Stadtteile Ureinwohner, Neu-Hammer, „Hämmer“ — alle sind Hammer

Düsseldorf · Hamm Als radelnde Reporterin ging es in den Stadtteil, der am Pfingstsonntag seine Vielfalt zeigen will.

  Der Auftakt zum „radelnden Reporter“ in Hamm (links Redakteurin Annic Völkel).

 Der Auftakt zum „radelnden Reporter“ in Hamm (links Redakteurin Annic Völkel).

Foto: Zanin, Melanie (MZ)

Ein gewisses Urlaubsgefühl empfinde ich schon, als ich am Donnerstagmorgen beruflich über die Hammer Dorfstraße Richtung Rhein fahre. Als radelnde Reporterin will ich hier heute mit Hammern sprechen, etwas über das Lebensgefühl im Stadtteil erfahren. Und gleich am Dorfplatz „De Blääk“ (so heißt „die Bleiche“ auf Platt, wie ich später von Dorf-Historiker Franz Josef Etz erfahre), erlebe ich etwas, das nicht in vielen Stadtteilen Düsseldorfs möglich ist: Zwei Frauen treffen sich („Gut, dass ich Sie sehe“), vertiefen sich mitten auf der Straße stehend in einen Austausch der Neuigkeiten, und gehen erst auseinander, als ein Autofahrer ihr Gespräch „stört“. Nach nur wenigen Minuten „Beobachtung“ vor der Bäckerei am Platz wird klar: In Kappeshamm kennt wirklich (fast) jeder jeden, man grüßt sich, winkt _ das kommt sympathisch rüber.

Hamm ist heute mein Ziel, denn der Stadtteil feiert sein 625-jähriges Bestehen. Größter Programmpunkt der übers Jahr verteilten Veranstaltungen ist am Pfingstsonntag das große Straßenfest. Überall hängen die Plakate und Flyer (“Hamm feiert“). Doch wer steckt dahinter, wer organisiert es? Die „Ureinwohner“, wie manche scherzend sagen, oder sind da etwa auch „Neu-Hammer“ mit dabei, von denen es doch immer hieß, dass sie so schwer Kontakt zu den Alteingesessenen im Stadtteil bekommen. Volker Herrmann ist so ein Zugezogener. Seit zehn Jahren lebt der Familienvater hier. „Ich war anfangs auch etwas skeptisch. Aber wir wollten unbedingt in der Stadt bleiben und auch etwas vom Dorfleben haben.“ Wenn man offen sei und mit den Menschen plaudere, werde man schnell zum „Hammer“, sagt Hermann.

Der 49-Jährige ist inzwischen ehrenamtlich aktiv. Mit fünf, sechs Eltern engagierte er sich seit 2014 in der Förderinitative „Hammer Pänz“ dafür, dass die Grundschule an der Florensstraße mit Tablet-PCs ausgestattet wurde. Die Gruppe, die die Kinder in vielen Bereichen unterstützen will, hat mittlerweile 60 Aktive. Und der zugezogene Volker Hermann ist inzwischen Vorstandsmitglied des Fördervereins Düsseldorf-Hamm. Der wurde bereits zur 600-Jahr-Feier gegründet, Theo Andree war Gründungsmitglied. „Die Stadt hatte damals kein Geld für uns, da haben sich 13 Leute zusammengetan“, erzählt er. Nach dem damaligen Fest hat man sich nicht aufgelöst, will Hammer Themen im Sinne des Stadtteils aber auch neutral begleiten. Und der Verein ist jetzt auch der Veranstalter der 625-Jahr-Feierlichkeiten.

Mit jüngerem Vorstand. Daniel Leuchten ist der Vorsitzende, der mit der Präsentation des Stadtteils am Pfingstsonntag auf dem Straßenfest (vom Gartenbau über die Gastronomie bis zum Schützenwesen) das Ziel hat, „alle Einwohner, auch die neuen“ zu integrieren. 300 Ehrenamtler stellen den Tag auf die Beine, die meisten sind Mitglieder des Schützenvereins. So auch Andreas Küpper, 2. Chef der St. Sebastianus Schützenkompanie, der sagt: „Wir stellen auch unseren geographisch traumhaft gelegenen Schützenplatz zur Verfügung.“ Die Schützen werden helfen, wo sie können, und der 42-Jährige Küpper ist aktuell sogar amtierender Regimentskönig von Hamm und stolz, dass er dies im Jubiläumsjahr sein darf. „Ich bin beeindruckt, wie herzlich ich überall empfangen werde“, sagt er.

Küpper steht auch für das Handwerk. Der Karosseriebauer bedauert, dass Platzmangel und Wohnungsbau die Betriebe in den vergangenen Jahren immer verdrängt haben, zeigt aber Verständnis. „Wenn auch viele Betriebe ausgewandert sind, viele unterstützen den Stadtteil noch, und privat werde ich hier nie wegziehen.“

Darf man eigentlich noch „Kappeshamm“ sagen?

Darf man eigentlich „Kappeshamm“ sagen oder ärgert das die Hammer, auf Platt (die „Hämmer“)? Nun, Michael G. Meyer, der die Pressearbeit für das Jubiläumsfest macht, nutzt den Begriff selbst auch gerne. Petra Tappertzhofen hatte 2013 die Initiative „Kappeskids“ gegründet, mit dem klangvollen Namen viel Öffentlichkeit bekommen, als es darum ging, endlich den Spielplatz am Rhein zu sanieren. Inzwischen ist sie Sprecherin des Hammer Netzwerkes „Hammer Unternehmerinnen“. Das tut auch eine Menge dafür, dass die Bürger zusammenrücken. Die Frauen organisieren den Weihnachtsmarkt, Kindertrödel, das Deich-Dinner, zu dem jeder mit Tisch und Stühlen und eigenem Essen anrücken kann.

„Kappes“, das ist der Kohl. Ob grün, weiß oder rot. Früher wurde hier nur Gemüse angebaut. Das weiß Wilhelm Baum, der einen Gartenbaubetrieb leitet. Er erzählt vom Strukturwandel, den zu kleinen landwirtschaftlichen Parzellen, die wirtschaftlicher betrieben werden müssen. Und so gibt es zwar noch die Kappesfelder, inzwischen werden aber in Hamm hauptsächlich Zierpflanzen und Blumen gezüchtet. Doch der Name Kappesheim, der wird bleiben.

Auf dem Lastenrad unterwegs ist Christian Konen. Sein Handy klingelt am Donnerstag ständig. Kein Wunder. Der 2. Vorsitzende des Fördervereins und Schütze hat die Organisationsleitung für das Pfingstfest übernommen. Mit dem Lastenrad kann er das viel besser erledigen. Auch privat macht der 33-Jährige 95 Prozent der Einkäufe damit, und die Fahrten zu den Fortuna-Spielen auch mal mit einem Kasten Bier „an Bord“. Doch bis Sonntag wird das Fahrzeug allein für das Fest eingesetzt. Wir radeln gemeinsam noch durchs „Dorf“, vorbei an der Baustelle, wo bis vor kurzem der Bunker stand. Der ist nun abgerissen, neue Wohnungen werden gebaut. Spontan und bestimmt sagt Konen: „Ich mag den Bergriff ,Neu-Hammer’ nicht. Ich bezeichne alle als Hammer.“

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