Düsseldorfer Jahrbuch: Havarie auf dem Rhein mit Eisschollen

Das Düsseldorfer Jahrbuch berichtet über Schiffsunglücke, Reichsmusiktage und Querelen um Straßennahmen.

Düsseldorf. Der neue Band des Düsseldorfer Geschichtsvereins ist da. Er enthält eine Fülle von Anekdoten, Kuriosa und Neuigkeiten. Die Autoren geben sich große Mühe, die Vergangenheit mit ungewöhnlichen Geschichten zu beleben. Sie schreiben über die Düsseldorfer Ursulinen und die Anfänge der Gerresheimer Drahtstiftindustrie, die Reichsmusiktage unter den Nationalsozialisten und die „Rheinischen Bürgersöhne“ in Texas. Besonders lesenswert ist das Kapitel über das Schiffsunglück von 1830 unterhalb der Schnellenburg (heute befindet sich dort die Messe), denn der pensionierte Stadtarchivleiter Clemens von Looz-Corswarem gibt zugleich einen Überblick über eine Zeit, wo noch keine Chemikalien den Rhein im Winter weich spülten. Es ist ein perfekter Beitrag zum Frachtverkehr mit Treidelknechten im frühen 19. Jahrhundert.

Der Autor fand Notariatsprotokolle über die im Eis festsitzenden Frachtschiffe „Helena“ und „Der junge Hendrik“ im Kölner Wirtschaftsarchiv. Ein reitender Bote hatte sie dem Leiter des dortigen städtischen Lagerhauses in der Festhalle Gürzenich überreicht. Danach nahm der niederländische Schiffer Wilhelm van Ginkel das Risiko in Kauf, bei Einbruch des Winters nicht schnell genug mit seinen Schiffen den Sicherheitshafen an der Kunstakademie zu erreichen. Er ließ die Schiffe von zwei Pferdeknechten treideln, also von Pferden ziehen, und zwar auch nachts — im Wettlauf mit dem Eis. Das Unglück geschah an der Schnellenburg, wo sich seit dem Mittelalter eine Treidelstation befand.

Dort wurden die Treidelpferde über den Rhein gesetzt, weil der Strom an dieser Stelle besonders breit war und eine verlangsamte Fließgeschwindigkeit im Außenbogen hatte. Das aber war zugleich die Ursache für die schnelle Eisbildung am rechten Ufer.

Der Gerichtsschreiber und Gerichtsvollzieher Daniel Friedrich Aschert protokollierte sehr gewissenhaft die Bergungsaktion. 2800 Zentner mussten auf Brettern über das Eis geschleppt werden. 70 Schiffsknechte machten mit. Im Konkurrenzkampf mit anderen Spediteuren setzte sich Wilhelm Cleff durch, der als bedeutendster Düsseldorfer Handelsunternehmer galt und zu dessen Firma auch ein Bankhaus gehörte. Cleff war Stadtrat und Präsident der Handelskammer. In Karren und Wagen ließ er die Fässer, Kisten und Ballen in seine neue Fleisch-Verkaufshalle im Marstall an der Mühlenstraße bringen. Die Halle lag also neben dem Stadthalterpalais. 1848 wurde sie geschlossen.

Clegg verkehrte mit dem Vizepräsidenten der Kölner Handelskammer, Peter Heinrich Merkens, dem Initiator der Rheinischen Transport Assekuranzgesellschaft. Merkens war auch mit Bernhard Boisserée Gründer und Motor der Preußisch-Rheinischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft, die ab 1827 regelmäßig den Rhein zwischen Köln und Mainz bediente. Ein knappes Jahrzehnt später stieg Cleff mit seinem Partner Gerhard Baum ins Geschäft mit den Dampfschiffen ein.

Mit der Elberfeld-Barmer Handelskammer errichtete der Düsseldorfer 1836 die Niederrheinische Dampfschifffahrtsgesellschaft. 1838 gründeten Baum und Cleff eine Gesellschaft zur Errichtung einer regelmäßigen direkten Dampfschifffahrt zwischen Köln, Düsseldorf und London. Die nächste Gründung der Investoren betraf die rheinische Dampfschleppschifffahrt. Die Herrschaften teilten sich mithin die Rheinschifffahrt auf, nicht mehr mit Treidelknechten, sondern mit Dampfmaschinen.

Gleichfalls interessant ist der Beitrag von Sebastian Hansen über Düsseldorfer Straßennamen in der frühen Bundesrepublik. Hansen liefert damit einen Beitrag zum Beschluss aus dem Kulturausschuss, alle Straßennamen mit umstrittenen Bezügen zu überprüfen. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg kam der Jagdflieger und „rote Baron“ Manfred von Richthofen dafür nicht mehr in Frage. Die Trasse heißt heute Kaiserswerther Straße.

Debatten gab es auch bei der Namensgebung nach Thomas Mann. Einige Politiker warfen dem Nobelpreisträger für Literatur vor, er habe es sich im amerikanischen Exil gut gehen lassen und in einem schönen Haus gewohnt, während die Daheimgebliebenen hungerten. Außerdem hätten seine Söhne als Offiziere der amerikanischen Armee gegen Deutschland gekämpft, während deutsche Soldaten für ihr Vaterland bluteten. Thomas Mann hatte 1944 die amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen. Die Befürworter siegten, die Thomas-Mann-Straße geht vom Mörsenbroicher Weg ab.

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