Düsseldorf Die Stadt als Messie: Hier sieht’s manchmal aus wie bei Hempel unterm Sofa

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Düsseldorf: Die Stadt als Messie: Hier sieht’s manchmal aus wie bei Hempel unterm Sofa
Foto: Eckert

Düsseldorf. Die Interpack ist eingepackt, das Interpack ist abgereist. Zurück bleibt so was wie Lokalpack, jede Menge Verpackungsmüll im Stadtbild. Die Messestadt als Messie. Als Müllsammler, vielmehr Hochstapler. Gibt’s auf der Interpack eigentlich auch Verpackungsentsorgungsmaschinen?

Beispiel Dienstag: da ist die Düsseldorfer Innenstadt so was von Pappe… Das ist der Tag, an dem die Händler ihre mehr oder weniger verschnürten Pappkarton-Berge vor ihre Glitzerfassaden stapeln und damit von spätmontags oft bis zum nächsten Mittag das Innenstadtbild verschandeln. Bei Regenwetter wird schon mal ein unansehnlicher Brei draus. Manche Läden schmuggeln die Kartons auch in den Hausmüll, so dass dort kein Platz mehr ist für meine bescheidenen Privatbfälle.

Manche Nachbarn produzieren dagegen auch schon bergeweise Abfall. Seit immer mehr Menschen immer mehr online bestellen, scheint die Welt in Verpackungskartons zu ersticken. Der Post hilft’s, Defizite aus Bereichen wie Briefporto auszugleichen, aber das Weltbild wird verschandelt und die Abfuhrunternehmen packen es oft nicht mehr.

Bei der Anlieferung sind dagegen erste Ansätze einer gewissen Aufgeräumtheit zu beobachten. Dabei fällt mir, besonders in den feineren Stadt-Teilchen, eine wachsende Zahl hoher metallener Blechkästen auf. Die Dinger — matt aus gebürstetem Edelstahl oder hochglänzend lackiert — wachsen im Vorgarten wie trendige Smeg-Kühlschränke. Viel schöner als arme Müllschlucker. Zuerst wusste ich gar nicht, was das soll.

Doch neulich sah ich sie abgebildet in einem dieser landlustigen Schöner-Wohnen-Magazine: Paketpostkästen! Designer-Teilchen für mehrere hundert Euro. Muss man heute scheinbar haben! Frau erst recht. Weil sie schließlich nicht immer zu Hause sein kann, wenn der Paketbote kommt und Mädels und Hausfrauen schreien lässt — vor Glück über ein neues Paar Schuhe. Ach, was! Gleich mehrere Paare purzeln in so einen schmucken Metallturm, damit man was zum Zurückschicken hat, wenn der Schuh drückt.

Für den Herrn des Hauses taugt so ein Utensilo vielleicht als Statussymbölchen, seit man mit dem Auto kaum noch neidvolle Blicke vom Nachbarn ernten kann. Kein Wunder, bei der SUV-Dichte in Düsseldorf, die ja eigentlich eher ein Symbol dafür ist, dass der in die Jahre gekommene Fahrer nicht mehr in den Porsche passt. Hinterm Haus kann er ja jetzt im Frühling vielleicht noch punkten mit Outdoor-Küche, doppeltem Day Bed, Roboter-Rasenmäher oder Mini-Traktor für das Kind im Manne. Vor dem Haus also jetzt der Paket-Turm: Ich bestelle, also bin ich. Die Anderen müssen liefern.

Und was machen die Super-Singles in unserer Stadt? Die lassen sich Schuhe und Klamotten längst in die Firma liefern, belehrt mich eine junge Kollegin. Das ist erlaubt? Mehr noch: erwünscht. Mit solchen Extraleistungen zum hippen Gehalt buhlen Firmen heutzutage um gut geschulten und beschuhten Nachwuchs. In manchen Top-Unternehmen gibt’s dafür extra einen Compensation- und Benefit-Manager. Womit sie den wohl anlocken? Und: Entsorgt solch ein Müll-Master auch die Kartons?

In weniger reiche Gegenden wird bekanntlich nicht weniger geliefert? Nicht nur in Bilk gehören wilde Müllberge an vielen Ecken zum Stadtbild. Auch anderenorts sieht’s oft übel aus, zum Beispiel im trendigen Derendorf an dieser sternförmigen Kreuzung Collenbach-, Golzheimer-, Römer-, Glocken-, Weißenburgstraße. Da hat die Stadt mittendrin eine Wagenburg von Containern aufgebaut. Was tun die Leute? Richtig! Sie stapeln ihren Müll malerisch drum herum. Tita Giese könnte hier eine schöne Insel gestalten. Die Pläne für einen Kreisverkehr an dieser Stelle sind wohl auch längst im Container.

Es ist eines dieser ungeschriebenen Gesetze, die bekanntlich besonders brav befolgt werden: Müll zieht Müll an. Allerorten. Am Waldes- und am Wegesrand. Sogar in der Kunstszene. Kennt man ja in Düsseldorf: Wenn aus Versehen ein Beuys entsorgt wird nach dem Motto: Christo oder Awista. Ist das Kunst, oder kann das weg?

Kunstvolle Müllentsorgung als Projekt für Akademie oder Fachhochschule wär vielleicht auch mal ein Thema. Besser: Einfache Vermeidung. Sonst bleibt immer noch Omas Sprichwort: Ein jeder kehre vor seiner Tür. Erstmal müssen nach dem Wahlsonntag die Parteien ran: Pappkameraden entsorgen.

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