Künstlerische Skulptur Das Pferd mit dem großen Loch im Bauch

Düsseldorf · Angelika Freitag schuf einen Vierbeiner am Wehrhahn – ohne eine Majestät im Sattel. Es ist der Höhepunkt ihres künstlerischen Schaffens.

 Es ist ein besonderes Pferd, das unweit der Frankenheim-Brauerei an der Wielandstraße steht. Angelika Freitag schuf die Skulptur.

Es ist ein besonderes Pferd, das unweit der Frankenheim-Brauerei an der Wielandstraße steht. Angelika Freitag schuf die Skulptur.

Foto: Zanin, Melanie (MZ)

Zu einem Pferdestandbild gehört normalerweise ein Reiter, der hoch zu Ross auf die Menschen herabblickt. Das Pferd der Angelika Freitag kommt ohne Sockel und ohne Reiter aus. Mehr noch, es hat ein so großes Loch im Bauch, dass die Kinder ihren Kopf hineinstecken, während die Erwachsenen durch das Pferd hindurch auf den Verkehr am Wehrhahn blicken. Odysseus hätte seine Freude an dem Tier, denn wie in der griechischen Sage könnten sich Soldaten darin verstecken und gegen Troja in den Krieg ziehen. Der Vierbeiner der Angelika Freitag steht unweit der Frankenheim-Brauerei an der Wielandstraße.

Die Brauerein lobte 1990
einen Wettbewerb aus

1990 war der Platz am Wehrhahn/Wielandstraße so weit umgestaltet, dass die alte Pferdetränke restauriert und direkt vor der Bierschänke aufgestellt werden konnte. Dort hatten sich einst die Pferde gelabt, bevor sie ihren Weg vor der Pferdebahn zwischen Graf-Adolf-Platz und Zoopark fortsetzten. Als die Straßenbahn die Tiere ablösten, war die Tränke eigentlich überflüssig. Da sie aber so schön vor der Haustür von Frankenheim lag, spendierte die Brauerei ein kunstvolles Pferd und lobte einen Wettbewerb aus, den die Düsseldorferin, Jahrgang 1952, gewann. Sie tat der Brauerei allerdings nicht den Gefallen, das Tier neben die Tränke zu stellen. Das hätte sie als kitschig empfunden. Sie wollte aber auch kein Brauereipferd und kein Rennpferd schaffen, sondern ein doppeldeutiges Kunstwerk.

Die Bildhauerin ist Meisterschülerin von Alfonso Hüppi an der Kunstakademie. Und sie ist zugleich Tierliebhaberin und Reiterin. Sie war prädestiniert für den Auftrag. Außerdem wohnt sie in der Nähe der Jägerhofstraße. Schon als 12-Jährige steuerte sie den Reitklub Hofgarten an. Ein Großteil ihres früheren Lebens spielte sich dort auf den Rennpferden des Reitlehrers Willi Rumstich ab.

Diese Reitschule war nach dem Krieg der Treffpunkt der High Society. Herzog und Herzogin von Croy sowie der Großindustrielle Gustav Zapp verkehrten dort, als sie noch keine eigenen Pferde hatten. Angelika ritt und pflegte die Tiere, die ihr nicht gehörten, und sie ließ sich sogar zur Amateurrennreiterin in Köln ausbilden, um im Training mitzureiten. Für sie war klar: Sie musste den Wettbewerb gewinnen. Und sie gewann ihn.

Am 3. September 1993 wurde Einweihung gefeiert, ohne Sockel, ohne Reiter, aber unter einem gewaltigen Ahornbaum. Warum aber mit diesem großen Loch? Ihre Antwort irritiert, wenn sie sagt, sie wolle dem Material Bronze den „Ewigkeitsschrecken“ nehmen. Die Pferde barocker Herrscher seien für die Ewigkeit gedacht, mitsamt einem monströsen Bauch. Sie habe das Material gerade dort weggenommen, wo das Pferd am voluminösesten ist. Wo normalerweise die wichtigsten Organe sitzen, hat ihr Tier nun einen Hohlraum. Aber das Loch erfüllt das Tier zugleich mit Leben, optisch wie symbolisch. Denn der Betrachter sieht durch die Hülle hindurch auf die Passanten, die Autos und die Straßenbahnen. Das moderne Leben wird also dem lebensgroßen, aber geschlechtslosen Wesen, das weder Augen noch Mähne hat, eingepflanzt. So wirkt es statisch und lebendig zugleich.

Die Skulptur nennt sich „Fokus“, Augenmerk also. Der Fußgänger richtet seinen Blick auf die Ansicht und Durchsicht der Pferdeplastik, erfährt die Wechselwirkung von Innen und Außen, Statik und Dynamik, Kunst und Leben, stoischer Ruhe und turbulentem Verkehr.

Für Angelika Freitag ist dieses Bronzepferd der Höhepunkt ihres künstlerischen Schaffens. Beflügelt von diesem Erfolg wollte sie ursprünglich auch noch ein Denkmal für das Tonnenrennen mit der Schubkarre und dem hölzernen Fass schaffen. Das Bronze-Modell ist längst fertiggestellt. Der Mann mit dem Jauchefass wirkt zauberhaft und witzig zugleich. Aber der Auftraggeber dachte felsenfest daran, er werde selbst in Bronze abgegossen. Von einer künstlerischen Umsetzung der Figur hielt er nichts, zumal er die Kartoffel am Schlips der Kunstfigur vermisste. Schließlich verschwand auch der Geldgeber, so dass das linksrheinische Düsseldorf seiner schönsten Skulptur beraubt ist, die es nie zu Gesicht bekam. Sogar der Standort stand schon fest, denn der damalige Pfarrer war so begeistert, dass er das Denkmal der Narretei an den Rand des Kirchengeländes stellen wollte.

Das Modell des Pferdes
wurde aus dem Depot gestohlen

Während das Modell für das Tonnenrennen auf bessere Tage wartet, wurde das Modell des Pferdes mitsamt Loch gestohlen. Es lagerte zuletzt im Fundus des Opernhauses in Rath, wurde entwendet und tauchte bei einem Galeristen in Bad Ems auf, der es ihr nur für teures Geld verkauft hätte.

Die Bitte musste sie abschlagen, denn Angelika Freitag ist nicht auf Rosen gebettet. Sie hat zeitweilig als Lehrerin und auch als Lehrbeauftragte im Orientierungsbereich der Kunstakademie gearbeitet. Das lag ihr jedoch nicht, sie wollte nichts als Kunst machen, selbst mit dem Risiko, kaum Sammler an sich zu binden. Stattdessen hilft sie ihren Künstlerkollegen. So sitzt sie im Vorstand des Vereins zur Veranstaltung von Kunstausstellungen und im Verein der Düsseldorfer Künstler, korrigiert die Kataloge und gehört zum Aufbauteam der Ausstellungen. Und wenn es sein muss, putzt sie auch im Treppenhaus.

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