Politik in Düsseldorf Jeder gegen jeden: Die Oberbürgermeister-Kandidaten von CDU und FDP im Duell

Düsseldorf · Stephan Keller (CDU) und Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) diskutierten über die Altstadt, Radverkehr, Steuersenkungen und einen Rettungsschirm für die Gastronomie.

 Die Gesprächsrunde: Christian Herrendorf (links) und Alexander Schulte (rechts) interviewten die OB-Kandidaten.

Die Gesprächsrunde: Christian Herrendorf (links) und Alexander Schulte (rechts) interviewten die OB-Kandidaten.

Foto: David Young

In unsere Reihe „Jeder gegen jeden“ diskutieren jede Woche zwei der OB-Kandidaten, die mehr oder minder gute Chancen haben, das Amt im September zu erlangen, über ihre Ideen. Dabei geht es nicht um Konflikte, sondern um Unterschiede in den Programmen und Positionen der Bewerber. Bei Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Stephan Keller (CDU) gab es zunächst eine Gemeinsamkeit: „Uns eint ja, dass wir beide wollen, dass sich die Zeit von Herrn Geisel als Oberbürgermeister dem Ende nähert“, sagte die FDP-Chefin bei der Begrüßung. „Allerdings“, bestätigte Keller. Differenzen gab es im weiteren Verlauf bei den Ordnungskräften in der Altstadt, bei Finanzkonzepten zur Bekämpfung der Corona-Folgen und bei den Gaslaternen.

Frau Strack-Zimmermann, haben Sie im Wahlkampf jemanden, der sie bremst, wenn Ihre Attacken auf die Konkurrenz zu heftig werden?

Strack-Zimmermann: Ich habe nicht speziell im Wahlkampfteam einen Bremser. Aber man wird ja weiser und älter, und so versuche ich mich selbst zu bremsen, damit mein Temperament mit mir nicht durchgeht.

Herr Keller, haben Sie umgekehrt jemanden, der Ihnen mehr Angriffslust einimpft?

Keller: Das brauche ich eigentlich nicht. Ein Teil des Bewerberfeldes bietet so viel Angriffsfläche, da kommt die Lust von ganz alleine.

 Marie-Agnes Strack-Zimmermann sitzt für die FDP im Bundestag und ist Chefin des hiesigen Kreisverbandes.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann sitzt für die FDP im Bundestag und ist Chefin des hiesigen Kreisverbandes.

Foto: David Young

Unser erstes Thema soll die Ordnungspolitik sein. Herr Keller, war und ist das ein Konfliktfeld zwischen Ihnen und der FDP?

Keller: Ich glaube nicht, dass das grundsätzlich ein Konfliktfeld sein muss. Wir haben in der Vergangenheit über verschiedene Themen gestritten, beispielsweise über die Videoüberwachung und deren Ausmaße. Ich glaube aber, dass mittlerweile auch auf FDP-Seite das Verständnis da ist, dass Kameras sinnvoll sein können.

Strack-Zimmermann: Es ist ein völlig falsch verstandener Liberalismus-Begriff, wenn jemand glaubt, dass es etwas mit liberal zu tun hat, wenn alle über Tische und Bänke gehen. Dem ist nicht so. Beim Thema Alkohol in der Altstadt waren wir unterschiedlicher Meinung, bei den Kameras sind wir es wahrscheinlich noch.

Keller: Das Thema Kameras hat sich ja durchaus weiterentwickelt. Es gibt heute ganz andere Möglichkeiten, Videoüberwachung durchzuführen, ohne dass wir uns um den Schutz personenbezogener Daten fürchten müssen. Da hat auch die konservative Seite dazugelernt. Die Kombination aus Video mit intelligenter Technik und personellem Einsatz – das ist das, was uns weiterhelfen wird in einer großen Stadt mit einer Sicherheitslage wie Düsseldorf. Das zeigt die Erfahrung am Bolker Stern. Da stellt die Videoüberwachung sicher, dass Einsatzkräfte sehr schnell vor Ort sind.

