Gründer Diese Düsseldorfer gründen ihre eigenen Verlage

Düsseldorf · Elahe Karimi und Marcus Haag haben beide für ein besonderes Buch einen eigenen Verlag gegründet. Zwei Geschichten über zwei motivierte Menschen.

Elahe Karimi hat den LaLe-Verlag gegründet.

Elahe Karimi hat den LaLe-Verlag gegründet.

Foto: Nadine Diab-Heinz

Bücher hat sie schon immer geliebt. Sie beflügeln in ihren Augen nicht nur die Fantasie und machen kreativ, sondern bilden sehr, eröffnen neue Welten. „Ich lese gerne“, sagt Elahe Karimi und lächelt. „Wenn ich Geflüchteten einen Tipp könnte, wie sie sich schnell in eine fremde Kultur integrieren können, dann wäre es das Lesen. Durch lesen lernt man, wie eine Gesellschaft denkt.“ Dass sie einmal eine Verlegerin werden würde, damit hätte sie im Traum nicht gerechnet. Doch dann kam dieses Buch, das ihr Leben verändern sollte und alles auf den Kopf stellte.

Wenn es nach ihren iranischen Eltern gegangen wäre, hätte sie Medizin studiert. Mit 19 Jahren zieht die junge Elahe gemeinsam mit ihrem Bruder zum Studieren nach Deutschland. Von einer Provinzstadt mitten ins Leben. Was sie werden will, weiß sie noch nicht. Wohin die Reise geht auch nicht. Fest steht, es geht auf jeden Fall wieder zurück. Doch das Leben schreibt Geschichten manchmal anders, als man sie sich selbst vorstellt. Mit 20 Jahren wird Elahe Karimi Mutter einer Tochter. Sie macht eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten. Tagsüber arbeitet sie, abends liest und träumt sie von fernen Ländern und Geschichten.

Und dann kommt vor vier Jahren dieses Buch. Karimi erinnert sich noch ganz genau an den Moment. „Beim Stöbern auf iranischen Seiten im Internet wurde ich auf das erste Kapitel eines unveröffentlichten Buches aufmerksam. Es war die Übersetzung des englischsprachigen Originals auf Persisch, das veröffentlicht wurde, um das Buch auch im iranischen Raum bekannt zu machen. Ich las es in einem Atemzug und war elektrisiert von der einen Szene, die das erste Kapitel erzählt.“ Elahe Karimi liest das Buch an einem Wochenende durch. Und obwohl sie schon viele Bücher gelesen hat, ist es das ergreifendste von allen. Die Geschichte: Ein kleiner Junge wird von seinen Eltern zurück gelassen. Seit seinem 5. Lebensjahr lebt er in Armut und Obdachlosigkeit in den Straßen einer der reichsten Städte des Iran — in Mashad. Das Buch erzählt die Geschichte von Alireza, der mit 17 Jahren seine persische Heimat verlässt und nach Amerika emigriert. Es ist die Autobiographie des Schriftstellers Arion Golmakani.

Der Kontakt zu dem Autor kam über Facebook zustande

„Mach doch einfach“, sagte Friedhelm Haamberg seiner Frau damals, die nur noch von dem Roman redet und ihn einem deutschen Publikum zugänglich machen will. Auf Facebook macht sie Golmakani ausfindig, es entsteht ein intensiver Austausch zwischen ihnen. Der Autor ist angetan von ihrer Idee, sein Werk in die deutsche Sprache übersetzen zu lassen, er überträgt ihr alle Rechte. Und das obwohl oder gerade weil sie sich nicht auskennt in der großen Verlagswelt.

Wie verlegt man ein Buch, wenn man kein Verleger ist und sich in der Branche überhaupt nicht auskennt? Mit Liebe und Leidenschaft. Elahe Karimi meldet mit ihrem Partner ein Gewerbe an, ihren Verlag nennen sie LaLe-Verlag. LaLe, so wie die Blume aus dem Iran, die sie so liebt. Die Englischdozentin Tanja Selze übersetzt den Roman, der unter dem Titel „Solacers“ erschienen ist, ins Deutsche. Hier trägt er den Titel „Beraubte Wut“. 2015 erscheint er in Deutschland. Als Elahe Karimi ihr Buch das erste Mal in den Händen hält ist sie überglücklich und stolz.

