Interview mit Aufsichtsratschef Hartnigk „Wir fahren noch im Nebel“

Interview | Düsseldorf · Der CDU-Politiker und Rheinbahn-Aufsichtsratschef über seine Vorstellungen von einer Verkehrswende.

 Der Rechtsanwalt Andreas Hartnigk befasst sich für die CDU seit langem mit Verkehrspolitik im Stadtrat, schon von 2009 bis 2014 leitete er den Rheinbahn-Aufsichtsrat.

Der Rechtsanwalt Andreas Hartnigk befasst sich für die CDU seit langem mit Verkehrspolitik im Stadtrat, schon von 2009 bis 2014 leitete er den Rheinbahn-Aufsichtsrat.

Foto: Anne Orthen (orth)/Anne Orthen (ort)

Der CDU-Politiker Andreas Hartnigk (57) gehört zu den Schlüsselfiguren für Düsseldorfs Verkehrspolitik in den kommenden Jahren. Der Rechtsanwalt ist stellvertretender Vorsitzender des Ordnungs- und Verkehrsausschusses – und führt seit Dezember den Aufsichtsrat der Rheinbahn. Diesen Posten hatte er bereits unter CDU-Oberbürgermeister Dirk Elbers von 2009 bis 2014 inne.

Herr Hartnigk, Sie haben den Vorsitz des Rheinbahn-Aufsichtsrats vom abgewählten Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) übernommen, der den Aufsichtsrat in den sechs Jahren seiner Amtszeit geleitet hatte. Was wollen Sie anders machen?

Andreas Hartnigk: Wir sind schon schon seit Dezember dabei. Es ist mir wichtig, das Wir-Gefühl bei der Rheinbahn zu verbessern. Das hat unter meinem Vorgänger gelitten. Ich führe intensive Gespräche mit Betriebsrat und Vorstand und stehe auch schon mal morgens um 4 Uhr auf einem Betriebshof, um einen Blick in die Werkstätten zu werfen. Außerdem müssen wir natürlich über die Verkehrswende in unserer Stadt sprechen.

In der Zeit von Geisel zwischen 2014 und 2020 hat die Rheinbahn ihr Angebot enorm ausgeweitet. Es gibt neue Linien und auf vielen Strecken einen engeren Takt vor allem am Abend und am Wochenende.

Hartnigk: Viel hilft nicht immer viel. Leider ist das erhoffte Wachstum an Fahrgästen ausgeblieben. Dieser rein angebotsorientierte Ansatz ist aus meiner Sicht gescheitert. Mehr zu fahren, bringt alleine nichts, verursacht aber enorme Kosten. Wir müssen schauen, wie wir die Rheinbahn effektiver machen können.

Wird also gespart?

Hartnigk: Darum geht es nicht. Wir müssen besser schauen, wie und wo die Kapazitäten eingesetzt werden. Ein Beispiel: Die Linie U79 ist am Morgen teilweise so überfüllt, dass Fahrgäste nicht mehr hineinkommen. Andererseits gibt es Strecken mit sehr geringer Auslastung. An der einen Stelle müsste die Rheinbahn mehr tun, an anderen Stellen wäre es dafür völlig in Ordnung, wenn Bus oder Bahn zum Beispiel alle 15 statt 10 Minuten kommen.

Im Gespräch ist zum Beispiel, die Metro-Busse einzuschränken und samstags nicht mehr fahren zu lassen.

Hartnigk: Ja, darüber müssen wir nachdenken. Das ist Sache der Stadt, der Politik gemeinsam mit der Rheinbahn. Die Metro-Linien werden am Wochenende kaum angenommen. Wir könnten hunderttausende Euro pro Monat sparen, wenn wir dann weniger fahren, und dieses Geld an anderer Stelle sinnvoller investieren.

Vor einigen Jahren wurde mit einer ähnlichen Begründung über ein Aus für die Linie 708 vom Zooviertel zum Hauptbahnhof nachgedacht. Das damalige Ampel-Bündnis aus SPD, Grünen und FDP scheute den Schritt aber wegen der Proteste von Bürgern. Setzen sie nicht ein falsches Signal?

Hartnigk: Das Angebot muss sich am Bedarf der Menschen ausrichten. Auch die 708 ist weiterhin kaum ausgelastet und hoch defizitär. Wir müssen konstruktiv darüber reden, wie wir damit umgehen. Wir haben im Aufsichtsrat gerade eine gute Basis quer durch alle Parteien, um über solche Fragen nachzudenken.

Das andere große Thema der nächsten Jahre ist die Coronakrise. Die Rheinbahn steuert in diesem Jahr erneut auf ein enormes Defizit zu.

Hartnigk: Das ist nicht die Schuld der Rheinbahn. Alle Verkehrsunternehmen haben durch den Lockdown massiv Fahrgäste verloren. Der Gang ins Homeoffice hat viele Abonnenten gekostet, die Großveranstaltungen wie Messen oder Sport sind ausgeblieben. Wir hoffen, dass es wie im Vorjahr einen Rettungsschirm für ÖPNV-Unternehmen geben wird.