Strack-Zimmermann: Der Bolker Stern ist ein gutes Beispiel. Das Gute ist, dass um die Ecke die Polizei ist. Doch obwohl da Kameras sind, steigt die Zahl der Straftaten sogar an. Kameras helfen, Tatverdächtige und Täter zu finden. Aber sie sind kein präventives Mittel. Deshalb bin ich ein Fan davon, dass wir Personen da haben: Polizei und Ordnungsdienst. Das gibt einem das subjektive Gefühl der Sicherheit.

 Stephan Keller war sechs Jahre Verkehrs- und Ordnungsdezernent in Düsseldorf und ist Stadtdirektor von Köln.

Stephan Keller war sechs Jahre Verkehrs- und Ordnungsdezernent in Düsseldorf und ist Stadtdirektor von Köln.

Foto: David Young

Keller: Zustimmung und Widerspruch an dieser Stelle. Die Erfahrungen, die mit stationären Kameras und Bodycams gemacht werden, zeigen, dass es durchaus eine abschreckend Wirkung gibt. Wo wir einer Meinung sind, ist, dass für das subjektive Sicherheitsempfinden die personelle Präsenz von Ordnungskräften im öffentlichen Raum von ganz entscheidender Bedeutung ist. Deshalb habe ich vorgeschlagen, dass wir unseren Ordnungsdienst massiv aufstocken.

Strack-Zimmermann: Ordnungsdienst aufstocken ja, aber das müssen Männer und Frauen sein, die wirklich gut ausgebildet werden. Als das anfing unter Oberbürgermeister Joachim Erwin, waren da zum Teil Leute bei, die fanden das einfach cool, eine Uniform zu tragen. Wir haben dann mit der IHK zusammen eingeführt, dass die geschult werden. Der Ordnungsdienst muss höflich sein und er muss seine Grenzen kennen. Der Ordnungsdienst ist kein Polizei-Ersatz.

Sie sind sich einig im Ziel, aber auch in der Größenordnung? In welchem Umfang würden Sie den Ordnungsdienst aufstocken?

Keller: Wir dürfen hier nicht kleckern, wir müssen klotzen. Wenn wir wirklich einen Effekt erzielen wollen, würde ich den OSD in seiner derzeitigen Stärke verdoppeln. Das sind 150 zusätzliche Stellen. Das würde ungefähr sechseinhalb Millionen Euro kosten, das ist nicht einmal ein Prozent des derzeitigen Personal-Etats. In einem Personal-Budget von 700 Millionen Euro sollte man diese sechseinhalb Millionen Euro unterbringen können, ohne dass man einen gigantischen Aufwuchs in Kauf nimmt.

Strack-Zimmermann: Ich mach jetzt kein Wettrüsten. Wir brauchen deutlich mehr, entscheidend ist, gute Mitarbeiter zu finden. Es reicht nicht, Leute zu holen, die immer mal eine Uniform tragen wollten.

Zum Thema Verkehr: Sie stehen beide, etwas überspitzt formuliert, für das ewige Primat des Autos. Wollen Sie überhaupt die Verkehrswende?

Strack-Zimmermann: Primat des Autos ist natürlich ein krasses Vorurteil. Es gibt keinen Grund, jemanden zu hätscheln, nur weil er oder sie im Auto sitzt. Der Anteil des Radverkehrs hat sich enorm gesteigert und Radfahren ist nicht mehr die Spielwiese von Öko-Menschen. Es ist einfach ein wunderbares Fortbewegungsmittel. Dass wir hier was tun und noch mehr Radwege schaffen müssen, ist keine Frage. Eine Verkehrswende kann aber nur funktionieren, wenn Sie die Leute mitnehmen, und nicht, wenn Sie die Verkehrsteilnehmer ständig gegeneinander ausspielen. Wenn es Alternativen gibt, dichtere ÖPNV-Taktung und Anschlüsse, interessante Radwege: Dann lassen die Leute freiwillig ihr Auto stehen.

Keller: Ich glaube, ich muss kein Bekenntnis mehr zum Fahrradfahren ablegen, das habe ich nicht nur in den sechs Jahren, in denen ich in Düsseldorf gearbeitet habe, sondern auch als aktiver Radfahrer getan. Das Radhaupt-Netz, das immer noch die Grundlage der Radwege-Planung ist, stammt aus meiner Zeit. Ich bin aber enttäuscht, dass von den über 300 Kilometern, die da vorgesehen waren, gerade einmal 23 umgesetzt worden sind. Die Verkehrswende ist aus meiner Sicht weniger ein ideologisches Politikum, als eine Management-Aufgabe. Die Verwaltung muss sich so aufstellen, dass sie das gut gemanagt bekommt, dass eben eine Planung nicht jahrelang in der Schublade liegt, bevor sie umgesetzt wird, oder dass Gelder, die für den ÖPNV in den nächsten Jahren massiv bereitstehen, nicht abgerufen werden.

Wie könnte man den Ausbau des Radverkehrs denn beschleunigen?

Strack-Zimmermann: Ich nehme mal ein konkretes Beispiel hier vor der Tür. Da hat die Interessengemeinschaft Königsallee einen mega-guten Vorschlag gemacht. Die hat gesagt, dass die Längsparker auf der Ostseite wegfallen können und da ein Radweg hinkommt. Dann können die Fußgänger am Kö-Graben flanieren, ohne platt gefahren zu werden. Das wurde nicht aufgenommen, das ist sehr bedauerlich.

Keller: So ist es. Ich finde diesen Vorschlag aber noch unter einem anderen Gesichtspunkt bemerkenswert. Das wäre ein gutes Beispiel, wie wir in dieser Stadt künftig Politik machen sollten. Zuhören – denjenigen, die vor Ort Kompetenz haben. Ich würde meine Rolle auch so verstehen, dass man zuhört, mitnimmt und diejenigen einbindet, die am Ende von den Entscheidungen betroffen sind, die aber auch etwas sachlich Fundiertes dazu beizutragen haben.

Was muss aus Ihrer beider Sicht im ÖPNV anders gemacht werden?

Keller: Ich bin mir nicht sicher, ob die Aufgabenteilung zwischen Stadt und Rheinbahn richtig ist. Das würde ich mir gerne genau anschauen und dann besprechen, wer was macht. Die Rheinbahn hat Kernkompetenzen im Betrieb, aber da, wo die Schnittstelle zwischen ÖPNV und motorisiertem Individualverkehr verläuft, da ist die Stadt gefordert.

Strack-Zimmermann: Es kamen in den letzten Jahren immer wieder Vorschläge aus dem Aufsichtsrat heraus, die alle ausgebremst worden sind. Und dann hatten wir immer wieder Wechsel an der Spitze der Rheinbahn, das ist in einer Phase, in der man die Rheinbahn stärken will, Gift. Wir brauchen mehr Busse. Es wurden lange keine E-Busse bestellt, weil man überlegt hat, wo man sie bestellt, anstatt mal unterschiedliche Anbieter auszuprobieren.

Zur Finanzpolitik: Sie haben beide Programme (Senkung der Gewerbesteuer, Rettungsschirm für die Gastronomie) vorgeschlagen, die die Stadt viel Geld kosten. Was bedeutet Ihnen die Schuldenfreiheit noch?

Strack-Zimmermann: Die FDP hat es geschafft, die Schuldenfreiheit in der Ampel trotz Rot-Grün zu erhalten. Wir haben gut zusammengearbeitet, aber das Schwierigste in dieser neuen Konstellation mit SPD und Grünen war, die Schuldenfreiheit zu sichern. Wir sind heute in der Situation, dass wir wegen Corona Kredite aufnehmen müssen. Ja, es fehlt richtig viel Geld und das muss kompensiert werden. Wir haben damit kein Problem unter einer Voraussetzung: Es muss einen klaren Plan geben, in welcher Zeit wir den Haushalt wieder ausgleichen, zwei, drei, maximal vier Jahre. Wir müssen Geld aufnehmen, um weiter in die Stadt zu investieren.

