SPD Düsseldorf SPD: „Der Chor der Besserwisser ist groß, der Trupp der Bessermacher klein“

Düsseldorf · Das erneute Debakel in Bayern treibt auch die lokale SPD um: Wie soll die Partei aus dem Schlamassel kommen? OB Geisel und Parteichef Rimkus haben da unterschiedliche Forderungen.

 So bedröppelt schaut SPD-Chef Andreas Rimkus nicht oft.  Foto: Young/dpa

So bedröppelt schaut SPD-Chef Andreas Rimkus nicht oft. Foto: Young/dpa

Foto: picture alliance / David Young/d/David Young

Ist die SPD schon nicht mehr Volkspartei? Muss sie sich bald öfter mit einem dritten, vierten oder gar fünften Platz bei einer Wahl abfinden, wie jetzt am Sonntag in Bayern? Die lange Reihe von Wahlschlappen quer durch die Republik (im Osten und Süden gewiss am schlimmsten) erzeugt auch bei den Genossen in Düsseldorf Existenzängste.

Was sind die Hauptgründe für die sozialdemokratische Kern(wähler)schmelze? Viele Genossen sehen in der Agenda 2010 mit der Einführung von Hartz IV die Wurzel allen Übels, andere im wiederholten Gang in Große Koalitionen mit der Union. Wieder andere dagegen halten strategisch gar nichts von einem Linksschwenk und weisen darauf hin, dass die SPD immer (nur) dann vorne lag, wenn sie eher wirtschaftsfreundliche Männer der Mitte wie Helmut Schmidt oder Gerhard Schröder an der Spitze hatte.

Geisel vermisst gutes Spitzenpersonal und Machtwillen

 OB Thomas Geisel vermisst den Willen zur Macht in der SPD.  Foto: Kusch/dpa

OB Thomas Geisel vermisst den Willen zur Macht in der SPD. Foto: Kusch/dpa

Foto: picture alliance/dpa/Marcel Kusch

Was also ist zu tun? „Zunächst mal muss man ein personell überzeugendes Angebot machen“, sagt SPD-Oberbürgermeister Thomas Geisel. In Bayern etwa hätte ein Christian Ude, der in München bei OB-Wahlen siegreich war, sicher mehr Stimmen geholt als eine Kandidatin, „die nur parteiinterne Abstimmungen gewonnen hat“, glaubt Geisel. Strukturell sieht er mit Hans-Jochen Vogel vor allem ein „dramatisches Relevanzproblem“, sprich: Ist die SPD noch ansatzweise repräsentativ für eine große Wählergruppe? Inhaltlich kritisiert Geisel eine zu starke Fixierung auf Themen wie Rente oder Flüchtlinge, „ohne dass wir als SPD bei Letzterem ein wirklich stimmiges Konzept haben, wie man notwendige Zuwanderung und Humanität mit Kontrolle paart, sodass die Menschen den Eindruck haben, der Staat hat die Sache im Griff“.

Die Große Koalition an sich sei dagegen „unschuldig“, findet Geisel: „Es kommt doch darauf an, dass man wirklich die Macht will, gestalten will. Daran mangelt es heute in der SPD. 1969 sind wir vom Junior in der Groko zur großen Regierungspartei geworden, weil Leute wie Willy Brandt oder Herbert Wehner genau diesen Willen hatten.“

Wenn Geisel selbst 2020 in Düsseldorf in den OB-Wahlkampf zieht, wird er seine SPD-Zugehörigkeit sicher nicht verleugnen — aber auch nicht an die große Glocke hängen. Denn er weiß, dass er für einen Sieg mindestens 50 Prozent der Wählerstimmen holen muss...

„Der Chor der Besserwisser ist groß; der Bautrupp der Bessermacher aber klein“, sagt Andreas Rimkus. Der Düsseldorfer SPD-Chef und Bundestagsabgeordnete macht sich natürlich Sorgen um seine Partei, aber er ist eine viel zu ausgeprägte Kämpfernatur, als dass er sich im Schwarzmalen und Hadern verlöre. Viel energischer, mutiger, offensiver müsse die SPD auftreten „Da ist es so wie bei Fortuna: Man kann ein Spiel in der ersten Liga verlieren, aber wenn die Leute sehen, die hauen wirklich alles rein, dann sind sie zufrieden.“ Er ist überzeugt, dass die SPD im Bund aktuell viel erreiche für die Menschen, etwa in der Familien- oder Wohnungspolitik: „Aber wir kriegen es nicht transportiert“, sagt Rimkus, „wir müssen die Dinge nicht populistisch, aber viel klarer, ja populärer rüberbringen.“ Er beklagt schon länger, dass sich eine intern weitgehend durchakademisierte SPD mental zu weit von den einfacheren Leuten entfernt hat. Allerdings ist auch Rimkus klar, dass es mit Kampfgeist und besserer Ansprache alleine nicht getan ist: „Wir müssen auch inhaltlich mehr wollen, mehr wagen. Ich glaube, wir geben uns zu oft zufrieden mit den Formelkompromissen, die wir verabredet haben, sei es mit dem Koalitionspartner, sei es mit Gewerkschaften. Dabei können das oft nur Zwischenlösungen sein.“

Die große Idee für eine moderne, gerechte Gesellschaft fehlt

Inhaltlich mehr wagen, weiter denken: Das ist für Frank Ulrich Wessel, den Geschäftsführer der SPD-Ratsfraktion, der Punkt: „Wir sind gut in Instrumenten-Debatten, wenn es darum geht, sozialpolitisch hier was zu reparieren, da was zu verbessern — doch das nehmen viele Wähler mit und sagen: Danke, aber dafür wählen wir Euch nicht“. Ja, die SPD müsse näher an die Lebenswirklichkeit einer sich immer stärker ausdifferenzierenden Gesellschaft und ihrer Bürger: „Hinzukommen aber muss eine Vision, eine große Idee davon, wie wir längerfristig moderne und gerechte Sozialsysteme schaffen, wie wir Teilhabe in der digitalisierten Arbeitswelt sichern wollen“, sagt Wessel. Zu kleinteilig werde gedacht und agiert, obwohl gerade von der SPD mehr erwartet werde als etwa von der bewahrenden CDU. Er persönlich hält zum Beispiel viel von der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens. Im Prinzip sei ja gerade jetzt eine starke SPD gefragt: „Mut macht mir, dass wir in vielen Großstädten wie in Düsseldorf durchaus das Lebensgefühl der Menschen verkörpern und dann auch vorne liegen können.“

Während die lokale Führungsriege Manschetten hat, personelle Konsequenzen an der Spitze in Berlin zu fordern, ist der Ortsverein Hennekamp mit Ratsherr Oliver Müller da direkter: Schon zwei Mal beantragte man auf Parteitagen nicht weniger als den Rücktritt des kompletten Bundesvorstandes. Müller: „Diese Leute sind einfach zu lange und zu erfolglos oben, denen fehlt die Bodenhaftung.“ Anders sei etwa ein „Fall Maaßen“, bei dem jemand nach schlimmen Fehlern mit Zustimmung von Andrea Nahles gehaltsmäßig noch befördert wurde, nicht zu erklären.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort