Die Geschenke-Tipps unserer WZ-Kolumnisten

Wie wäre es mit ein bisschen Kultur auf dem Gabentisch? Miguel Passarge, Annette Krohn und Kalle Somnitz geben ihre Empfehlungen.

Die Geschenke-Tipps unserer WZ-Kolumnisten
Foto: dpa/Dale Robinette

Von Miguel Passarge

Volker Kutscher: Luna Park (Kiepenheuer & Witsch Verlag)

Volker Kutscher: Luna Park (Kiepenheuer & Witsch Verlag)

Leonard Cohen Album: You Want It Darker

Elif Shafak: Der Geruch des Paradieses (Kein & Aber Verlag)

Elif Shafak: Der Geruch des Paradieses (Kein & Aber Verlag)

2016 ist das Jahr der großen Verluste in der Popmusik: Erst ging Bowie, dann Prince, und zuletzt schockierte der Tod von Leonard Cohen. Wie Bowie hat Cohen die Bühne der Musikwelt nicht verlassen, ohne ein Vermächtnis in Form eines eindrücklichen Albums zu hinterlassen.

Im Gegensatz zum Album von Bowie sind bei Leonard Cohen die Vergänglichkeit und der Rückblick auf sein Leben schon Thema des Albums. „You Want It Darker“ bietet auch lichte emotionale Momente, an anderen Stellen stehen einem doch die Tränen in den Augen, wenn Cohen resümiert „I’m ready, Lord“ oder „I’m leaving the table“.

Viele hätten den Nobelpreis für Literatur lieber in seinen Händen gesehen als in Dylans. Leonard Cohen hat ein lyrisches und musikalische Werk hinterlassen, das die Zeiten überdauern wird, und „You Want It Darker“ ist sein letztes großes Geschenk an uns.

Common Album: Black America Again

In einer Zeit, in der ein vermeintlicher Volkstribun wie Donald Trump ein Kabinett aus weißen Millionären zusammenstellt, ist eine starke Stimme des schwarzen Amerika gefragter denn je. Der Rapper Common hielt sich einige Jahre aus der Politik heraus, machte gefällige Alben und vor allem durch seine Liaison mit Erykah Badu oder diversen Rollen in Hollywood-Streifen von sich reden.

Nun sieht er die Zeit gekommen, seine Stimme so laut und gut vernehmbar zu erheben wie zuletzt auf seinem 2000er Album „Like Water For Chocolate“.

Die Beats sind angenehm old-schoolig und angejazzt wie bei De La Soul oder A Tribe Called Quest, aber die Lyrics arbeiten die politischen Spannungen und den Rassismus des Amerika im Jahr 2016 auf. „We write our own story — Black Amerika again“. Common geht es nicht nur um das schwarze Amerika, sein Anliegen ist es, das Auseinanderdriften der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen in den USA unter einem polarisierenden zukünftigen Präsidenten zu verhindern. Wenn einer das in so stilvollen Tracks und Raps macht, sollte man sich das nicht entgehen lassen.

Jóhann Jóhannsson Album: Arrival (OST)

Der isländische Komponist Jóhann Jóhannsson bewegt sich im Spannungsfeld von Klassik, Pop und elektronischer Musik. Er entspringt der kleinen, aber so aktiven Reykjaviker Musikszene, der Acts wie Björk und Sigur Ros entstammen, die ebenso für einen genreübergreifenden Ansatz stehen.

Der Soundtrack zum philosophischen Science-Fiction-Film „Arrival“ des kanadischen Regisseurs Denis Villeneuve unterstützt die Bilder des Films kongenial, steht aber auch für sich selbst als eine Musik, die emotionale Tiefen auslotet und beim Hören Assoziationen weckt. „Arrival“ ist gleichsam als Sciene Fiction-Film getarnt, stellt aber grundsätzliche Fragen zu unserer Existenz und dem menschlichen Zusammenleben. Jóhann Jóhannsson antwortet darauf mit Klanglandschaften aus Synthesizer-Sounds, Streicherarrangements und den erstaunlichen Tonfarben des Vokalensembles „Theatre Of Voices“.

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Von Annette Krohn

Roman Elif Shafak: Der Geruch des Paradieses (Kein & Aber Verlag)

Im Istanbul der 1980er Jahre wächst Peri mit einer tief religiösen Mutter und einem Vater, der den Islam eher kritisch sieht, auf. Auf Wunsch des Vaters studiert sie zwei Jahre in Oxford. Ihre Wohngemeinschaft dort teilt sie mit: Mona, die amerikanisch-ägyptischen Wurzeln hat und Feminismus und das Tragen des Kopftuches miteinander verbindet. Die energiegeladene Shirin setzt sich über alle moralischen und religiösen Gesetze hinweg. Die drei jungen Frauen besuchen ein Seminar des charismatischen Dozenten Azur über die Frage nach Gott. Seine ungewöhnlichen Lehrmethoden führen zu einem Eklat.

