Die lange Nacht der Poker-Könige

Der neue Meister steht in Reisholz erst nach 20 Stunden fest. Auch als Anfänger kann man es unter die ersten 100 schaffen.

Düsseldorf. Es knistert förmlich vor Spannung in der Reisholzer Halle, kurz bevor es um 12 Uhr am Samstagmittag heißt: "Dealers, shuffle up!" Es ist der Startschuss für die Croupiers, die Herren der Pokerchips an 80 Tischen, an denen die Deutsche Meisterschaft im Pokern ausgespielt wird.

Ich sitze mitten unter ihnen, Tisch zehn. Pokererfahrung? Wenig. Nach 20 Minuten ist der Erste ausgeschieden. "Seat open!" hallt es von einem Nachbartisch. Ein Sachse hat die weite Reise umsonst gemacht. "Immerhin ist der Herr von der Presse nicht Letzter", witzelt Norbert, zweifacher Stadtmeister aus der Nähe von Frankfurt, der gegenüber sitzt. Zehn Spieler pokern an jedem Tisch, 730 sind es insgesamt.

Es ist die dritte Meisterschaft, die die junge Poker-Bundesliga veranstaltet. "Im vergangenen Jahr hatten wir 460 Starter", erzählt Liga-Gründer Tassilo Wik. "Nächstes Jahr werden es über 1.000 sein." Das Interesse am Kartenspiel aus Amerika wächst. Dabei will Wik Poker als Denksport verstanden wissen, nicht als Saloon-Zeitvertreib, bei dem viel Geld gesetzt wird. "Wir betreiben eine reine Amateur-Liga", erklärt er, "es gibt keine Einsätze, die Preise stellen Sponsoren."

An diesem Tag gibt es das goldene Bracelett (deutsch: Armband) zu gewinnen - in Pokerkreisen die höchste Auszeichnung, die Turniersiegern vorbehalten ist. Ein solches trägt Profi-Spieler Martin Kläser. Der 22-Jährige aus Bonn gewann 2008 ein Turnier bei der "World Series of Poker" - der Königsklasse des Kartenspiels - in Las Vegas.

Neben dem Siegerschmuck strich er rund 216.000 US-Dollar Preisgeld ein. "Zwei bis drei Millionen Spiele braucht man, um richtig gut zu werden", erklärt er am Rande des Turniers, bei dem er als Stargast mitspielt und Ratschläge verteilt. Sein Tipp: "Prozentrechnung und analytisch denken sollte jeder können."

Das versuche auch ich zu beherzigen, doch bleibt es meist beim Setzen nach Bauchgefühl. Croupier Henning Draken gibt reihenweise gute Karten, so dass der Anfänger auch nach sieben Stunden noch am Tisch sitzt.

Selbst der 20-jährige BWL-Student aus Bochum muss lächeln, als sich auf sein Kommando "Showdown, meine Herren!" - die Aufforderung, die Karten aufzudecken - gleich zwei Spieler gegen mein Paar Zehnen verabschieden müssen.

Die ständigen Adrenalinstöße lassen die Hände zittern. Pausen werden zum Abend hin immer häufiger genommen.

Titelverteidiger Stefan Scharer scheidet um 19 Uhr aus. Tische werden zusammengelegt. Kurz nach 23 Uhr sind nur noch 70 Spieler dabei. Die verbliebenen Tische werden von Zuschauern umringt. Doch die Konzentration lässt nach fast zwölf Stunden nach. Ich setze alles auf eine Neun und eine Zehn - verloren. "Seat open!" heißt es auch für mich, Platz 67 am Ende.

Weitere neun Stunden später sitzen noch zwei Spieler am Tisch. Um halb neun am Sonntagmorgen gewinnt der Neusser Patrick Behrens (20) mit drei Zehnen den Titel. In 20 Stunden hat er 729 andere Spieler hinter sich gelassen.

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