Leibniz-Preis Düsseldorfer Physiker ist Alzheimer-Krankheit auf der Spur

Düsseldorf · Der 40-jährige Wissenschaftler Baptiste Gault entwickelt ein Analyse-Gerät und erhält dafür den Leibniz-Preis.

 Baptiste Gault im Düsseldorfer Max-Planck-Institut.

Baptiste Gault im Düsseldorfer Max-Planck-Institut.

Foto: Helga Meister

Beim Physiker Baptiste Gault im Düsseldorfer Max-Planck-Institut für Eisenforschung macht sich eine kleine Einstein-Figur permanent einen Vogel. Eigentlich müsste sie jetzt winken, denn der gebürtige Franzose aus Le Havre hat soeben die höchste wissenschaftliche Auszeichnung Deutschlands erhalten, den Leibniz-Preis. Der 40-jährige Forscher optimierte ein spezielles Gerät, um nicht nur Metalle, sondern auch Sauerstoffverbindungen (Oxide) und Biomaterial wie Alzheimer-Proteine (also Eiweißstoffe) zu analysieren. Ein wichtiger Schritt, um diese hirnorganische Krankheit zu überwinden. Ein Gespräch über defekte Windkraftanlagen, das Cluster im Gehirn von Kranken und das Eis der Arktis.

Sie arbeiten im Max-Planck-Institut für Eisenforschung. Hat Ihre Forschung denn noch etwas mit dem Eisen zu tun?

Baptiste Gault: Ein bisschen schon. Eisen und Kohlenstoff sind die Hauptelemente im Stahl, aber Stahl ist sehr kompliziert, denn er kann aus vielen anderen Elementen wie etwa Aluminium bestehen. Unser Ziel ist es, die Eigenschaften zu verbessern. Dafür benutzen wir die Atomsonden-Tomografie, eine große Lupe, um zu verstehen, wie die Elemente verteilt sind.

Worum geht es Ihnen genau?

Gault: Die Art und Anordnung der Atome bestimmen die Eigenschaften des Materials. Um neue Materialien mit ganz bestimmten Eigenschaften zu entwickeln, müssen wir nicht nur die Struktur ihrer Teile, sondern ihre wechselseitige Abhängigkeit voneinander kennen.

Was ist daran neu?

Gault: Bisher konnte man mit der Atomsonde nur Metalle untersuchen. Ich habe die Analyse auf verschiedene Materialien ausgeweitet, auch auf Oxide (Sauerstoffverbindungen) und biologische Materialien wie Alzheimer-Proteine.

Arbeiten Sie mit Biologen und Medizinern zusammen?

Gault: Ja, mit der Heinrich-Heine-Universität und dem Forschungszentrum Jülich. Von dort kommen die Proben, die ich mit der Atomsonde analysiere.

Hängt Alzheimer mit der Konstellation der Atome zusammen?

Gault: In den Alzheimer-Proteinen ist hauptsächlich Kohlenstoff enthalten, aber auch Spuren von Metallen. Wenn sich Metalle und Kohlenstoff verbinden, bilden die Proteine ein Cluster und sind dann ein Gewebe innerhalb des Gehirns. Das verursacht die Alzheimer Krankheit.

Hoffen wir, dass dies der erste Schritt zur Heilung dieser schrecklichen Krankheit ist. Aber Sie haben im Vorjahr auch einen großen Preis über den europäischen Forschungsrat erhalten. Was ist damit?

Gault: Es ist ein Projekt über fünf Jahre. Wir möchten Wasserstoff analysieren, denn wenn Wasserstoff im Stahl ist, wird der Stahl brüchig. Dieses Problem gibt es bei allen Anwendungen, die der Feuchtigkeit ausgesetzt sind. Zum Beispiel bei Windkraftanlagen am Meer, wo Salz, Wasser und Wind zusammenkommen. Wenn sich da Wasserstoff festsetzt, wird das Metall brüchig. Diese Wasserstoffversprödung ist seit 120 Jahren bekannt und noch immer nicht gelöst.

Und trotzdem baut man Windräder im Meer?

Gault: Ja, sie werden unter immensen Kosten ausgetauscht, bevor das Material spröde wird.

Worin liegt das Problem bei den Windrädern?

Gault: Wir wissen, dass Wasserstoff im Material ist, aber nicht, wo die Wasserstoffatome sitzen. Sobald wir das wissen, können wir Materialien entwickeln oder optimieren, um entweder mit dem Wasserstoff besser umzugehen oder ihn zu eliminieren. Die Atomsonde ist die einzige Technik, die es ermöglicht, Wasserstoff im Material zu detektieren.

Sie bekommen zwei Millionen Euro vom Europäischen Forschungsrat und 2,5 Millionen Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Was machen Sie mit dem vielen Geld? Sie können ja ganz neue Wissenschaftszweige ans Haus binden?

Gault: Das Geld wird hauptsächlich genutzt, um Leute einzustellen, die in den verschiedenen Projekten forschen.

Ihr nächstes Ziel?

Gault: Ich möchte das Eis der Arktis analysieren. Unreinheiten verändern den Schmelzpunkt. Die Reinheit hängt aber nicht davon ab, wie tief ich ins Eis dringe, sondern wann die Eisschicht entstanden ist und was es damals für eine Atmosphäre gab. Das heißt, wir können zurück in die Geschichte gehen, um Rückschlüsse auf die damalige Atmosphäre zu ziehen. Dadurch könnten wir vorhersagen, wann das Eis schmilzt oder die Gletscher brechen.

Letzte Frage: Können Sie Ihre besondere Atomsonden-Tomografie einem Laien erklären?

Gault: Ich habe eine winzige Probe, so groß wie ein Tausendstel eines menschlichen Haars. Sie wird in der Atomsonde mit Helium auf minus 250 Grad gekühlt, damit sich die Atome nicht mehr bewegen. Die Probe wird auf der einen Seite der Maschine eingelegt, und auf der anderen Seite ist der Detektor, eine Art Spiegel, aus einem elektrisch leitenden Material. Nun setzen wir den Laserstrahl an die Probe, er verdampft die Atome auf diese Platte. Daraufhin rechnen wir die Flugzeit der einzelnen Atome aus, denn jedes Element hat ein anderes Gewicht und damit eine andere Geschwindigkeit. So können wir das Material rekonstruieren.

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