Würde sie den Roman noch mal veröffentlichen, würde sie noch mal unbedarft einen Verlag gründen? Die Antwort lautet: „Ja, sofort!“

Sie sagt, sie hat viel gelernt in dieser Zeit. Auch darüber, wie die Buchbranche tickt. Und wer weiß, vielleicht kommt wieder ein Buch, das Elahe Karimi verzaubern wird. Derzeit hält sie die Augen nach starken iranischen Frauen offen.

Marcus Haag wurde von einer Erinnerung zu seinem Buch inspiriert

Alles beginnt für Marcus Haag mit zwei Glasmurmeln. Vor zwanzig Jahren begleitet der heute 39-Jährige seinen Freund zu einer Geburtstagsfeier. Der schenkt seiner Angebeteten seine beiden größten Träume, eingefangen in den Murmeln. „Ich war gerührt und gleichzeitig ließ mich die Idee nicht mehr los, wie es wohl gelingen kann, seinen Traum zu verschenken“, erinnert sich Marcus Haag.

Marcus Haag hat das Kinderbuch "Himas Reise" für seinen Sohn Maximilian geschrieben. Als seine Frau Yvonne schwanger war, wurde er zu der Erzählung inspiriert.

Marcus Haag hat das Kinderbuch "Himas Reise" für seinen Sohn Maximilian geschrieben. Als seine Frau Yvonne schwanger war, wurde er zu der Erzählung inspiriert.

Foto: Marcus Haag

Im Laufe der Jahre kam er auf viele Ideen: Er bestellte Meteoritenstaub und ließ ihn von Glasbläsern aus Murano verarbeiten. Er suchte im Internet, doch nie fand er den perfekten Stein. Dann, eines Abends, hörte er in einem Fernsehbeitrag von den Traumsteinen aus dem Himalaya und er wusste, dass er genau nach diesen all die Zeit gesucht hatte „Im Nachhinein ist es unglaublich, wie die Dinge verkettet sind“, sagt Haag. Seine Frau war damals mit ihrem ersten Kind schwanger und zeigte ihm das Ultraschallbild. Es inspirierte den werdenden Vater so sehr, dass er sich hinsetzte und „Himas Reise“ in ein paar Stunden herunterschrieb. Die Story: Hima ist ein Stein, aber nicht irgendein Stein, sondern ein ganz besonderer. Er stammt aus dem Himalaya-Gebirge und hat eine ganz besondere Reise vor sich. Marcus Haag ist von sich selbst erstaunt, vorher hatte er noch nie eine Geschichte geschrieben. Rückblickend beschreibt er „Himas Reise“ auch als die literarische Geburt seines Sohnes Maximilian.

Im Internet lernte Haag einen Einheimischen aus Nepal kennen, der mit Steinen handelte. Der hatte zwar von den Traumsteinen gehört, doch so wirklich wusste niemand etwas. Dann nach einigen Tagen die gute Nachricht: Er hatte jemand gefunden, der die über 400 Millionen Jahre alten Quarzsteine vertrieb. „Ich habe zu meiner Frau gesagt: Yvonne, ich muss nach Nepal. Etwas zieht mich magisch dorthin“, erinnert sich Marcus Haag. Knapp zwei Wochen später saß er im Flieger auf dem Weg nach Kathmandu. Dort fand er nicht nur seine Traumsteine, sondern auch die zukünftige Illustratorin für seine Geschichte, Nilham Burtel, und vor Ort schrieb er die Geschichte zu Ende.

Mit seinem Manuskript und den Zeichnungen wandte sich Marcus Haag an Verlage. Manchmal erhielt er keine Rückmeldung, manchmal eine formlose Absage. „Aber mir war klar, dass dieses Buch das Licht der Welt erblicken muss und deswegen entschloss ich mich, meinen eigenen Verlag zu gründen“, erklärt Marcus Haag seine Entscheidung zur Verlagsgründung der „The Good Karma GmbH“. 2000 Bücher sind mittlerweile gedruckt und warten auf ihre kleinen Leser. Auch die Steine sollen zukünftig über seinen Shop verkauft werden. „Ich bin schon jetzt sehr reich an Zufriedenheit. Es ist unglaublich, was ich durch dieses Buch schon alles erfahren durfte“, sagt Marcus Haag.

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