Düsseldorf Drogen-Razzia im Bahnhofsviertel

Zahlreiche Polizisten machen rund um den Worringer Platz Jagd auf Dealer. Die Szene einzudämmen, ist eine Mammutaufgabe für die Behörde.

Düsseldorf: Drogen-Razzia im Bahnhofsviertel
Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. Die zwei Polizeibullys fahren von zwei unterschiedlichen Seiten auf die gepflasterte Fläche in der Mitte des Worringer Platzes. Binnen weniger Sekunden haben die Beamten des Einsatztrupps Prios die Menschen zwischen Pizzeria und Pissoir auf einer der langen Sitzbänke versammelt. Mit Plastikhandschuhen gehen die Polizisten von einem zum nächsten und durchsuchen die Taschen. Markus Seitz vom Einsatztrupp hat wenig Hoffnung, Drogen zu finden — die Konsumenten transportieren sie meist verpackt im Mund und schlucken sie rasch herunter. Aber alle 15 Personen sind „hinreichend bekannt“, vier sind zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben, einer hat einen Ausweis unterschlagen.

Ab dem Vormittag und bis in den Abend haben Polizisten am Dienstag die Straßen rund um den Hauptbahnhof auf links gedreht. Im Rahmen des Konzeptes „Evos“ — Einsatz zur Verhinderung einer offenen Szene. Seit Anfang 2012 kämpft die Polizei gegen die Drogenszene, die zwischen Worringer Platz, Konrad-Adenauer-, Mintropplatz und U-Bahnhof Oststraße wieder auszuufern drohte. „Wir möchten nicht, das rechtsfreie Räume entstehen“, erklärt Polizeihauptkommissar Olaf Krätzer, der Konzeptverantwortliche.

Drogen-Razzia am Worringer Platz
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Ordnungsamt und Rheinbahn sind dabei, Beamte des Schwerpunktdienstes Mitte, Kräfte der Einsatztrupps Prios (Präsenz und Intervention an offenen Szenen und Brennpunkten) und Kriminalität und des Rauschgiftkommissariats wurden für die Schwerpunktaktion zusammengezogen. Dass die Kripo direkt im Boot ist, hat laut Einsatzleiter Björn Geppert den Vorteil, dass noch während der Razzia Vernehmungen geführt werden können. „Bei der letzten Aktion Mitte Mai haben wir so Hinweise auf einen Dealer erhalten und ihn sofort gefasst.“ Und ganz wichtig sei, dass abwechselnd uniformierte Kräfte Präsenz zeigten und Zivilfahnder verdeckt aufklärten. Geppert: „Denn das Traurige ist: Spätestens 20 Minuten, nachdem wir Uniformierten weg sind, kommen die Dealer wieder aus ihren Löchern.“

Das beobachtet auch Kriminalhauptkommissar Tino S. von der Drogenfahndung, der an diesem Tag mit seinen Leuten in Zivil unterwegs ist. Übers Handy bleiben sie im Kontakt — schon die Antenne für den Funk würde ihre Einsatzautos entlarven. Aber ohnehin sagt er: „Die kennen uns hier alle.“ Was auch umgekehrt gilt. S. hat einen guten Überblick über die Szene. Und über neue Gruppen, die gerade in den „Markt“ drängen. Südosteuropäer, die den Schwarzafrikanern bei Cannabis und Kokain den Rang ablaufen wollen; eine weitere Gruppierung, die vor allem Heroin verkauft. Sehr gut organisiert. „Läufer“ werden offenbar rekrutiert, um die Ware unters Volk zu bringen — und um dafür zu sorgen, dass nicht die Hintermänner selbst mit Stoff von der Polizei erwischt werden.

Aus der Deckung beobachtet einer der Kollegen von S. das Treiben auf dem Worringer Platz, während die Zugriffsteams in ihren Autos in umliegenden Straßen warten. Lara Meyer (30) und Bernd Termann (27, Namen geändert) stehen in ihrem grauen Kleinwagen in zweiter Reihe, als ihnen ein Glatzkopf in Camouflagehose gemeldet wird, der sich in ihre Richtung bewege. Anderthalb Minuten später lehnt er mit den Handflächen an einer Hauswand, stimmt höflich der Durchsuchung zu — der Mann kennt das Procedere, er ist erst seit Dezember raus aus der Haft. In der Hosentasche hat er abgepackte Nadeln — aber keine Drogen. Lara Meyer überprüft seine Personalien: „Na, unbekannt biste nicht.“ Er lacht nur. Dass Raub, Diebstahl, Drogenkäufe und -verkäufe in seinem Strafregister stehen, weiß er natürlich.

Als nächstes geht es zum Oberbilker Markt. Das Ordnungsamt hat einen Konsumenten mit zwei großen Bubbles und mehreren Tütchen Amphetamin erwischt. Im Wagen auf dem Weg zur Wache erklärt Kommissar Termann ihm, dass er nach dem Gesetz mit einer Strafmilderung rechnen kann, wenn er Hinweise auf den Dealer liefert. „Ein Dunkelhäutiger mit blitzenden Zähnen“, behauptet der Mann und grinst frech. In seinem Rucksack finden die Beamten noch Spritzen und einen verbogenen Löffel für die Zubereitung des Rauschgifts.

Es wird an diesem Tag eine von vielen Anzeigen sein. Zehn wegen Kaufs von Betäubungsmitteln, zwei wegen Verkaufs. Eine wegen Unterschlagung, zwei der 90 überprüften Personen wurden mit Haftbefehl gesucht, acht waren zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben. 46 Platzverweise erteilen die Beamten.

Der Kampf gegen die Drogenszene ist ein aufwändiger. „Wir haben in diesem Jahr schon 5000 Personalstunden in dem Bereich investiert“, sagt Evos-Verantwortlicher Olaf Krätzer. Und doch kann die Polizei letztlich nicht gewinnen. „Die Szene haben wir — aber wir wollen sie ansatzweise unter Kontrolle halten“, erklärt Björn Geppert. Was immer schwieriger wird: „Die Dealer observieren genau wie wir. Sie haben ihre Melder, sind immer besser organisiert.“ Diesem Wettrennen müsse man sich stellen: „Wir müssen immer unberechenbarer werden.“ Und die Täter mit Razzien wie dieser überraschen.

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