Keller: Ein Bekenntnis zur Schuldenfreiheit werden Sie von mir immer bekommen. Das ist eine große Errungenschaft, unter den Großstädten war Düsseldorf da singulär. Aber: Die Ampel hat mit der FDP die Schuldenfreiheit in Wahrheit längst aufgegeben. Schon 2016 wurden bei der Messe erste Liquiditätskredite aufgenommen und dann kam der große Sündenfall mit dem „Kanal-Deal“: Da hat sich die Stadt im Prinzip 600 Millionen Euro bei einer Tochter geliehen, nämlich dem Stadtentwässerungsbetrieb.

Sie bekennen sich beide zur Schuldenfreiheit, aber welcher Ihrer Vorschläge in der Coronakrise ist denn jetzt eher das Geld wert?

Strack-Zimmermann: Ich war glücklich und habe gesagt: Herr Keller, Ihr Vorschlag mit dem Gastronomie-Schirm ist hochinterressant. Herr Keller hat meinen Vorschlag direkt in den Sack gehauen.

Keller: Ich habe nur gesagt, er sei unausgegoren.

Strack-Zimmermann: Das hätte ich nie gesagt. Ich glaub, dass all diese Vorschläge von einer breiten Mehrheit im Rat getragen werden müssen. Wir dürfen auf keinen Fall Denkverbote haben, wie man die Wirtschaft von der kleinen Kneipe bis zu großen Unternehmen wieder in Schwung bringt. Ein Signal der Stadt könnte es sein, die Gewerbesteuer für ein Jahr zu senken, um den Motor wieder anzuwerfen. Diese Diskussion müssen wir führen, und das muss durchgerechnet werden.

Keller: Wir müssen uns in der Tat überlegen, was können wir leisten und was überschreitet unsere Leistungsfähigkeit. Ich halte es für klüger, gezielt eine Branche wie die Gastronomie zu unterstützen, deren besondere Bedeutung für die Stadt wir kennen, statt pauschal ein Haushaltsloch aufzumachen, ohne zu wissen, ob dies einen Effekt hat.

Strack-Zimmermann: Ich habe eine Idee: Wir holen Herrn Keller als Stadtdirektor und Verkehrsdezernenten nach Düsseldorf zurück und ich als Oberbürgermeisterin arbeite dann hervorragend mit ihm zusammen.

Eine Abschlussfrage Auch wenn es noch nicht dunkel ist: Wer von Ihnen genießt nachher auf dem Heimweg mehr den Schein der Düsseldorfer Gaslaternen, die erhalten geblieben sind?

Strack-Zimmermann: Herr Keller zeichnet sich dadurch aus, und ich meine das mit dem nötigen Respekt, dass er Dinge sehr akribisch umsetzt. Bei den Gaslaternen aber fand ich das zu forsch, wie Sie seinerzeit rangegangen sind. Ich bin glücklich, stolz und sehr erleichtert, dass wir in den letzten Jahren, angeregt auch durch eine unglaublich engagierte und sachliche Bürgerbewegung, das jetztige Ergebnis auf den Weg gebracht haben. Insofern freue ich mich sicher mehr als Herr Keller, der zunächst sehr durchsetzungsstark gegen den Erhalt der Gaslaternen war.

Keller: Ja, durchsetzungsstark, aber auch sehr faktenorientiert. Sie haben gefragt, wer sich mehr freut. Das Abschiedgeschenk der Landeshauptstadt an mich als scheidenden Verkehrsdezernenten Ende 2016 war eine Alt-Düsseldorfer-Laterne, ich erfreue mich seitdem jeden Tag an ihrem Anblick.

Strack-Zimmermann: Sie wissen, das war reiner Zynismus, damit Ihnen immer ein Licht aufgeht.

Keller: Ich kann diesen Anblick der Laterne auch genießen, wenn sie mit elektrischem Licht versehen ist. Im Ernst: Das Thema ist vom Stadtrat im Sinne eines Kompromisses abgeräumt worden. Nun gilt es, diesen Beschluss umzusetzen, da gibt es überhaupt kein Vertun.

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