Die Rheinbahn fährt derzeit nach dem üblichen Plan. Müsste sie nicht viel weniger fahren, so lange die Mobilität so eingeschränkt ist?

Hartnigk: Nein. Bus und Bahn gehören zur öffentlichen Daseinsvorsorge. Wir brauchen ein verlässliches ÖPNV-Angebot als Alternative zum Auto. Wir wollen nicht, dass jetzt wieder alle aufs Auto umsteigen und wir verstopfte Straßen haben. Wichtig ist, jetzt die richtigen Entscheidungen für die nächsten Jahre zu treffen.

Was heißt das?

Hartnigk: Es wird sich nicht ein Schalter umlegen und die Situation vor Corona zurückbringen. Umfragen zeigen zum Beispiel, dass viele Firmen dauerhaft mehr Homeoffice zulassen wollen. Das wird sich in den Fahrgastzahlen und damit in geringeren Einnahmen zeigen. Ich finde es gut, dass der VRR jetzt reagiert und die Rheinbahn ein neues Ticket für Arbeitnehmer im Homeoffice ausprobieren lässt. Wir wissen aber auch: Wir fahren noch im Nebel. Viele Entwicklungen sind noch gar nicht abzusehen. Wir müssen flexibel bleiben.

Was wollen Sie bis zur nächsten Wahl 2025 geschafft haben?

Hartnigk: Ich setze mich dafür ein, dass die Rheinbahn dann wieder zu ihrem vor Corona so hervorragenden Kostendeckungsgrad zurückgekehrt ist. Die Fahrzeugflotte muss modernisiert werden, die Hochbahnsteige ausgebaut – und ich wünsche mir auch, dass die Rheinbahn weiterhin ihre Leistungen auch im Kreis Mettmann und im Rhein-Kreis Neuss anbietet. Darüber wird gerade verhandelt. Es ist also genug zu tun.

Das neue Ratsbündnis aus CDU und Grünen will Düsseldorf zur „Klima-Hauptstadt“ machen. Was bedeutet das für den Verkehr?

Hartnigk: Der ÖPNV wird ein starkes Standbein sein, ohne eine Stärkung der Rheinbahn lässt sich die Klimaneutralität im Jahr 2035 nicht erreichen. Wir stärken auch den Radverkehr, wobei man realistisch sagen muss, dass viele der neuen Radfahrer frühere Rheinbahn-Kunden sind.

Sollen die heutigen Autofahrer auf andere Verkehrsmittel umsteigen?

Hartnigk: Wir wollen die Alternativen zum Auto attraktiver machen. Wir als CDU stehen aber weiterhin für eine individuelle Wahl des Verkehrsmittels. Wir wollen nicht die Autofahrer gängeln. Die Infrastruktur für E-Autos muss ausgebaut werden. In Stadtteilen wie Unterbilk gibt es viel Interesse an E-Mobilität, aber bislang viel zu wenige Ladestationen.

Der Zeitplan bis zur Klimaneutralität ist sehr ambitioniert.

Hartnigk: Ja, und man muss realistisch bleiben. Ich verspreche mir zum Beispiel viel von der Rheinquerung der U81. Sie wird die Anbindung des Linksrheinischen stark verbessern. Wir müssen da Tempo machen, aber trotzdem dauern solche großen Infrastrukturprojekte lang. Es könnte 2030 oder 2035 sein, bis die neue Strecke fertig ist.

Verkehrswende-Aktivisten fordern, es Autofahrern durch höhere Parkgebühren oder gar eine Citymaut ungemütlicher zu machen, um den Umstieg zu beschleunigen.

Hartnigk: Wir überarbeiten gerade das Parkraumkonzept. Wir wollen aber weiterhin alle gleich behandeln. Wenn jetzt zum Beispiel für den Bau eines Radwegs über die Merowingerstraße 160 Parkplätze wegfallen, müssen wir auch den Bau einer Quartiersgarage fördern. Es ist nach wie vor in Ordnung, wenn auch die Menschen in der Innenstadt ein Auto haben, selbst wenn es mal zwei Tage unbenutzt herumsteht, weil die ÖPNV-Anbindung gut ist. Auch Lastenräder, deren Anschaffung wir gerade fördern, stehen mal ein paar Tage rum.

Sind Sie da eigentlich mit den Grünen einer Meinung?

Hartnigk: Auch die Grünen wissen, dass wir gute Lösungen brauchen. Wir sind in einem guten Austausch.

Stichwort Merowingerstraße: Die Reduzierung auf Tempo 30 hat einigen Protest ausgelöst – und zehntausenden Autofahrern ein Knöllchen wegen Tempoüberschreitung eingebracht.

Hartnigk: Tempo 30 verbessert auf dieser Strecke den Verkehrsfluss und erhöht die Sicherheit der Radfahrer, bis der Radweg gebaut ist. Ich räume ein, dass man sich als Autofahrer daran gewöhnen muss. Ich bin dort auch kürzlich geblitzt worden.

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