorweihnachts-Hektik nicht ertragen kann.

Klar, dass gerade deshalb das Töchterchen diesen Mann cool findet. Unerwartet wendet sich das Blatt. Catherine, eben noch kaltherzig und arrogant, besinnt sich auf christliche Nächstenliebe und lädt ihn — zur Verblüffung von Sarah — zum gemeinsamen Weihnachtsessen ein, mit allen Schikanen, Gänsebraten inklusive. Nach einigen Gläsern Champagner weicht Madame auf und beschließt: Dem Mann muss geholfen werden. Er soll zurück in seinen Beruf als Informatiker.

Eine Konstellation, in der manche Bühnen-Katastrophen angelegt sind, die aber auch Klischee und Kitsch befürchten lässt. Doch erstaunlich ist es, wie hier mit leichter Hand ernste Themen wie Arbeitslosigkeit, Karrieresucht und Vernachlässigung der Bedürfnisse nach Liebe verwoben werden. Morgenroth gelingt die Verwandlung vom Penner zum Anzugträger und er spielt mit Augenzwinkern mit bekannten Klischees. Besonders krachen aber lässt es Marion Kracht. Mutig reizt sie die Grenze turbulenter Komödien (fast wie in alten Hollywood-Filmen) aus. Mal überzeichnet sie Catherine als stramme Business-Frau, die keine Schwäche zeigt, ihre Gefühle wegdrückt wie einen Anruf auf dem Handy und Michel anschnauzt.

Zackzack geht es, sie richtet ihm Mailadresse und Konto ein und erwartet unmittelbare Erfolgsmeldung. Dann zanken sich wieder Mutter und Tochter wie Kesselflicker, bis am Ende Catherine langsam ihre Gefühle entdeckt. Doch keine Panik! „Auf ein Neues“ mündet nicht in einer Tragödie, sondern in einem Happy End.

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