Die politische Situation in Istanbul bringt Künstlerin an den Rhein

Yesim Akdeniz betreibt nun in Düsseldorf den politischen Dialog zwischen Europa und Asien. Sie wird an der Akademie Professorin für Malerei.

Die politische Situation in Istanbul bringt Künstlerin an den Rhein
Foto: Studio Akdeniz

Ab Oktober ist Yesim Akdeniz Professorin für Malerei an der Kunstakademie. Die Türkin, Jahrgang 1978, hatte 1997 bis 2002 in Düsseldorf studiert. Die letzte Meisterschülerin von Dieter Krieg trifft auf ihren ehemaligen Kommilitonen Andreas Schulze, der seit 2009 am Eiskellerberg ebenfalls eine Malereiklasse betreut. Sie hat ihre türkische Heimat ganz bewusst verlassen, noch bevor sie den Ruf an die Akademie erhielt, denn ihre Kunst ist ein west-östlicher Dialog. Am Eiskellerberg aber freut man sich auf ihr Kommen, denn sie nimmt ihren Wohnsitz in Düsseldorf, nicht in Berlin und nicht in Köln. Für die Akademie ist eine Professorin am Ort natürlich überlebenswichtig, die sogar noch zu Fuß in die Hochschule gehen kann, wie Andreas Gursky und Rita McBride.

Als Frühbegabte war sie mit 17 Jahren zum Eiskellerberg gekommen, direkt aus Ankara, wo sie ihre Jugend verbracht hatte. Sie lernte nicht nur schnell, so dass sie in den Frankfurter Kunstverein zur berühmten Überblicksausstellung „Deutsche Malerei“ eingeladen wurde, sondern sie setzte sich auch mit der europäischen Moderne, allem voran mit dem Bauhaus-Stil auseinander. Sie studierte die Biografien und die Architekturbeispiele und malte über ein weißes Meisterhaus aus Dessau einen Sowjetstern wie auf Zehenspitzen, als wolle er den Schlaf der aufrechten Moderne nicht stören. Gleichzeitig trug der Stern schrille Farben, als wolle er das Bauhaus zur Trash-Kultur erklären.

Wieder zurück in der Türkei, diesmal in Istanbul, ging sie auf die Suche nach der europäischen Moderne im Zeitalter von Atatürk. Die Häuser der 1920er und 1930er Jahre wurden maßgeblich von der Avantgarde aus Deutschland, Holland, Frankreich und Österreich bestimmt. Aber: Die Zeit des Atatürk ist abgelaufen. Zwar steht das Parlamentsgebäude des Clemens Holzmeister in Ankara noch, aber viele Gebäude wurden „ohne Grund zerstört“, wie sie erzählt. „Man mochte sie eben nicht mehr“.

Doch diese Architektur war einst das Symbol der neuen Türkei. „Die Bauweise, die Europa einst mit der Türkei verbunden hat, war nicht mehr gefragt. Früher hat man den westlichen, demokratischen Stil aus Europa importiert, wie auch die moderne Kunst. Nun interessieren mich die fehlenden modernen Gebäude.“

Ihre letzte Ausstellung in der Türkei war zugleich ein Abschied. „Club dystopia“ hat sie sie genannt und meint damit, dass die Utopie nicht mehr da sei. Sie habe ganz alte Fotos von den einstmals existierenden Gebäuden gefunden, was nicht einfach gewesen sei. Und sie habe sie gemalt. „Mich haben die Fehlstellen interessiert. Sie passen zur aktuellen Zeit der letzten 50 Jahre“, sagt sie.

Dies ist auch der Grund, warum sie die Türkei soeben verlassen hat. Sie sagt: „Die Reaktion auf meine Ausstellung in Istanbul war ganz gut. Aber man bewegt sich ja immer in Kunstkreisen. Ich wollte aus Istanbul heraus, weil ich die politische Situation als Künstlerin am Ende des letzten Jahres nicht mehr akzeptieren wollte. Über Details schweigt sie sich aus, denn schließlich sieht sie sich als freie und nicht als politische Künstlerin.

Ihr geht es aber nicht nur um die architektonische Moderne, sondern auch um die Position der Frau in der Gesellschaft. „But first you must learn how to smile as you kill”, ist der Titel ihrer aktuellen Berliner Ausstellung bei Jochen Hempel. Der Titel ist ein Zitat aus dem Song „Working class hero“ von John Lennon. Thematisierte Lennon noch die Misere der ausgebeuteten Arbeiterklasse, so vertieft sich Akdeniz diesmal in den Genderdiskurs. Der Zyklus dreht sich um das berühmte E-1027-Haus der Architektin Eileen Gray, das von Le Corbusier okkupiert wurde, indem er sich mit übergroßen Wandbildern dort verewigte.

Yesim Akdeniz positioniert sich im gesellschaftskritischen wie im politischen Diskurs, ohne direkten Einfluss nehmen zu wollen. Ihr Galerist Hempel erklärt: „Der Ausdruck ihrer Werke ist eher subtil, geheimnisvoll, daher aber umso gewaltiger.“

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