Düsseldorfer prägen ihr Stadtmuseum

Rund 100 Ehrenamtler arbeiten im Stadtmuseum mit den Hauptberuflern Hand in Hand.

Düsseldorf. Seine Stunden zählt Gerhart Matthäus nicht. „Dann geht die Leidenschaft verloren“, sagt der 71-Jährige. Arbeitszeiten, Aufstiegschancen und Leistungszwang — diese Dinge hat der ehemalige Personalleiter in verschiedenen Wirtschaftsunternehmen hinter sich gelassen. Was ihn heute antreibt, ist bürgerschaftliches Engagement. Damit ist der studierte Sozialwissenschaftler im Stadtmuseum an der richtigen Adresse: Rund 100 Männer und Frauen — überwiegend im „nachberuflichen Alter“ wie Matthäus es nennt — arbeiten an der Berger Allee freiwillig und unentgeltlich.

Zum Teil sitzen sie mit den hauptberuflichen Mitarbeitern im selben Büro. In der Fotosammlung als Düsseldorf-Experten zum Beispiel, im Archiv oder ganz praktisch — als Mitarbeiter für die aktuelle Ausstellung zur Stadtgründung, die am 5. Februar eröffnet wird. Wo mittelalterliche Urkunden fehlten, haben die Ehrenamtler eigene Exponate geschaffen, die nun den Alltag vor 725 Jahren dokumentieren.

Seit 2008 hat sich im Museum ein zuverlässiges Netzwerk entwickelt. Matthäus koordiniert den Einsatz, organisiert regelmäßige Treffen, um Projekte auf den Weg zu bringen, und organisiert Fortbildungen. Alles Dinge, die schon immer seinen beruflichen Alltag bestimmt haben. Und doch ist etwas anders: „Hier lernt man Dinge über sich, von denen wusste man vorher nichts.“

Für Museumsdirektorin Susanne Anna haben Menschen wie er eine Schlüsselfunktion, daher heißen sie in ihrem Haus Keyworker. Diese Düsseldorfer bringen die Stadt ins Museum: Ganz handfest, wenn sie ihre „Schätze in Decken verpackt ins Haus tragen“, und wenn sie mit ihrer Mitarbeit und Persönlichkeit das Museum prägen. „Damit ist das Haus wie die Stadt.“ Und darauf ist Anna mächtig stolz. „Wir sind ein lernender Organismus und haben den Absolutheitsanspruch der Wissenschaft aufgehoben.“ Das sei neuartig in der Museologie und das Düsseldorfer Stadtmuseum damit einzigartig. Anna: „Wir sind gewissermaßen ein Kollektiv, das sogar seinen Salat selbst anbaut.“ In der hauseigenen Werkstatt habe man alle Möglichkeiten. Sie nennt es ihr Betriebsgeheimnis, das sie unabhängig von großen Etats mache.

Matthäus formuliert es zurückhaltender. „Die Keyworker sind Gäste im Museum.“ Jeder, der möchte, kann sich einbringen. „Wir tun das organisiert. Auch ein Ehrenamt braucht Verbindlichkeit.“ Das bedeute aber nicht, dass jeder wie er selbst quasi Vollzeit zur Verfügung stehe. „Manche sind nur für ein Projekt dabei, andere gehören fest dazu.“

Eine Ausgabe der hauseigenen Zeitung beispielsweise haben die Keyworker gestaltet. Darin resümieren sie ihre Leistungen: von einer Fotoausstellung zum Golzeimer Friedhof 2009 zum künstlerisch gestalteten „Plädoyer für die Gartenstadt Düsseldorf“ 2012, von der Digitalisierung der Fotosammlung über Schattentheater zur Mitarbeit an verschiedenen Ausstellungen zum Beispiel der Napoleon-Schau im vergangenen Jahr.

Noch am Anfang steht eine Zusammenarbeit zwischen Stadtmuseum, Keyworkern und Diakonie: Düsseldorfer mit Demenz erzählen ihre Lebensgeschichte. „Wir gehen mit diesen Menschen einen ausgewählten Weg durch das Museum“, erklärt Matthäus. Danach kommen im Gespräch die Erinnerungen hoch, sagt er. Geschichten aus Düsseldorf, die zu einem späteren Zeitpunkt auch veröffentlicht werden sollen. Für Direktorin Anna sind es subjektive Darstellungen, die in ihrem Museum ebenso einen Platz haben sollen wie Urkunden und Werke von Joseph Beuys. Ein Konzept, das ein Museum für die Stadt will und das auf die bürgerschaftliche Hilfe vieler Düsseldorfer angewiesen ist.

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