1. Mai in Düsseldorf Lautstarke und aggressive Proteste störten auch die Kanzler-Rede

Update | Düsseldorf · Die Kundgebung der Gewerkschaften zum 1. Mai mit dem Auftritt von Olaf Scholz stand im Zeichen lautstarken Gegenprotestes.

 Der Demonstrationszug ist um kurz vor 11 Uhr gestartet.

Der Demonstrationszug ist um kurz vor 11 Uhr gestartet.

Foto: Uwe-Jens Ruhnau

Lautstarke und aggressive Gegenproteste haben die Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zum Tag der Arbeit am 1. Mai erheblich beeinträchtigt. Die Redebeiträge unter anderem von Bundeskanzler Olaf Scholz waren je nach Entfernung zu den Boxen neben der Bühne kaum zu verstehen.

Sigrid Wolf, Vorsitzende des DGB-Stadtverbandes, versuchte bei ihrer Begrüßung wiederholt vergeblich Einfluss auf das Publikum zu nehmen. „Hört doch einfach erst mal zu“, rief sie etwa in das Konzert von Trillerpfeifen hinein oder Rufen wie „Lügner“ oder „Kriegstreiber“ entgegen. Nach einigen Sätzen zur Bedeutung von Investitionen in Bildung oder gut bezahlter Arbeit brach sie ihre Rede unter Kopfschütteln ab. Nach der Kundgebung sagte sie: „Ich hatte einfach keine Stimme mehr. Der 1. Mai ist unsere Veranstaltung. Es ist traurig, dass wir mit unseren Botschaften nicht durchdringen konnten.“

Sigrid Wolf blickte in viele hassverzerrte Gesichter

Zudem sei es erschreckend gewesen, in so viele „hassverzerrte Gesichter“ zu blicken. Auch Bürgermeister Josef Hinkel, der den weiterhin an Corona erkrankten Oberbürgermeister Stephan Keller vertrat, sagte nur einige Sätze und verzichtete größtenteils auf die vorbereitete Rede. „Wir haben auf der Bühne unser eigenes Wort kaum verstanden“, sagte er im Anschluss. Kämpferisch mit der Situation ging Mohamed Boudih, Landesbezirksvorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, bei seiner Mai-Rede um. „Der 1. Mai ist unser Tag, und den lassen wir uns auch nicht wegnehmen.“ Er übte auch Kritik am Bundeskanzler, da etwa eine parlamentarische Debatte über die neu angekündigten Sicherheitsausgaben fehle.

In das dem DGB nahestehende Publikum hatten sich unterschiedliche Gruppierungen zum Gegenprotest gemischt. So fielen zahlreiche Mitglieder aus dem „Querdenker“-Milieu auf, aber auch überzeugte Kriegsgegner und pro-kurdische Demonstranten. Verbindungsbeamte der Polizei baten vor allem die Corona-Kritiker um Mäßigung. Sie waren mit Großlautsprechern auf einem Auto und einem Handkarren angerückt. Als der Kanzler zu sprechen begann, dröhnte Glockengeläut aus den Boxen. Als dieser Lärm nicht heruntergefahren wurde, sondern wieder einsetzte, mussten die Boxen abgedreht werden.

In den Protest näher an der Bühne aus der dicht gedrängt stehenden Menge heraus griff die Polizei allerdings nicht direkt ein. Vieles falle unter das Recht auf freie Meinungsäußerung, auch wenn das nur Pfiffe mit einer Trillerpfeife seien, sagte ein Polizeisprecher. Es sei allerdings auch Strafanzeige wegen grober Störung der Versammlung gegen Unbekannt gestellt worden. Ermittelt würden nun Personen, die sich in der Masse besonders hervorgetan hätten. Unter anderem mit Filmaufnahmen sollen sie identifiziert werden. Hinzu kämen zwei Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen zwei konkrete Personen.

Rund um den Johannes-Rau-Platz hatte die Polizei bereits im Vorfeld umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Die Aufgänge zur Rheinkniebrücke waren etwa auf der Seite zum Platz gesperrt worden. Vor dem Geländer auf der Brücke waren Sichtschutzgitter angebracht. 

Besonders laut wurde die Menge, als Bundeskanzler Olaf Scholz begleitet von Personenschützern gegen 12.30 Uhr auf die Bühne kam. In seiner knapp 15 Minuten langen, sehr emotional und laut gesprochenen Rede ging er allerdings kaum auf die Gegenproteste ein. Er verteidigte vor allem den Kurs der Bundesregierung in der Ukraine und bescheinigte einer Haltung wie dem Pazifismus: „Das ist aus der Zeit gefallen.“ Zum Ende seines Auftritts rief er der Menge zudem zu: „Schönen Dank dafür, dass ich hier heute sprechen konnte und dass so viele mitgeholfen haben, dass ich gut zu verstehen bin. Und schönen Dank dafür, dass diejenigen, die der Meinung sind, dass der Zusammenhalt in der Gesellschaft nicht ihre Aufgabe ist, in der Minderheit sind.“

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