Elif Shafak stellt aktuelle Fragen nach Religiösität, Identität und nach einem selbstbestimmten Leben. Sie gibt mit ihrem Roman eine Fülle von Denkanregungen und zeichnet psychologisch runde Figuren, die man nach Ende der Lektüre vermisst.

Sachbuch Margarete Stokowski: Untenrum frei (Rowohlt Verlag)

Margarete Stokowskis Buch ist keine akademische Abhandlung theoretischer Streitschriften oder Statistiken über Lohnverteilung. Ihr Weg zur Wahrnehmung der Welt als Frau ist gepflastert von Spaß, Verletzungen, Erstaunen und konstruktiver Neugier. Stokowski untersucht Machtverhältnisse und Möglichkeiten echter sexueller Selbstbestimmung. Dem Wunsch, sich „untenrum frei“ zu machen, folgt die Erkenntnis: Das gelingt nur in Verbindung mit der politischen Freiheit „obenrum“ — also frei zu sein von einengenden Rollenbildern, Normen und Mythen. Stokowski erzählt witzig und tiefgründig, sammelt Details, die sich zum „großen Ganzen“ zusammenfügen. Das liest sich als entspannte, junge Version der alten Erkenntnis, dass das Private politisch ist.

Krimi

Volker Kutscher: Luna Park (Kiepenheuer & Witsch Verlag)

Im sechsten Fall des Kommissars Gereon Rath folgen wir dem Ermittler ins nationalsozialistische Berlin von 1934. Eine starke Story gepaart mit den wie üblich fein gezeichneten Charakteren macht den Krimi zu einem Pageturner. Der einfache Polizist Gereon Rath kann nicht länger unpolitisch bleiben, seine Freundin Charly ist es längst nicht mehr und muss aus den Fängen der SA befreit werden.

Historisch exakt recherchiert führt uns Volker Kutscher ins Deutschland kurz vor dem Weg in die Katastrophe. Mut, Verzweiflung, Widerstand und Versuchung der Figuren werden eindringlich beschrieben.

Im spannenden Kriminalfall geht es um einen scheinbar erschlagenen SA-Mann der, tatsächlich aber an einem Glasauge erstickt ist.

Die Lösung des Falls ist spannend und klug wie wir es von Volker Kutschers brillant komponierten historischen Krimis kennen. Dieser Fall ist auch unabhängig von den vorangehenden ein Lesegenuss von höchster Qualität.

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Von Kalle Somnitz

Rachethriller

Noctural Animals: Kinostart am 22. Dezember

Zwei Filme zum Preis von einem bekommen die Zuschauer in Nocturnal Animals, dem neuen Film des Mode-Designers Tom Ford, der wie schon sein Erstling „A Single Man“ auf dem Filmfest in Venedig für Furore sorgte.

Er erzählt hochemotional von einer New Yorker Galeristin, die mit einem noch nicht so erfolgreichen Schriftsteller liiert war und zu Gunsten eines privilegierten Lebens einen steinreichen Mann heiratet. Doch der Schriftsteller rächt sich bitterlich, zwar nicht mit körperlicher Gewalt, dafür aber mit einem Roman, der es in sich hat.

Kostümschinken

Love & Friendship: Kinostart am 29. Dezember

Wesentlich gediegener geht es da in Whit Stillmans Jane-Austen-Verfilmung „Love & Friendship“ zu. Und dennoch ist dieser Film nicht zu vergleichen mit den alten, inzwischen etwas angestaubten Jane Austen Verfilmungen à la James Ivory.

Whitman schlägt wesentlich modernere Töne an, mit denen ihm ein charmanter Coup gelingt. So umwerfend komisch und brillant scharfzüngig gab es die Austen nur selten zu sehen. Eine historische Gesellschaftssatire und Lovestory mit geschliffenem Wortwitz sowie einer ziemlich starken Frau.

Musical

La La Land: Kinostart am 12. Januar

Es wird getanzt, gesungen und ganz groß geträumt. Mit „La La Land“, dem zweiten Kinofilm vom oscarnominierten Regie-Wunderkind Damien Chazelle („Whiplash“), bringen Kinotraumpaar Emma Stone und Ryan Gosling den Charme der Goldenen Ära Hollywoods wieder auf die Kinoleinwand. Glamour und große Gefühle stehen auf dem Programm, „La La Land“ ist ganz großes Kino, ebenso frisch wie nostalgisch, bewegt und bewegend.

Selbst wer keine Musicals mag, wird das Kino tänzelnd verlassen.

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