Die große Sehnsucht nach dem Gründgens-Platz
Das Düsseldorfer Schauspielhaus am Gustaf-Gründgens-Platz wird derzeit aufwendig saniert. Auch drumherum wird viel gebaut. Das hindert das Ensemble nicht, dort Stücke zu inszenieren.
Früher Mai-Abend am Gustaf-Gründgens-Platz. Der Himmel ist blau, die Sonne scheint, die Luft ist warm. Viele Menschen passieren die enge Schadowstraße, rechts flankiert von Cafés und Modegeschäften, links von einer schwarzen Werbewand: Vier Meter hoch, wuchtig und abweisend. Rote Lettern verkünden die Botschaft: „O bella ciao, bella ciao, bella ciao, ciao ciao“. Werbung für die spanische Netflix-Serie „Haus des Geldes“, die vom Überfall auf die spanische Banknotendruckerei handelt. Unfreiwillig verweist die Werbung auf das, was hinter dem Wall passiert. Für 600 Millionen errichtet Architekt Christoph Ingenhoven den Kö-Bogen II, eines der kostspieligsten Bauprojekte der NRW-Landeshauptstadt. Investor ist der Immobilien-Magnat Uwe Reppegather mit seinem milliardenschweren „Haus des Geldes“, der Centrum Holding.
Ciao heißt Tschüss und Hallo zugleich, bella meint schöne Frau. Die schöne Frau ist das Schauspielhaus. Eine faszinierende Bau-Skulptur mit weißen geschwungenen Formen. Für sie hieß es erst einmal Tschüss vom Spielbetrieb und ab zur Sanierung. Nächstes Jahr wird sie wieder Hallo sagen und übernächstes Jahr zum 50. Geburtstag das fertiggestellte Ingenhoven-Tal überstrahlen. Hinzugesellen werden sich dann ein Bürogebäude mit abgestufter bepflanzter Fassade an der Schadowstraße und eine dreiecksförmige Markthalle mit begrüntem Schrägdach. Doch sie werden nur attraktives Beiwerk sein. Soweit die Zukunft.
(Schauspieler Burghart Klaußner vor dem im Umbau befindlichen Schauspielhaus. (Foto: Thomas Rabsch))
Blick auf das Schauspielhaus jetzt, wie ihn auch Schauspieler Burghart Klaußner auf dem Foto wagt. Es erinnert an ein verhülltes Gebäude des Künstlerehepaars Christo und Jeanne-Claude. Weiße Plastikfolie schmiegt sich um das geschwungene Gehäuse. Ich biege links ab auf eine schmale Straße, die das verpackte D’haus von der benachbarten Großbaustelle trennt. Unbefahren, nur ein Transporter rauscht irgendwann vorbei und hält vor dem Dreischeibenhaus, das den Pfau-Bau überschattet. Im Sonnenlicht dagegen ruht die Großbaustelle. Feierabend, Bagger und Kräne stehen still, kein Mensch. Von hier aus lässt sich das 10 000 Quadratmeter große Baugelände in seiner ganzen Dimension überblicken. Betonplatten-Türme in symmetrischen Zweierreihen, rechteckig geformte Baugruben mit roten Abzäunungen, sorgfältig übereinandergestapelte gelbe Metall-Träger, Gänge in eine unterirdische Betonwelt, wo eine mehrgeschossige Tiefgarage errichtet wird. Die Baustelle wirkt wie eine riesige Installation. Das Theaterkollektiv Rimini Protokoll ließ sich für seine letztjährige Inszenierung „Staat 1-4. Gesellschaftsmodell Großbaustelle“ im Schauspielhaus denn auch von der Ästhetik der Baustelle inspirieren und schuf eine interaktive Installation aus Container, Kran, Sandberg und Bauzäunen.
Inzwischen ist die Sanierung weiter vorangeschritten. Die weiße Metallfassade wurde fast komplett abmontiert, nur der Bühnenturm trägt sie noch. Die neue Außenhaut wird der alten gleichen, aber aus rostfreiem Aluminium bestehen. Die Plastikfolie schützt den Rohbau vor Wind und Wetter. An einer „Rundung“ zum Hofgarten hin zeigt sich das Schauspielhaus jedoch unverhüllt. In seinem nackten Gemäuer wirkt es wie eine mittelalterliche Burg. Das Gerüst, das sich an der Wand emporzieht, weckt wiederum Assoziationen an einen Gasometer. Und so wie Burgen als Horte des Rittertums und Gasometer als Symbole der Kohleindustrie an längst vergangene Zeiten erinnern, so wirkt das D’haus im Eingangsbereich momentan wie ein Theater-Relikt. Gitterzäune, geschlossenes Kassenhäuschen, unter Gerüsten ein geöffnetes Restaurant ohne Gäste oder eine Passage, die an eine verlassene Bahnhofsunterführung erinnert. Rund um das Theater herrscht eine unwirkliche, ja unheimliche Atmosphäre. Auch der benachbarte Hofgarten, wo Menschen picknicken oder mit Hunden spielen, kann sie nicht abmildern. Zum Glück nur ein Zwischenzustand.