Interview Single-Wohnungen in Düsseldorf: „Wohnen ist ein Menschenrecht und darf nicht Luxus sein“

Düsseldorf · Reinhold Knopp ist Soziologe. Und besorgt um Düsseldorf. Noch ist Düsseldorf nicht Paris – noch.

 Prof. Dr. Reinhold Knopp vom Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften und Dekan an der Hochschule Düsseldorf.

Prof. Dr. Reinhold Knopp vom Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften und Dekan an der Hochschule Düsseldorf.

Foto: Melanie Zanin

Wieso gibt es gerade so viele Ein-Personen-Haushalte in Düsseldorf?

Reinhold Knopp: In deutschen Großstädten haben Ein-Personen-Haushalte mit meist ca. 50 Prozent einen hohen Anteil an dem Gesamt der Haushalte. In Düsseldorf gibt es nach Angaben des Amtes für Statistik und Wahlen (Stand 31.12.2018) 193 351 Ein-Personen-Haushalte. Damit liegt der Anteil in Düsseldorf ca. ein bis zwei Prozent höher als in Köln und Frankfurt. Allerdings wäre es verfehlt zu glauben, dass es sich hier um junge Single-Haushalte handelt, denn der Anteil der unter 30-Jährigen macht nur etwa ein Fünftel der Ein-Personen-Haushalte aus. Die Altersgruppe über 65 Jahren liegt bei fast bei einem Viertel und damit deutlich höher.

Wenn eine 40-Quadratmeter-Wohnung in Pempelfort für 477 Euro warm bei Immoscout 6664 Aufrufe und 477 Kontaktanfragen aufweist, wie frustriert müssen die Suchenden wohl nach einem Monat Suche sein?

Reinhold: Für Studierende wird es immer schwieriger, in Düsseldorf eine Wohnung zu bekommen. Das beeinflusst natürlich auch das Studium, sowohl durch längere Anfahrten als auch hinsichtlich eines gemeinsamen studentischen Lebens in der Stadt. In der Konsequenz heißt das, es werden viel mehr Plätze in Wohnheimen für Studierende oder andere Angebote benötigt, deren Miete für diese bezahlbar ist. Die sogenannten Mikroapartments sind für Studierende kein geeignetes Angebot, da hier die Kaltmiete meist bei über 500 Euro liegt.

In einem Neubau in Friedrichstadt wird ein 42-Quadratmeter Appartement (1055 Euro warm, nicht möbliert) bei Immoscout auf Deutsch und auf Englisch angeboten. Die englischsprachige Anzeige weist deutlich mehr Anfragen und Interessenten auf. Wer wird hier angesprochen?

Knopp: Zunächst einmal kann gesagt werden, wem diese Wohnangebote nicht nützen, nämlich jungen Familien, deren Zahl in der wachsenden Stadt Düsseldorf abnimmt, wie die lokalen Medien Ende des vergangenen Jahres berichteten. Was ein Skandal ist, da die Stadt gegenwärtig einiges dafür tut, dieser „Zielgruppe“ eine soziale Infrastruktur zu bieten. Solche Angebote wie das in Friedrichstadt sind an Gutverdiener gerichtet, deren Unternehmen mitunter auch diese Miete übernehmen und als Kosten von den Steuern absetzen.

Wie sehen Sie die Entwicklung des Mietpreises, der zuletzt ja nicht mehr ganz so stark angestiegen ist wie in den Jahren zuvor?

Knopp: Die Tatsache, dass Wohnungen im Kontext der Niedrigzinsen eine der wichtigsten Möglichkeiten bietet, Profit zu machen, lockt immer mehr Investoren aus dem In- und auch Ausland nach Düsseldorf, wo der Wohnungsmarkt genau das hergibt. Das wird sich im Selbstlauf – also über den Markt – kaum ändern, denn wohnen müssen die Menschen ja irgendwo und auch im Umland sind die Mieten und die Baupreise angestiegen. Die bei Investitionen in Wohnungen angestrebte Rendite wird auch in Zukunft in den innenstadtnahen Bereichen mit Privatvermietung zu Mietanstieg und zu Verdrängungen führen.

Müssen wir in einer Stadt wie Düsseldorf neu denken, ist alleine Wohnen ein Luxus, den es nicht mehr geben kann?

Knopp: Wohnen ist ein Menschenrecht und darf nicht Luxus sein, umso wichtiger ist es, den Kampf um bezahlbaren Wohnraum zu führen. Der Politikwechsel unserer jetzigen Stadtregierung in die Richtung, als Stadt selber zu bauen und ansonsten in erster Linie Genossenschaften und die Wohnungsgesellschaften zum Zuge kommen zu lassen, ist sicherlich richtig. Dazu gehört auch eine verstärkte Förderung von Wohnprojekten und die Schaffung von Angeboten für WGs. Das reicht aber nicht. Es müssen alle gesetzlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um den Markt zu zügeln und auf politischer Ebene weitere Maßnahmen zum Schutz voran zu treiben. Das vor kurzem vorgestellte Bürgerbegehren „Wohnen bleiben im Viertel“ mit der Forderung nach Milieuschutzsatzungen ist eine Maßnahme davon. Aber auch Skandalisierung von Verdrängung durch vorgetäuschten Eigenbedarf gehört dazu. Noch ist Düsseldorf im Unterschied zu manchen europäischen Metropolen wie Paris in Teilen eine sozial gemischte Stadt, was mehr zu ihrem Charme beiträgt als irgendwelche Events. Sich dafür einzusetzen, dass dieser Rest an Differenz erhalten bleibt, ist eine wichtige Aufgabe für die ganze Stadtgesellschaft, und daran wird auch Politik zu messen sein.

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