Düsseldorfer Kosmetikerinnen protestieren „Wir sind genau so systemrelevant wie Friseure“

Düsseldorf · Rose Braun versteht die Welt nicht mehr: Ihr Kosmetik-Institut muss anders als Friseursalons geschlossen bleiben. Dabei seien in der Kosmetik die Hygienestandards viel höher.

 Rose Braun weiß noch nicht, wie es für ihr Kosmetikstudion weitergeht, obwohl sie permanent unter hohen hygienischen Standards arbeitet.

Rose Braun weiß noch nicht, wie es für ihr Kosmetikstudion weitergeht, obwohl sie permanent unter hohen hygienischen Standards arbeitet.

Foto: Brau/Braun

Erneut muss Rose Braun das Telefonat unterbrechen, schon wieder klopft es in der Leitung. Wenige Minuten später meldet sie sich zurück. „Das war eine Stammkundin, die sich einen Termin machen wollte“, sagt die Kosmetikerin. Sie freut sich, dass so viele Kunden ihr auch weiterhin die Treue halten wollen. Umso mehr ärgert es sie, ihnen keine verlässlichen Termindaten geben zu können. „Wir hängen völlig in der Luft“, sagt sie. „Es ist absolut unverständlich, dass Friseure ab dem 4. Mai wieder öffnen dürfen und wir Kosmetik-Institute haben nicht mal ein Datum in Aussicht.“

Seit knapp 20 Jahren ist Rose Braun in der Kosmetik tätig, seit zwölf Jahren in ihrem eigenen Institut „Dermalingua“ an der Grafenberger Allee. Zwei Mitarbeiterinnen hat sie, beide sind aktuell in Kurzarbeit. „Noch zwei Wochen vor Karneval, als das Thema Corona langsam präsenter wurde, saßen wir hier und flachsten herum, ob sich denn überhaupt noch jemand zu uns trauen würde“, sagt die 36-Jährige. Die Kunden kamen. Doch schon kurz danach ahnte die Düsseldorferin, dass sich die Lage zuspitzen würde. Die letzte Woche vor dem Erlass zur Schließung am 23. März riefen sie und ihre Kolleginnen eine Reihe von Kunden an und zogen deren Termine vor. „Eine weise Entscheidung, wie sich nur Tage später herausstellte.“

Schon in dieser letzten Woche wurden in dem Kosmetik-Institut alle Register in Sachen Hygiene gezogen: Rose Braun und ihre Kolleginnen befestigten Folie an der Decke als Spuckschutz, mit minimalen Lücken, um an der Theke bezahlen oder am Behandlungstisch die Hände zum Maniküren hindurch schieben zu können. Die Mitarbeiterinnen stellten Desinfektionsmittel und Masken bereit, erläuterten auf einem Schild im Fenster die Corona-Schutzmaßnahmen. „Grundsätzlich arbeiten wir alle permanent und ständig unter hohen hygienischen Standards. Das Wort Hygieneverordnung ist somit nichts Neues für uns“, sagt Rose Braun. „Wir waschen vor und nach jedem Kunden unsere Hände, sie werden auch vor, nach und sogar während der Behandlung desinfiziert.“

In einer Online-Petiton kämpft sie für die „Gleichstellung“

Viele Instrumente seien zur einmaligen Benutzung, andere würden nach der Behandlung in ein Desinfektionsbad gelegt. „Boden- und Flächendesinfektion, Desinfektionsbäder, Handschuhe, Mundschutz, Desinfektionsspender, die richtige Entsorgung vom Müll, die Mülltrennung, Hygiene bei Wäsche, Schutzkleidung oder Methoden zur Sterilisation - all diese Dinge sind für uns Alltag. Wir müssen nicht erst ein Schutzkonzept entwickeln. Wir sind bereit“, sagt Rose Braun. „Ich weiß nicht, ob Friseure ihre Bürsten oder Lockenwickler nach jedem Kunden desinfizieren.“

In den sozialen Medien und auf ihrer Homepage ruft sie zur Unterschrift einer Online-Petition auf, die Kosmetikstudios mit Friseursalons gleichstellen soll. Darin heißt es: „In keinem der beiden Berufe kann ein Mindestabstand von 1,5 Metern zum Kunden eingehalten werden. Aus diesem Grund ist die Entscheidung, Friseure dürfen wieder öffnen und Kosmetikstudios nicht, willkürlich getroffen worden.“

Die 36-Jährige will gar nicht gegen die Friseure schießen. Es ist die politische Entscheidung, über die sie sich ärgert. Denn: Wenn Friseure als systemrelevant definiert werden, dann sollten die Kosmetiker erst recht in die Kategorie fallen, meint sie. „Wir erhalten etliche Anrufe von älteren Kunden, die nicht mehr an ihre Füße herankommen, die einen eingewachsenen Nagel oder Hühneraugen haben. Das klingt so banal, ist für das Wohlbefinden der Kunden aber essenziell“, sagt Rose Braun. „Wir haben auch Stammkunden mit Neurodermitis oder Schuppenflechte, die richtig leiden.“

In den meisten Kosmetik- oder Fußpflegestudios sei Laufkundschaft unüblich. „Wir haben nur Stammkunden und können dementsprechend im Fall einer Infektion Kontakte sofort nachvollziehen“, sagt Rose Braun. Weil die Behandlungen im voraus terminiert werden, gebe es weder Wartezeiten noch direkte Begegnungen der Kunden untereinander.

Soforthilfe stellt nur den Tropfen auf dem heißen Stein dar

Rose Braun findet es unfair, dass Kosmetikstudios mit der Soforthilfe nun eine längere Zeit überbrücken müssen. Die Soforthilfe sei ohnehin nur ein Pflaster für die „wirtschaftliche Vollkatastrophe“ vieler. „Wir haben einen hohen Materialeinsatz. Viele Instrumente und Behandlungsgeräte sind sehr teuer in der Anschaffung, die Leasingraten dafür laufen weiter. Auch wenn das Studio zu ist.“ Da sei es zermürbend, nicht zu wissen, wann es endlich wieder los geht.

Bis dahin nutzt sie zumindest die Möglichkeit, ihr Institut zu Verkaufszwecken von Pflegeprodukten zu öffnen. Seit Montag darf sie das wie andere Läden mit einer Verkaufsfläche unter 800 Quadratmetern. Die 36-Jährige will weiterkämpfen, getragen vom Zuspruch der großen Stammkundschaft. „Wir sind überwältigt, wie viele zu uns halten. Das hat uns erneut gezeigt, wie wichtig unsere Arbeit ist und welche Wertschätzung uns entgegengebracht wird. Obwohl wir derzeit nicht als systemrelevant gelten.“

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